Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes vom 25. September 2006 wurde die Einkommensteuer 2005 der Beschwerdeführerin festgesetzt. Dabei wurde ein Alleinverdienerabsetzbetrag berücksichtigt.
Mit Bescheid des Finanzamtes vom 6. Juni 2007 wurde der Bescheid vom 25. September 2006 gemäß § 299 BAO aufgehoben. Begründend führte das Finanzamt aus, die Abgabenbehörde erster Instanz könne gemäß § 299 Abs. 1 BAO einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Mit weiterem Bescheid des Finanzamtes vom 6. Juni 2007 wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2005 neu festgesetzt. In der Begründung wurde ausgeführt, der Alleinverdienerabsetzbetrag habe nicht berücksichtigt werden können, da die steuerpflichtigen Einkünfte des Ehepartners höher als der maßgebliche Grenzbetrag seien.
Die Beschwerdeführerin erhob "Berufung gegen Bescheid für 2005 vom 6. Juni 2007". Sie beantrage nach wie vor für 2005 den Alleinverdienerabsetzbetrag, weil sie erst am 11. Juni 2005 geheiratet habe und zu diesem Zeitpunkt keinen gemeinsamen Wohnsitz gehabt habe und nicht zusammen gelebt habe. Sie habe erst im September ein Haus gekauft, das noch renoviert habe werden müssen. Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann MS habe sie das alleinige Sorgerecht für die Töchter L und S gehabt. Im Jahr 2005 habe MS das Sorgerecht für die Tochter S beantragt; es sei zu einem erbitterten Kampf über Gericht und Jugendamt gekommen. Dies sei der Grund gewesen, warum sie so rasch den Vater ihres dritten Kindes geheiratet habe, obwohl noch kein gemeinsamer Wohnsitz bestanden habe. Im Jahr 2006 habe es sodann weitere Streitereien betreffend das Sorgerecht für L gegeben; diese wohne nunmehr beim Vater. Aufgrund des Verlustes der Tochter sei es auch in der jetzigen Ehe zu Schwierigkeiten gekommen. Ihr Mann sei mit 23. Juni 2006 umgezogen.
In einer Niederschrift führte die Beschwerdeführerin weiter aus, die Hochzeit sei aus dem Grund wichtig gewesen, um vor dem Jugendamt bzw. Gericht für das Sorgerecht ihres Kindes zu kämpfen und eine intakte Familie vorzuweisen. Ihr Ehemann habe sich nur mit seiner Arbeitskraft an den Kosten betreffend Renovierung des von ihr angekauften Hauses beteiligt, da er hohe Schulden habe und 2006 in Privatkonkurs "gegangen" sei. Nach der Renovierung hätten sie vorgehabt, im November 2005 gemeinsam in das Haus zu ziehen. Als es dann soweit gewesen sei, habe sich ihre Tochter geweigert, ebenfalls mit einzuziehen. Sie habe gedroht, zu ihrem Vater zu ziehen, was sie dann auch tatsächlich getan habe. Aus dieser Situation heraus sei es zu keinem gemeinsamen Wohnsitz gekommen. In der Folge hätten dann Streitereien mit dem früheren Ehemann um das Sorgerecht begonnen. Diese Situation habe auch die nunmehrige Ehe sehr stark belastet; ein gemeinsamer Haushalt komme daher nicht in Frage. Ihr Ehemann zahle nur die Alimente für das gemeinsame Kind; die Höhe sei durch das Jugendamt festgesetzt worden. Die Besuchsregelung werde so gehandhabt, dass ihr Mann am Wochenende zu ihr komme, sollte aber die große Tochter zu Hause sein, hole er das Kind ab.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 5. November 2007 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sie brachte weiter vor, sie habe in Panik, ihre Tochter zu verlieren, am Tag der Goldenen Hochzeit ihrer Eltern unüberlegt geheiratet; es habe niemand davon gewusst, was ihr besonders ihre große Tochter L übel genommen habe. In der Folge habe sie den Sorgerechtsstreit um die Tochter S gewonnen. Ihre Tochter L sei aber so "sauer" über die kurzfristige Hochzeit gewesen, dass ihr Ehemann niemals die bisherige Wohnung in deren Anwesenheit habe betreten dürfen. In der Folge habe ihre Tochter die Wohnung verlassen und sei zu ihrem Vater gezogen. Ihr Ehemann habe an dem Haus mitgearbeitet in der Hoffnung, dass sich ihr Ärger legen werde, was aber nicht erfolgt sei. Sie sei noch verheiratet, bei einer Scheidung müsste sie ihren Mann "hinausbezahlen"; da er sich in Privatkonkurs befinde, wäre dann "alles weg".