VwGH 2011/09/0153

VwGH2011/09/015328.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Ing. WB in K, vertreten durch Dr. Gernot Murko, Mag. Christian Bauer und Mag. Gerlinde Murko-Modre, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 6/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 22. Juli 2011, Zl. KUVS-K1-1780-1783/10/2010, betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §18 Abs1;
AuslBG §18 Abs12;
AuslBG §28 Abs1 Z5 litb;
VStG §5 Abs1;
AuslBG §18 Abs1;
AuslBG §18 Abs12;
AuslBG §28 Abs1 Z5 litb;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P GmbH in K zu verantworten, dass diese Gesellschaft entgegen den Bestimmungen des § 18 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) die Arbeitsleistungen von vier näher bezeichneten polnischen Staatsangehörigen (Beschäftigungszeitraum an der Baustelle in S seit 11. Mai 2009 bis 13. Mai 2009), die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes (im vorliegenden Fall: Planungsbüro RO mit Sitz in Deutschland) zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt hat, in Anspruch genommen habe, obwohl die Voraussetzung nach § 18 Abs. 12 Z. 1 und 2 AuslBG nicht erfüllt gewesen seien und keine EU-Entsendebewilligung ausgestellt worden sei.

Der Beschwerdeführer habe dadurch vier Übertretungen gemäß § 18 Abs. 12 iVm § 28 Abs. 1 Z. 5 lit. b AuslBG begangen. Es wurden vier Geldstrafen in der Höhe von je EUR 2.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je drei Tagen) verhängt.

Die belangte Behörde ging von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Am 13.5.2009 um 08.00 Uhr führten Organe des Finanzamtes Salzburg eine Kontrolle der Baustelle Umbau M Shop S durch. Dabei wurden die vier im Straferkenntnis genannten polnischen Staatsbürger bei Fliesenlegerarbeiten angetroffen, wobei sie die Fliesen gemeinsam im Verbund verlegt haben; die Fliesen wurde von M Österreich und der Kleber vom Planungsbüro RO beigestellt. Die vier polnischen Staatsbürger wurden im Zuge der Amtshandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin niederschriftlich vernommen. Die vier polnischen Staatsbürger hatten in Deutschland per Adresse G-Straße u.a. das Gewerbe für Akustik und Trockenbau, Fuge, Estrichleger, Fliesen, Platten und Mosaikleger, Parkettleger, Laminatleger, Holz- und Abrissarbeiten im Bereich Trockenbau Vorarbeiten von Rauhfaser und Streicharbeiten angemeldet.

Die P GmbH hat mit der Firma Projektbüro RO einen mit 29.04.2009 datierten Werkvertrag mit einem Auftragsvolumen in der Höhe von EUR 66.904,20 abgeschlossen. Dieser Werkvertrag weist als Bauvorhaben M S aus; hinsichtlich der Leistung wird auf die zugesendeten Pläne, Terminplan und Beschreibung verwiesen. Die Unterlagen wurden bereits vor Anboterstattung dem Projektbüro RO übermittelt. Auftragsvolumen waren die gesamten Spiegel, Möbel und Fliesenleger- und Bodenarbeiten. Das Projektbüro RO hat keine Mitarbeiter und waren die vier im Straferkenntnis genannten Ausländer damals bei RO in Deutschland in Untermiete.

Die Firma Projektbüro RO mit Sitz in P hat Aufträge (30.4.2009) an die vier polnischen Staatsbürger für das Bauvorhaben M S mit einer Auftragssumme von je EUR 2.021,25 exkl. MwSt. (pauschal) erteilt. Als Art und Umfang der Leistungen weisen alle vier Aufträge Bodenfliesen verlegen inkl. Vorbereitung von 96,25 m2 aus. Die Verträge vom 30.4.2009 weisen auch eine Gewährleistung von 5 % Einbehalt aus.

Im Zuge der Amtshandlung wurde festgestellt, dass die vier Polen mit einem polnischen Kraftfahrzeug angereist waren und selbst für ihre Unterkunft sorgten. Sie trugen Arbeitskleidung der Firma 'P' und wurde ihnen aufgetragen, diese Kleidung während der Arbeit zu tragen. Herr RO hat alle drei bis vier Tage die Baustelle kontrolliert. Eine begleitende Kontrolle hat DI BB als Projektleiter der Fa. P GmbH durchgeführt. Werkzeug und Material konnten die vier polnischen Staatsangehörigen laut Angaben des Hrn. RO aus seinem Bestand entleihen.

Der (Beschwerdeführer) ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der P GmbH mit dem Sitz in K. Es handelt sich dabei um den Verwaltungssitz und ist der (Beschwerdeführer) dort als kaufmännischer Geschäftsführer tätig. Das gegenständliche Projekt wurde grundsätzlich vom zweiten Geschäftsführer, JH, abgewickelt. Die operativen Geschäfte der Firma werden über den Firmensitz in B abgewickelt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet zunächst Verjährung ein, weil die belangte Behörde den Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz insofern abgeändert habe, als die Eigenschaft des Beschwerdeführers, in der er als Verantwortlicher gehandelt habe, geändert worden sei, wobei die im angefochtenen Bescheid vorgeworfene Eigenschaft nicht in einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung vorgeworfen worden sei.

Der Beschwerdeführer verkennt, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erforderlich ist, in der Verfolgungshandlung der von Anfang an als Beschuldigten angesprochenen Person auch vorzuwerfen, die Tat als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener gemäß § 9 VStG verantworten zu müssen (vgl. die in Walter/Thienel,

Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), Seite 239, E 264 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Weiters wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Änderung der angewendeten Rechtsvorschriften im angefochtenen Bescheid. Er verkennt, dass eine Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschriften auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist möglich ist, wenn dem Beschwerdeführer kein

anderer Sachverhalt zur Last gelegt wird (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), Seite 829, E 410, sowie S 854, E 547 f, wiedergegebene ständige Rechtsprechung).

