VwGH 2011/12/0023

VwGH2011/12/002330.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Hofrat Dr. Zens und der Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des H M in S, vertreten durch die Dr. Gerhard Rößler Rechtsanwalt KG in 3910 Zwettl, Hamerlingstraße 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. Jänner 2011, Zl. IVW3-BE-3093501/004-2010, betreffend Abweisung einer Vorstellung in Angelegenheiten des Austritts aus dem Dienstverhältnis (§ 25 NÖ. GBDO) (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde S, zu Handen des Bürgermeisters), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
GdBDO NÖ 1976 §25;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
GdBDO NÖ 1976 §25;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides von Folgendem aus:

Der Beschwerdeführer trat 1982 in den Dienst der Stadtgemeinde S (mitbeteiligte Partei).

Er erklärte mit Schreiben vom 13. November 2009 den Austritt aus dem Gemeindedienst per 30. November 2009.

In der Folge verfasste der Bürgermeister der Stadtgemeinde nachstehendes an den Beschwerdeführer adressiertes und mit 17. November 2009 datiertes Schreiben (Hervorhebung im Original;

Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Austritt aus dem Gemeindedienst

Sehr geehrter Herr X.

lieber Y.!

Wir bestätigen den Erhalt deiner Austrittserklärung, datiert

mit 13.11.2009, eingelangt im Stadtamt S. ebenfalls am 13.11.2009, und nehmen diese zur Kenntnis.

Gemäß § 25 GBDO, LGBl. 2400 idgF, endet das Dienstverhältnis frühestens vier Wochen nach dem Einlangen der Austrittserklärung beim Gemeindeamt. Das Dienstverhältnis zur Stadtgemeinde S. endet demgemäß am Freitag, 11. Dezember 2009 .

Die dir zustehenden anteiligen Dienstbezüge und Sonderzahlungen werden auf das von dir angegebene Konto bei der Bank Austria überwiesen.

Für ev. Stellungnahmen deinerseits zu diesem Schreiben merken wir uns den 27.11.2009 vor.

Wir wünschen dir alles Gute für deinen weiteren Lebensweg, vor allem auch eine baldige und nachhaltige Besserung deines Gesundheitszustandes!

Mit freundlichen Grüßen

(Unterschrift)

Bürgermeister"

Mit Schreiben vom 30. November 2009 brachte der Beschwerdeführer bei der Stadtgemeinde S. (im Folgenden: Stadtgemeinde) einen schriftlichen Widerruf seiner Austrittserklärung ein. Der Widerruf wird im Wesentlichen damit begründet, der Austritt sei unter ungerechtfertigtem Druck erfolgt und damit bei einer Gesamtbetrachtung unwirksam.

Mit 1. Dezember 2009 brachte der Beschwerdeführer ein als "Berufung bzw. Vorstellung" bezeichnetes Schreiben bei der Stadtgemeinde ein, um das Schreiben des Bürgermeisters vom 17. November 2009, welches vom Beschwerdeführer als Bescheid angesehen wurde, zu bekämpfen. Der Beschwerdeführer beantragte, 1. den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, 2. in eventu den bekämpften Bescheid dahin abzuändern, dass festgestellt werde, dass das Dienstverhältnis über den 11. Dezember 2009 hinaus andauere, 3. in eventu den bekämpften Bescheid aufzuheben und das Verfahren an die Behörde 1. Instanz zurückzuverweisen;

Mit Bescheid des Stadtrates vom 6. Juli 2010 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, der bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters sei nicht als Bescheid, sondern lediglich als Bestätigungsschreiben zu qualifizieren. Die Austrittserklärung sei eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Rechtswirkungen ex lege mit dem Empfang der Erklärung einträten.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Vorstellung und brachte vor, die Entscheidung sei unrichtig, weil das Schreiben vom 17. November 2009 sämtliche wesentlichen Bescheidmerkmale enthalte. Darüber hinaus wird gerügt, dass der gestellte Eventualantrag auf Feststellung des Bestehens des Dienstverhältnisses über den 11. Dezember 2009 hinaus unbehandelt geblieben sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 61 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet ab.

Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde begründend zusammengefasst aus, eine Austrittserklärung nach § 25 Abs. 1 GBDO sei eine einseitige Willenserklärung eines Gemeindebeamten, die seitens der Dienstbehörde empfangsbedürftig sei, jedoch zu ihrer Wirksamkeit nicht der formellen Annahme bedürfe. Die empfangsbedürftige Austrittserklärung erlange ihre Wirksamkeit mit dem Einlangen bei der zuständigen Dienstbehörde. Der Bürgermeister sei daher nicht gehalten gewesen, in Ansehung der Austrittserklärung einen Bescheid zu erlassen. Daran vermöge auch die Formulierung der Austrittserklärung als Ersuchen bzw. Ansuchen um vorzeitigen Austritt nichts zu ändern, da das Gesetz dem Gemeindebeamten das Gestaltungsrecht über die einseitige Beendigung seines Dienstverhältnisses einräume. Die ausschließlich vom Willen des Beamten abhängige Willenserklärung beende sein im Regelfall durch Ernennung durch die Dienstbehörde begründetes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis. Die Austrittserklärung stelle einen "contrarius actus" zur Ernennung dar. Das Schreiben des Bürgermeisters vom 17. November 2009 habe lediglich den Charakter eines bloßen Bestätigungsschreibens über das Einlangen der Austrittserklärung und das (gesetzlich vorgegebene) Ende des Dienstverhältnisses, da die Rechtswirkungen bereits mit Einlangen der Austrittserklärung eingetreten seien.

Die vom Beschwerdeführer gegen das Schreiben des Bürgermeisters erhobene Berufung sei daher mangels Vorliegens eines Bescheides vom Stadtrat als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Eine inhaltliche Behandlung der in der Berufung gestellten Eventualanträge habe aus dem gleichen Grund nicht erfolgen können. Hätte der Stadtrat über diese Anträge abgesprochen, wäre für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen gewesen, da diese ebenfalls einer Sachentscheidung nicht zugänglich gewesen seien. In Ansehung der Zurückweisung der Berufung mangels Vorliegens eines Bescheides des Bürgermeisters wäre der Stadtrat überdies zur Behandlung des Eventualantrages auf Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht zuständig gewesen. Dieser hätte allerdings vom Stadtrat entsprechend § 2 DVG iVm § 6 AVG an den Bürgermeister als die nach § 156 GBDO zuständige Dienstbehörde weitergeleitet werden müssen. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei für den Beschwerdeführer ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung und erscheine daher zulässig.

Da mit dem Bescheid des Stadtrates die Berufung gegen eine nicht als Bescheid zu qualifizierende Erledigung des Bürgermeisters zurückgewiesen worden sei, sei die Vorstellung gegen den Berufungsbescheid als unbegründet abzuweisen. Die Frage der Zulässigkeit des Widerrufs der Austrittserklärung stelle sich im vorliegenden Verfahren nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zutreffend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass für den Fall des mangelnden Bescheidcharakters des Schreibens des Bürgermeisters vom 17. November 2009, die dagegen gerichtete Berufung als unzulässig zurückzuweisen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2008, Zl. 2008/12/0027, mwN).

Zur Frage des Bescheidcharakters einer nicht als Bescheid bezeichneten Erledigung hat ein verstärkter Senat des Verwaltungsgerichtshofes mit Beschluss vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/73, Slg. N.F. Nr. 9458/A, ausgeführt:

"Enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die (Anmerkung: sofern dies auf Grund der späteren Änderung der Rechtslage noch vorgesehen ist) Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen u.dgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG, gewertet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in seiner bisherigen Judikatur den rechtsverbindlichen Inhalt einer behördlichen Erledigung als für die Bescheidqualität der Erledigung wesentlich gewertet und unter dieser Voraussetzung die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nicht als wesentlich angesehen. Ergibt sich aus dem Wortlaut der behördlichen Erledigung, insbesondere aus der Verwendung der Verfahrensgesetze und der Verwaltungsvorschriften für jedermann eindeutig, dass ein rechtsverbindlicher Anspruch vorliegt, dann ist ungeachtet des Fehlens der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid ein solcher als gegeben anzunehmen. Der mit der Bestimmung des § 58 Abs. 1 AVG angestrebte Zweck, nämlich durch die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Betroffenen Klarheit und damit Rechtssicherheit zu schaffen, ist erreicht, wenn die Bestimmung über den Spruch des Bescheides in eindeutiger Form eingehalten und verwirklicht ist. Die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid ist jedoch nicht in jedem Fall entbehrlich. Verwaltungsbehörden (im organisatorischen Sinn) können auch rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben, wobei aus dem Inhalt der Erklärung noch nicht eindeutig geschlossen werden kann, ob es sich um rechtsgeschäftliche Erklärungen oder um rechtsverbindliche Anordnungen im Bereich des öffentlichen Rechts handelt. Ferner sind behördliche Erledigungen nicht nur in Bescheidform zu erlassen (vgl. Verfahrensanordnungen, Dienstaufträge oder organisatorische Maßnahmen).

Insbesondere in jenem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung oder einer behördlichen Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nach der für sich allein gesehen unabdingbaren Norm des § 58 Abs. 1 AVG für das Vorliegen eines Bescheides nicht wesentlich."

An eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, muss hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab angelegt werden (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 10. November 2010, Zl. 2010/12/0042 und vom 28. März 2008, Zl. 2008/12/0027).

Die im Beschwerdefall zu beurteilende Erledigung des Bürgermeisters ist nicht als Bescheid bezeichnet und nicht in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert. Es liegt auch kein normativer Inhalt in dem Sinne vor, dass nach dem Inhalt des Schreibens eine Rechtsgestaltung eintreten sollte. Vielmehr wird zunächst die Austrittserklärung des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen und mitgeteilt, dass diese am 13. November 2009 eingelangt sei. Letzteres stellt lediglich eine Wissenserklärung dar. Im Weiteren wird ausgeführt, dass das Dienstverhältnis gemäß § 25 NÖ. GBDO frühestens vier Wochen nach dem Einlangen der Austrittserklärung beim Gemeindeamt ende und mitgeteilt, dass es demgemäß am Freitag, dem 11. Dezember 2009, ende. Auch damit wird lediglich die Rechtsansicht mitgeteilt, dass gemäß der gesetzlichen Regelung das Dienstverhältnis am 11. Dezember 2009 ende. Die Mitteilung, dass die dem Beschwerdeführer zustehenden Dienstbezüge und Sonderzahlungen auf das von ihm angegebene Konto überwiesen werden, hat weder rechtsgestaltenden noch rechtsfeststellenden Charakter. Das Schreiben des Bürgermeisters vom 17. November 2009 hat daher keinen normativen Inhalt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung gegen den Bescheid, mit dem die Berufung zurückgewiesen wurde, weil das Schreiben vom 17. November 2009 keinen Bescheid darstellt, daher zu Recht abgewiesen.

Was den in der Berufung gestellten Eventualantrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides, dass das Dienstverhältnis über den 11. Dezember 2009 hinaus andauere, anlangt, ist auszuführen, dass der Stadtsenat über diesen Eventualantrag nicht entschieden hatte, sodass er auch nicht Gegenstand im Verfahren vor der belangten Behörde als Vorstellungsbehörde war. Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinen Rechten verletzt, wenn mit dem angefochtenen Bescheid darüber nicht abgesprochen wurde. Angemerkt wird, dass im Bescheid der belangten Behörde ohnedies zutreffend darauf hingewiesen wurde, dass dieser Eventualantrag von der Berufungsbehörde an die zuständige erstinstanzliche Behörde weiterzuleiten ist.

Die Beschwerde war somit, ohne dass auf ihre weiteren Ausführungen einzugehen war, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. März 2011

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