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung "betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005" als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe im Streitjahr für 3 Kinder Familienbeihilfe bezogen und zwar für L (geboren 1991), S (geboren 1993) und A (geboren 2002). Strittig sei, ob die Beschwerdeführerin von ihrem Ehegatten, mit dem sie seit 11. Juni 2005 verheiratet sei und mit dem sie laut vorgelegten Meldebestätigungen zu keinem Zeitpunkt eine gemeinsame Wohnadresse gehabt habe, dauernd getrennt lebe oder nicht. Bejahe man eine dauernde Trennung, so sei die Beschwerdeführerin als Alleinerzieherin anzusehen, welcher der Alleinerzieherabsetzbetrag zustehe. Verneine man eine dauernde Trennung, so sei die Beschwerdeführerin weder als Alleinerzieherin noch als Alleinverdienerin anzusehen, weil ihr Ehegatte im Jahr 2005 unbestritten Einkünfte über dem Grenzbetrag von 6.000 EUR erzielt habe.
Das Tatbestandsmerkmal des "Nicht-dauernd-getrennt-Lebens" stelle nicht auf die Anzahl der Wohnsitze der Ehegatten oder die polizeilichen Meldungen, sondern darauf ab, ob der Abgabepflichtige bei an sich aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit oder aber dauernd getrennt von seinem Ehegatten lebe. Die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehegatten sei vom Willen getragen gewesen, diese Ehe in üblicher Form zu führen. Dies sei aus dem von der Beschwerdeführerin geschilderten Bemühen, sich einen gemeinsamen Wohnsitz zu schaffen, zu schließen. Wenn auch dieses Unterfangen an den Widerständen der älteren Tochter der Beschwerdeführerin letztlich gescheitert sei, so könne von einer dauernden Trennung der Ehegatten nicht die Rede sein. Keinen Glauben könne die belangte Behörde den Ausführungen der Beschwerdeführerin schenken, sie sei eine Heirat aus formalen Gründen eingegangen; es sei zu keinem Zeitpunkt eine gemeinsame Eheführung erfolgt. Diese Aussage sei schon dadurch widerlegt, dass die Beschwerdeführerin angegeben habe, ihr Ehemann habe jene Wochenenden, an denen ihre ältere Tochter nicht in ihrem Haushalt gewesen sei, bei ihr verbracht, andernfalls habe er das gemeinsame Kind zu sich genommen. Damit sei auch bewiesen, dass die Ehegatten zumindest zeitweilig zusammengelebt hätten. Wenn bei der Beschwerdeführerin einzig und allein das Motiv für die Verehelichung gewesen wäre, eine "intakte Familie vorweisen zu können", so wäre wohl für sie ein Zusammenziehen mit ihrem Ehemann nicht in Frage gekommen. Auch finanzielle Gründe schieden als Motiv für die Eheschließung in Anbetracht der von der Beschwerdeführerin geschilderten finanziellen Situation ihres Ehemannes (dieser habe hohe Schulden seiner ersten Frau übernommen; über sein Vermögen sei 2006 Privatkonkurs eröffnet worden) aus. Dem weiteren Argument der Beschwerdeführerin, dass sie alle Kosten selbst zu tragen gehabt und finanzielle Unterstützung durch ihren Ehemann - mit Ausnahme der Alimentationszahlungen für ihren gemeinsamen Sohn - nicht erhalten habe, sei entgegenzuhalten, dass der Ehemann seine Arbeitskraft bei der Renovierung des von der Beschwerdeführerin erworbenen Wohnhauses zur Verfügung gestellt und damit auf Grund der Ersparung von Kosten seinen Beitrag zur Finanzierung der gemeinsamen Bedürfnisse geleistet habe.
