VwGH 2011/15/0024

VwGH2011/15/00245.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach in 2230 Gänserndorf, Rathausplatz 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 15. Dezember 2010, Zl. RV/0359-K/10, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: P KG in K), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §188;
BAO §190 Abs1;
BAO §188;
BAO §190 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte KG, die sich mit dem gewerblichen Handel von Immobilien beschäftigt, brachte beim Finanzamt Erklärungen der Einkünfte von Personengesellschaften ein, in denen sie die erzielten Einkünfte den an ihr beteiligten Kommanditisten im Verhältnis ihrer getätigten Einlage zuwies. In den Erklärungen ist u. a. Mag. Gerhard S (und in der Erklärung für 2001 auch Mag. Heinz P) als Mitunternehmer ausgewiesen. Die Feststellung der Einkünfte erfolgte zunächst erklärungsgemäß (also unter Einbeziehung von Mag. Gerhard S), wobei die Feststellungsbescheide gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergingen.

Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung betreffend die Jahre 1997 bis 2001 stellte der Prüfer fest, dass die Kommanditisten nicht als "Mitunternehmer im steuerlichen Sinn" anzusehen und Verlustzuweisungen an die Kommanditisten nicht anzuerkennen seien.

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ gemäß § 200 BAO endgültige Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO, in denen die von der KG in den Jahren 1997 bis 2001 erzielten Einkünfte je zur Hälfte den Komplementären zugewiesen wurden.

In Bezug auf die einzelnen Kommanditisten (im hier vorliegenden Verfahren Mag. Gerhard S betreffend) erließ das Finanzamt zudem auf § 92 Abs. 1 lit. b BAO und § 190 Abs. 1 iVm § 188 BAO gestützte Bescheide mit dem Inhalt, dass der Anteil des jeweiligen Kommanditisten am Ergebnis der KG nicht in die Feststellung der Einkünfte einzubeziehen sei und eine Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 1997 bis 2001 in Bezug auf diesen Kommanditisten zu unterbleiben habe. Die diesbezüglichen Bescheide ergingen an die KG und den jeweiligen Kommanditisten und wurden jeweils beiden zugestellt.

Die KG berief gegen die Bescheide und beantragte deren ersatzlose Aufhebung bzw. eine erklärungsgemäße Veranlagung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der KG als unzulässig zurück.

Der Mag. Gerhard S betreffende Bescheid sei in zwei Ausfertigungen verfasst worden. Eine Ausfertigung sei Mag. Gerhard S, die andere der KG zugestellt worden. Zeitgleich seien sechs weitere Urkunden in zwei Ausfertigungen verfasst und den weiteren Kommanditisten sowie der KG zugestellt worden. Keine Ausfertigung enthalte eine Erläuterung gemäß § 101 Abs. 3 BAO. Es lägen mehrere Nichtfeststellungsbescheide mit verschiedenen Inhalten vor. Das Erfordernis der einheitlichen Feststellung, das für Feststellungs- und Nichtfeststellungsbescheide gelte, beinhalte die Verpflichtung, nur einen und nicht mehrere Bescheide zu erlassen. Daher handle es sich bei der Mag. Gerhard S betreffenden Erledigung um einen Nichtbescheid. Die an die KG gerichtete Erledigung enthalte zudem keine Erläuterung gemäß § 101 Abs. 3 BAO und stelle auch deshalb einen Nichtbescheid dar.

Für 2001 habe die KG die Existenz eines weiteren Kommanditisten (Mag. Heinz P) behauptet und die Zuweisung eines Verlustes von 5,500.000 S an diesen begehrt. Mag. Heinz P sei bereits 2001 Kommanditist der KG gewesen. Dennoch habe das Finanzamt für Mag. Heinz P weder positive noch negative Feststellungen getroffen und mit Wirksamkeit für diesen auch keinen Feststellungs- oder Nichtfeststellungsbescheid zugestellt. Betreffend 2001 mangle es auch aus diesem Grund an der Einheitlichkeit des Verfahrens. "Auch deshalb ist der Nichtfeststellungsbescheid mit Wirksamkeit für 2001 an (Mag. Gerhard S) und die (KG) eine unwirksame behördliche Erledigung."

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, zu der das Finanzamt in einer Gegenäußerung Stellung nahm.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 92 Abs. 1 lit. b BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen.

Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit sowie Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens werden gemäß § 188 BAO festgestellt, wenn an ihnen mehrere Personen beteiligt sind.

Die für Feststellungen nach § 188 BAO geltenden Vorschriften sind gemäß § 190 Abs. 1 zweiter Satz BAO sinngemäß auf Bescheide anzuwenden, mit denen ausgesprochen wird, dass solche Feststellungen zu unterbleiben haben.

