VwGH 2011/09/0050

VwGH2011/09/005021.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler. Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des F H in H, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen die Bescheide der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 1. vom 2. Februar 2011, Zl. BMASK- 41550/1478-IV/9/2010, betreffend Versagung eines Kuraufenthaltes nach dem Heeresversorgungsgesetz, und 2. vom 13. April 2011, Zlen. BMASK-41550/0328-IV/9/2011 und BMASK-41550/0329-IV/9/2011, betreffend Reisekosten- und Behandlungskostenbeitrag (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

HVG §10 Abs1;
HVG §10 Abs2;
HVG §6 Abs1;
HVG §6 Abs2;
HVG §6 Abs3;
HVG §10 Abs1;
HVG §10 Abs2;
HVG §6 Abs1;
HVG §6 Abs2;
HVG §6 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1221,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1963 geborene Beschwerdeführer erlitt am 15. April 1982 während der Ableistung seines ordentlichen Präsenzdienstes eine "Marschfraktur" seines rechten Schienbeines.

Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. September 1985 wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 1 und § 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) beim Beschwerdeführer folgende Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung anerkannt: "Knöchern durchgebaute Ermüdungsfraktur des Schienbeines rechts ohne Funktionsstörung".

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 15. November 2007 auf Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden sowie auf Zuerkennung einer diesbezüglichen Beschädigtenrente wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. März 2009 keine Folge gegeben, der dagegen gerichteten Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. November 2011, Zl. 2009/09/0120, keine Folge gegeben.

1. Mit Antrag vom 18. Februar 2010 stellte der Beschwerdeführer beim Bundessozialamt wegen Schmerzen in der Wirbelsäule und im rechten Bein auf Grund des Dienstunfalles einen Antrag auf Gewährung eines Kuraufenthaltes bzw. Kurkostenbeitrages in Bad Gastein. Hinsichtlich dieses Antrages wurde von Medizinalrat Oberstarzt Dr. F (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) folgender Befund zu Grunde gelegt: "1982 Dienstunfall Schienbeinkopffraktur; seither Beinverkürzung, Beckenschiefstand; LwS-Syndr." und ein Kurheilverfahren in Bad Gastein vorgeschlagen (Stellungnahme des Arztes vom 19. Februar 2010).

Der Beschwerdeführer stellte einen am 11. November 2010 bei der belangten Behörde eingelangten Devolutionsantrag. Die belangte Behörde übermittelte den Antrag des Beschwerdeführers dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L, der handschriftlich folgende Stellungnahme abgab: "Wegen der anerkannten DB ist keine Badekur in Bad Gastein erforderlich, weil die Ermüdungsfraktur des rechten Schienbeines ohne Funktionsstörung knöchern durchgebaut ist und eine Badekur daher keine weitere Verbesserung erbringen kann."

Der Beschwerdeführer widersprach dieser Stellungnahme und wies auf die Verordnung des Kuraufenthaltes durch Medizinalrat Oberstarzt Dr. F hin.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Februar 2011 wurde dem Devolutionsantrag des Beschwerdeführers stattgegeben, jedoch der Antrag auf Gewährung eines Kuraufenthaltes bzw. eines Kurkostenbeitrages vom 18. Februar 2010 gemäß § 6 Abs. 1 und 3 sowie § 10 Abs. 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete den erstangefochtenen Bescheid nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit, dass die eingeholte ärztliche Stellungnahme von Dr. L. schlüssig und nachvollziehbar sei, und keine Widersprüche aufweise. Dabei sei auf die Art des Leidens und dem Ausmaß eingegangen worden. Die getroffene Beurteilung, basierend auf den vorliegenden medizinischen Beweismitteln, entspreche der Feststellung, dass die Durchführung einer Badekur wegen der anerkannten Dienstbeschädigung nicht erforderlich sei. Bezüglich der angegebenen Schmerzen in der Wirbelsäule werde auf den rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 31. Mai 2009 verwiesen. Der Einwand des Beschwerdeführers sei nicht geeignet, das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entkräften oder eine Erweiterung des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen, neue beurteilungsrelevante Beweismittel seien nicht vorgelegt worden. Eine persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers sei nicht erforderlich gewesen, weil am 1. Juli 2010 ein allgemein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei und somit eine ausführliche klinische Befunderhebung vorgelegen sei. (Damit bezog sich die belangte Behörde auf ein in den Akten des Verwaltungsverfahrens befindliches Gutachtens des Dr. med. univ. R.W. vom 1. Juli 2010 zur Beurteilung der Kausalität von vom Beschwerdeführer geltend gemachten "GS 'Beckenschiefstand bei einer Beinlängendifferenz von 1,5 cm', 'WS-Beschwerden' und 'Leistenbruch links auf Grund des Beckenschiefstandes'"). Ein Krankheitsverlauf bzw. einschätzungswürdige Funktionseinschränkungen seien nicht beschrieben. Für die anerkannte Dienstbeschädigung sei eine Minderung der Erwerbstätigkeit von Null festgestellt worden, diesbezügliche Funktionsdefizite seien nicht anzunehmen.

2. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Ersatz von Reisekosten für Fahrten von seinem Wohnort nach H. zur Planung und Durchführung von zehn Terminen Physiotherapie sowie einer Fahrt nach Wien zu einem Facharzt für Orthopädie wegen "Kniegelenk- Schienbeinfraktur und Wirbelsäule". Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 4. Februar 2011 gemäß § 6 Abs. 1 und 2 HVG mit der Begründung abgewiesen, dass die "Therapie, obwohl sie wegen der anerkannten Dienstbeschädigung notwendig war, nicht vom Bundessozialamt veranlasst wurde", daher könnten die Reisekosten nicht ersetzt werden.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2011 begehrte der Beschwerdeführer die Erstattung der angefallenen Behandlungskosten für die zehn Termine Physiotherapie ("Massage", "Heilmassage / Elektro") im Ausmaß von insgesamt EUR 80,45. Die Behörde holte eine Stellungnahme des Arztes Dr. F.G. ein, der festhielt, dass der Beschwerdeführer die physikalischen Behandlungen für akausale Leiden in Anspruch genommen habe (WS-Fehlhaltung) und dass eine knöchern durchgebaute Fraktur keinerlei physikalische Therapien erfordere. Der Antrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 24. Februar 2011 gemäß § 6 Abs. 1 und 2 HVG mit der Begründung abgewiesen, dass nach dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten des Dr. F.G. die physikalischen Behandlungen wegen akausaler Leiden notwendig und daher nicht in der anerkannten Dienstbeschädigung begründet gewesen seien. Außerdem erfordere eine knöchern durchgebaute Fraktur keinerlei physikalische Therapien.

Der Beschwerdeführer erhob gegen beide Bescheide Berufungen, in denen er ausführte, dass er seit seiner Verletzung immer Schmerzen im rechten Schienbein (Kniegelenk) habe, die sich im Verlauf des Älterwerdens verstärkt hätten, daher sei ein Kuraufenthalt bzw. Therapien als erweiterte Heilbehandlung dringend notwendig.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. April 2011 wurden die Berufungen gegen die Bescheide vom 4. Februar 2011 und vom 24. Februar 2011 abgewiesen und dies damit begründet, dass die im Jahr 1982 erlittene Ermüdungsfraktur des rechten Schienbeins des Beschwerdeführers ohne Funktionseinschränkung knöchern durchgebaut sei. Dies werde durch die Beurteilung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 0 vH untermauert. "Funktionsdefizite, die entsprechende Behandlungen notwendig machen um eine Wiederherstellung des Gesundheitszustandes oder eine Linderung der Beschwerden zu ermöglichen bzw. eine weitere Verschlimmerung zu verhindern", seien nicht anzunehmen. Wirbelsäulenbeschwerden seien akausal.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in beiden verbundenen Beschwerdeverfahren erwogen:

Die §§ 6 und 10 des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964 idF BGBl. Nr. 70/2001 (HVG), lauten:

"§ 6. (1) Der Beschädigte hat Anspruch auf unentgeltliche Heilfürsorge bei jeder als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsstörung und deren Folgen, um seine Gesundheit und Erwerbsfähigkeit möglichst wiederherzustellen, den Eintritt einer Verschlimmerung zu verhüten und die durch die Gesundheitsstörung bedingten Beschwerden zu lindern. Erwerbsunfähige (§ 23 Abs. 2) haben Anspruch auf unentgeltliche Heilfürsorge bei jeder Gesundheitsstörung. Den gleichen Anspruch haben auch die übrigen Schwerbeschädigten, wenn sie einen Erhöhungsbetrag gemäß § 23 Abs. 5 beziehen und weder der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen noch Anspruch auf Unfallheilbehandlung gegen einen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben. Ein Rezeptgebührenersatz ist lediglich Beziehern eines Erhöhungsbetrages gemäß § 23 Abs. 5 zu leisten.

(2) Die Heilfürsorge umfaßt

1. als Heilbehandlung:

a) ärztliche Hilfe;

b) Zahnbehandlung;

c) Beistellung von Heilmitteln und Heilbehelfen;

d) Hauskrankenpflege;

e) Pflege in einer Krankenanstalt, mit Ausnahme der in

Abs. 3 genannten Anstalten;

2. Krankengeld.

(3) Wenn die Heilfürsorgemaßnahmen nach Abs. 2 keinen

genügenden Erfolg zeitigen oder erwarten lassen, gebühren dem

Beschädigten als erweiterte Heilbehandlung folgende Leistungen:

1. Unterbringung in einer Krankenanstalt, die

vorwiegend der Rehabilitation dient;

2. Kur in einem Heilbad oder heilklimatische Kur gemäß

den behördlich anerkannten Indikationen;

3. Unterbringung in einem Genesungsheim.

...