Wenn die Beschwerdeführerin einwende, dass sie länger als sechs Monate alleine gelebt habe und ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag gebühre, sei auszuführen, dass sich dieser Zeitraum nicht aus der Zusammenrechnung einzelner Zeiten ergebe, sondern vielmehr eine "dauernde getrennte Lebensführung" durch die genannte Zeit hindurch vorliegen müsse. Dies treffe aber hier nicht zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 33 Abs. 4 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 34/2005) stehen zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen u.a. folgende Absetzbeträge zu:
- einer Alleinverdienerin steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu; Alleinverdienerin ist (u.a.) eine Steuerpflichtige, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet ist und von ihrem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt (Z 1);
- einer Alleinerzieherin steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu; Alleinerzieherin ist eine Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt (Z 2).
Der Voraussetzung, "nicht in einer Gemeinschaft" zu leben, entspricht - als Gegensatz - für den Alleinverdienerabsetzbetrag bei aufrechter Ehe die Voraussetzung, vom Ehegatten "nicht dauernd getrennt" zu leben. Alleinverdienerabsetzbetrag und Alleinerzieherabsetzbetrag schließen einander aus, der "Status des Alleinerziehers" ist "gleichsam der entgegengesetzte Status eines Alleinverdieners" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 2013, 2010/13/0172, mwN).
Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1997, 95/13/0161, mwN). Im Regelfall wird die Absicht der Ehegatten, dauernd oder nur vorübergehend getrennt zu leben, festzustellen und der behördlichen Entscheidung zugrunde zu legen sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1992, 89/13/0135). Besteht die Absicht der Ehegatten, eine Wohngemeinschaft aufzunehmen, ist bei einer "intakten" Ehe auch dann nicht vom Merkmal des "Dauerndgetrennt-Lebens" auszugehen, wenn die Ehegatten noch über keine geeignete gemeinsame Wohnung verfügen, sondern eine solche erst (gemeinsam) schaffen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1998, 93/13/0109). An dem Zustand des Dauernd-getrennt-Lebens ändert hingegen die Tatsache nichts, dass jener Elternteil, welcher die eheliche Wohnung verlassen hat, mehr oder weniger oft, etwa zum Besuch gemeinsamer Kinder, in dieselbe zurückkehrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1984, 83/13/0153, VwSlg. 5857/F).
Im vorliegenden Fall bestand zwar zum Zeitpunkt der Eheschließung - wie auch die Beschwerdeführerin in der Berufung ausführte - "noch" kein gemeinsamer Wohnsitz. Die Ehepartner hatten aber - wie ebenfalls aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin hervorgeht - geplant, gemeinsam in das von der Beschwerdeführerin angekaufte Haus zu ziehen; der Ehemann beteiligte sich dazu auch an den Renovierungsarbeiten. Solange aber eine solcherart objektivierbare Absicht, einen gemeinsamen Wohnsitz zu schaffen, bestand, ist nicht von einem Dauerndgetrennten-Leben der Ehepartner auszugehen, auch wenn ein gemeinsamer Wohnsitz letztlich nicht zustande gekommen ist. Gelegentliche Besuche des gemeinsamen Kindes am Wochenende begründen hingegen kein Zusammenleben.
Die belangte Behörde ging insoweit auch - zutreffend auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin gestützt - davon aus, dass ein Bemühen, einen gemeinsamen Wohnsitz zu schaffen, bestanden habe, dieses "Unterfangen" sei aber letztlich an den Widerständen der älteren Tochter der Beschwerdeführerin gescheitert.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall, in welchem es niemals tatsächlich zu einem "Zusammenleben" kam (die Besuche aus Anlass der Ausübung des Besuchsrechtes des gemeinsamen Kindes begründen ein derartiges Zusammenleben - wie bereits ausgeführt - nicht), wann die Absicht, einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen, aufgegeben wurde. Hiezu liegen aber keine Feststellungen vor. Sollte diese Absicht bereits im November 2005 aufgegeben worden sein (worauf die Angaben der Beschwerdeführerin hindeuten könnten, im November 2005, als das Haus hätte bezogen werden sollen, habe es einen "Aufstand durch die Tochter" gegeben), hätte die Beschwerdeführerin im Jahr 2005 insgesamt mehr als sechs Monate nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner gelebt, sodass ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag zustehen würde, zumal ein Zusammenleben als Partner vor der Eheschließung auch von der belangten Behörde nicht angenommen wird.
Somit fehlen aber die für eine abschließende Beurteilung erforderlichen Feststellungen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 22. Mai 2014
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