In der Sache selbst wendet der Beschwerdeführer - wie schon im Verwaltungsverfahren - ein, es handle sich sowohl bei dem von der P GmbH dem Planungsbüro RO erteilten Auftrag um einen Werkvertrag als auch bei den zwischen dem Planungsbüro RO und den Polen geschlossenen Verträgen um "Subwerkverträge".

Ein Werkvertrag liegt nach ständiger hg. Rechtsprechung vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt besteht, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln muss. Die Verpflichtung aus einem Werkvertrag besteht darin, die bereits im Vorhinein genau umrissene Leistung (in der Regel bis zu einem bestimmten Termin) zu erbringen. Das Interesse des Bestellers bzw. die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können. Mit der Erbringung der Leistung endet das Werkvertragsverhältnis. Eine zwar leistungsbezogene, nicht aber erfolgsbezogene Entlohnung spricht gegen das Vorliegen eines Werkvertrages. Wenn ein dauerndes Bemühen geschuldet wird, das bei Erreichen eines angestrebten "Ziels" auch kein Ende findet, spricht dies ebenfalls gegen einen Werkvertrag (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2007, Zl. 2005/08/0003, mwN). Dass sich entgegen den Ausführungen der belangten Behörde aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren ein konkretes, im Vorhinein abgrenzbares Werk für jeden der "beauftragten" Polen hätte erkennen lassen, wird auch in der Beschwerde nicht dargetan. Zudem arbeiteten die Polen in ununterscheidbarem Zusammenwirken.

Schon deshalb, weil sich den behaupteten "Werkverträgen" nicht einmal entnehmen lässt, ob es sich überhaupt bei der behaupteten Vergabe an den jeweiligen Polen um ein abgrenzbares, unterscheidbares "gewährleistungstaugliches" Werk handelt und diese in ununterscheidbarer Weise zusammenarbeiteten, somit eine Abgrenzbarkeit der von den Polen jeweils zu verrichtenden Tätigkeiten untereinander im Vorhinein (und sogar im Nachhinein) nicht möglich war, kann die Ansicht der belangten Behörde nicht als rechtswidrig angesehen werden, dass die Behauptung des Bestehens von Werkverträgen zwischen dem Planungsbüro RO und den einzelnen Polen nicht dem wahren wirtschaftlichen Gehalt entspricht.

Da die Verantwortung des Beschwerdeführers, es hätten Werkverträge zwischen dem Planungsbüro RO und den Polen existiert, rechtlich nicht zutrifft, eine begleitende Kontrolle der Arbeit der Polen durch Herrn RO vorgenommen wurde, sie Weisungen zu ihrem persönlichen Verhalten unterlagen (Tragen bestimmter Arbeitskleidung) und die Polen wesentliches Werkzeug und (teilweise) Material aus dem Bestand des RO beigestellt erhielten, durfte die belangte Behörde auch zu Recht von einer Einordnung der Polen in die Unternehmensorganisation des Planungsbüros RO und somit von einer Beschäftigung iSd AuslBG der Polen durch das Planungsbüro RO ausgehen.

Die Polen durften daher in Österreich nur unter Einhaltung der Bestimmungen des § 18, insbesondere dessen Abs. 1 und 12, beschäftigt werden. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass die Ausführungen der belangten Behörde, diese Bestimmungen seien nicht eingehalten worden, unrichtig seien.

Sodann wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme eines Verschuldens. Eine Kontrollpflicht im Falle einer "Vergabekette" sei überzogen.

Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine Gesellschaft Teile eines übernommenen Auftrages (hier: "Auftrag zum Shop-Umbau" des M-Shops in S), zu dessen direkter Erfüllung sie mangels eigener "ausführender" Arbeitskräfte gar nicht in der Lage ist, dem Subunternehmer RO weitergibt, der "zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben hat, den von ihm übernommenen Auftrag mit eigenen Arbeit- bzw. Dienstnehmern durchzuführen", von dem also angenommen wurde, dass er über keine Arbeitskräfte verfüge, um den weitergegebenen Teil des Auftrages hinsichtlich der Fliesenlegearbeiten selbst erfüllen zu können, ist eine besondere Achtsamkeit in Bezug auf die Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG zu fordern, weil derartige Konstruktionen ("Vergabeketten") den Anschein auf die Umgehung gesetzlicher Bestimmungen erwecken können.

Übertretungen nach dem § 28 Abs. 1 AuslBG sind Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs. 1 VStG, weil zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder eine Gefahr nicht gehört. In einem solchen Fall ist das verantwortliche Organ strafbar, wenn es nicht genügende Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es liegt ihm daher eine Unterlassung zur Last. Bei Erfüllung des objektiven Tatbildes hat der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Solange dies nicht der Fall ist, hat die Behörde anzunehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können.

Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden traf. Ihn trifft die Verpflichtung, sich mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen.

Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur im Falle der Erteilung einer, auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilten, unrichtigen Rechtsauskunft der für die Erteilung einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zuständigen Behörde (der regionalen Geschäftsstelle des AMS), im Vertrauen auf die Auskunft erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden angerechnet werden könnte; hingegen ist es auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt, dass die Beschäftigung eines Ausländers grundsätzlich einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedarf. Unterlässt der Beschwerdeführer - wie hier - die Einholung einer Auskunft der zuständigen Behörde, kann der Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, dass sie von einem Verschulden des Beschwerdeführers ausgegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2011, Zl. 2008/09/0145).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 28. Februar 2012

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