§ 10. (1) Über den im § 8 bezeichneten Umfang hinaus ist Heilfürsorge zu gewähren, wenn dadurch das Ziel der Heilfürsorge zu erreichen ist. Die Durchführung dieser Mehrleistungen kann dem zuständigen Träger der Krankenversicherung mit dessen Zustimmung übertragen werden.

(2) Sind dem Beschädigten Kosten einer Heilfürsorge ohne Inanspruchnahme des Trägers der Krankenversicherung oder des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erwachsen, so sind ihm diese Kosten unter der Voraussetzung, daß die Inanspruchnahme des Trägers der Krankenversicherung oder des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen aus zwingenden Gründen nicht möglich gewesen ist, in der Höhe zu ersetzen, die der Bund nach § 14 zu tragen gehabt hätte."

Der Beschwerdeführer hält den erstangefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sich der Sachverständige Dr. L, auf dessen Stellungnahme die belangte Behörde den erstangefochtenen Bescheid gestützt hat, mit dem Befund des Medizinalrates Oberstarzt Dr. F in keiner Weise auseinandergesetzt und den Beschwerdeführer auch nicht persönlich untersucht habe. Die belangte Behörde habe nicht begründet, weshalb die von Medizinalrat Oberstarzt Dr. F verordnete Badekur nicht zu einer Verbesserung der Schmerzsymptome des Beschwerdeführers in seinem rechten Schienbein hätten führen können.

Auch gegen den zweitangefochtenen Bescheid macht der Beschwerdeführer geltend, dass die belangte Behörde nicht berücksichtigt habe, dass die Therapie, für welche er die geltend gemachten Aufwendungen getätigt habe, zur Linderung der Schmerzen in seinem rechten Schienbein getätigt habe, die belangte Behörde habe nicht schlüssig begründet, weshalb dies nicht erforderlich gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer zeigt jedoch im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit weder des erstangefochtenen Bescheides noch des zweitangefochtenen Bescheides auf.

Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß § 56 des auch im Verfahren nach dem Heeresversorgungsgesetz (§ 82 Abs. 1) geltenden AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Diesen Anforderungen wurde in den vorliegenden Beschwerdefällen im Ergebnis entsprochen.

Hinsichtlich des erstangefochtenen Bescheides beruft sich der Beschwerdeführer auf die Verordnung der Kur durch Medizinalrat Oberstarzt Dr. F und dessen Befund: "1982 Dienstunfall Schienbeinkopffraktur; seither Beinverkürzung, Beckenschiefstand; LwS-Syndr." Damit verkennt der Beschwerdeführer zunächst, dass er Anspruch auf unentgeltliche Heilfürsorge gemäß § 6 HVG bei jeder als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsstörung und deren Folgen hat. Auf Grund des rechtskräftigen Bescheides vom 24. September 1985 ist die belangte Behörde zutreffend von der anerkennten Dienstbeschädigung "knöchern durchgebaute Ermüdungsfraktur des Schienbeines rechts ohne Funktionsstörung" ausgegangen. Sie hat die Notwendigkeit einer Kur zur Linderung von Schienbeinschmerzen des Beschwerdeführers beruhend auf einer sachverständigen Beurteilung des Arztes Dr. L. verneint, wonach die "Ermüdungsfraktur des rechten Schienbeines ohne Funktionsstörung knöchern durchgebaut" sei und "eine Badekur keine weitere Verbesserung erbringen" könne. Dieser Beurteilung ist der Beschwerdeführer überdies nicht auf fachlicher Ebene entgegen getreten. Daher kann das von der belangten Behörde erzielte Ergebnis letztlich nicht als rechtswidrig erachtet werden.

Gleiches gilt für den zweitangefochtenen Bescheid. Hier hatte der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren ausdrücklich Schmerzen im Schienbein (Kniegelenk) geltend gemacht. Der Arzt Dr. F.G. hat festgehalten, dass der Beschwerdeführer die geltend gemachten Therapien ("Massage", "Heilmassage / Elektro") für akausale Leiden, nämlich für eine Fehlhaltung seiner Wirbelsäule in Anspruch genommen habe und dass eine knöchern durchgebaute Fraktur des rechten Schienbeins keinerlei physikalische Therapien erfordere. Auch dieser Beurteilung, die der Verwaltungsgerichtshof nicht ohne Weiteres für unschlüssig halten kann, ist der Beschwerdeführer auf gleicher fachlicher Ebene nicht entgegen getreten.

Der Beschwerdeführer wurde durch die angefochtenen Bescheide sohin nicht in seinen Rechten verletzt, die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 21. März 2013

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