Nach § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen, wobei mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen gilt, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

Die belangte Behörde wertete die an Mag. Gerhard S und die KG ergangene Erledigung als Nichtbescheid, weil das Finanzamt in dieser nur "Nichtfeststellungen" betreffend Mag. Gerhard S ausgesprochen habe. Damit habe das Finanzamt dem Erfordernis der einheitlichen Feststellung nicht Rechnung getragen, das die Verpflichtung beinhalte, nur einen und nicht mehrere Bescheide zu erlassen. Die an die KG gerichtete Erledigung enthalte zudem keine Erläuterung gemäß § 101 Abs. 3 BAO und sei auch deshalb ein Nichtbescheid. Abgesehen davon habe das Finanzamt im Jahr 2001 in Bezug auf einen Kommanditisten weder positive noch negative Feststellungen getroffen und mit Wirksamkeit für diesen auch keinen Feststellungs- oder Nichtfeststellungsbescheid zugestellt. Betreffend das Jahr 2001 mangle es auch aus diesem Grund an der Einheitlichkeit des Verfahrens.

Das beschwerdeführende Finanzamt teilt die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass für Feststellungsverfahren nach § 188 BAO der Grundsatz der Einheitlichkeit gelte. Es vertritt aber die Auffassung, dass mit dem der bekämpften Berufungsentscheidung zu Grunde liegenden, an den Kommanditisten Mag. Gerhard S und die KG gerichteten Bescheid, kein (Nicht‑)Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO durchgeführt worden sei. Der Bescheid habe vielmehr ausgesprochen, dass eine Einbeziehung von Mag. Gerhard S in die gemeinschaftliche Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 1997 bis 2001 zu unterbleiben habe. Dieser Bescheid sei auf der Rechtsgrundlage des § 92 Abs. 1 lit b. BAO erlassen worden und es sei beiden von seinem Inhalt in ihrer Rechtssphäre berührten Steuerrechtssubjekten eine Ausfertigung des - gemessen am Bescheidspruch - einheitlich erlassenen Bescheides zugestellt worden. Daher gehe auch der Einwand ins Leere, das Finanzamt habe für das Jahr 2001 die Existenz und Verlustzuweisung an Mag. Heinz P übersehen. "Der gegenständlich ausgeschiedene (Mag. Gerhard S) würde dadurch in seinem im verwaltungsbehördlichen Verfahren strittigen Recht auf seine Mitunternehmerschaft ebenso wenig tangiert wie ihm gegen die Beurteilung der Steuerrechtsstellung von (Mag. Heinz P) und allfälligen diesen betreffenden Ausscheidungsgründen auch kein Einspruchsrecht zukäme." Da der Bescheid beiden vom Spruch umfassten Empfängern zugestellt worden sei, habe auch der Hinweis gemäß § 101 Abs. 3 zweiter Satz BAO unterbleiben können.

Mit diesen Ausführungen ist das beschwerdeführende Finanzamt nicht im Recht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt entschieden hat, ist ein Bescheid, mit dem ausgesprochen wird, dass eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften unterbleibt, ein Grundlagenbescheid im Sinne des § 188 BAO (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. März 2006, 2004/15/0048, mit weiteren Nachweisen). Die Einheitlichkeit als Wesensmerkmal des Feststellungsbescheides nach § 188 BAO gilt - wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits erkannt hat - somit auch für den Bescheid mit dem ausgesprochen wird, dass eine Feststellung nicht zu erfolgen hat. Soweit eine Personengesellschaft unter Benennung ihrer Gesellschafter dem Finanzamt gegenüber mit dem Begehren auf bescheidmäßige Feststellung von Einkünften nach § 188 BAO auftritt (insbesondere durch Einreichung einer entsprechenden Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften), muss die bescheidmäßige Erledigung gegenüber diesen Rechtssubjekten einheitlich ergehen. Ein nicht an alle diese Rechtssubjekte gerichteter Bescheid solchen Inhaltes bleibt wirkungslos (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 30. März 2006, 2004/15/0048).

Gegenständlich sind Erledigungen im Sinne des § 188 BAO ergangen, in denen die von der KG in den Jahren 1997 bis 2001 erzielten Einkünfte je zur Hälfte den Komplementären zugewiesen wurden. Zusätzlich wurden Erledigungen betreffend die Kommanditisten der KG erlassen, in denen u.a. ausgesprochen wurde, dass eine Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO zu unterbleiben habe. Damit wurde gegen das bei Grundlagenbescheiden im Sinne des § 188 BAO geltende Gebot der Einheitlichkeit verstoßen. Die an den Kommanditisten Mag. Gerhard S und die KG gerichtete Erledigung hat schon deshalb keine Rechtswirksamkeit erlangt, weshalb die belangte Behörde die dagegen gerichtete Berufung zu Recht zurückgewiesen hat.

Die Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 5. September 2012

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