VwGH 2011/08/0390

VwGH2011/08/039017.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Kalanj, über die Beschwerde der H GmbH in S, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. November 2011, Zl. GS5-A-948/1274- 2011, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs2;
ASVG §4 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.800,-- vorgeschrieben.

Die beschwerdeführende GmbH sei eine "Einmanngesellschaft" mit Ö. als handelsrechtlichem Geschäftsführer und Gesellschafter. Bei einer am 26. Februar 2011 durch Organe des Finanzamts Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf durchgeführten Kontrolle in einer von der beschwerdeführenden Partei betriebenen Autowerkstatt seien Haydar G. und Sadettin D. in der Werkstättenhalle bei Reinigungstätigkeiten (beim Kehren des Werkstattbodens) angetroffen worden. Sie hätten typische, in blau gehaltene Arbeitskleidung getragen und seien zum Zeitpunkt der Betretung nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen. Haydar G., ein HTL-Schüler, sei Neffe des Ö. Sadettin D. sei ein Freund von Haydar G. und ein Bekannter von Ö. Sadettin D. arbeite seit dem 1. September 2010 für die H. GmbH. Haydar G. habe im Erhebungsblatt der Finanzpolizei am 26. Februar 2011 ausgeführt, seit 20 Minuten für seinen Onkel als Putzer gearbeitet zu haben. Er arbeite für diesen, wenn der Onkel anrufe. Dafür gebe ihm Ö. hin und wieder EUR 5,-- oder EUR 10,--. Sadettin D. arbeite laut dem von ihm ausgefüllten Personalblatt als Putzer, wenn Ö. anrufe. Er bekomme dafür hin und wieder ebenfalls EUR 5,-- oder EUR 10,--. Ö. habe im Erhebungsblatt angegeben, nur seinen Neffen Haydar G. zu kennen und nicht zu wissen, dass Sadettin D. ausgeholfen habe.

Es sei vom Abschluss eines Dienstvertrages zwischen der beschwerdeführenden Partei und Haydar G. auszugehen. Die Angabe des Ö., nicht zu wissen, dass Sadettin D. ausgeholfen habe, sei eine unglaubwürdige Schutzbehauptung, die zum Widerspruch zur Angabe des Sadettin D. stehe, hin und wieder für Ö. gearbeitet zu haben. Es sei zumindest vom Bestehen eines konkludenten Dienstvertrages zwischen der beschwerdeführenden Partei und Sadettin D. auszugehen. Ö. habe die Tätigkeit des Sadettin D. geduldet. Dass es sich beim 26. Februar 2011 um einen Samstag gehandelt habe, ändere nichts. Ein Indiz für den Abschluss von Dienstverträgen sei, dass die Genannten bei ihrer Tätigkeit in blauer Arbeitskleidung angetroffen worden seien. Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Ö. und seinem Neffen Haydar G. sei nicht so eng, dass von einer unentgeltlichen Familienhilfe auszugehen sei. Haydar G. habe ein Entgelt zwischen EUR 5,-- und EUR10,-- bestätigt. Auch die Hilfe des Sadettin D. erfülle nicht die Voraussetzungen für einen unentgeltlichen Freundschaftsdienst. Die beschwerdeführende Partei habe nicht nur ein privates, sondern auch ein gewerbliches Interesse an der Reinhaltung ihrer Werkstatt. Da im Sozialversicherungsrecht nach dem Anspruchslohnprinzip jeder Dienstnehmer auf Grund einer lohngestaltenden Vorschrift Anspruch auf Entgelt habe, wären sogar Dienstverträge zustande gekommen, wenn die beschwerdeführende Partei mit den Genannten kein Entgelt vereinbart hätte. Dass die Beschäftigung nur geringfügig und kurz gewesen sei, ändere nichts an der Anmeldepflicht nach dem ASVG, die nicht nur für Vollbeschäftige, sondern auch für geringfügig und fallweise Beschäftigte gelte. Die Vorschreibung des Beitragszuschlages sei dem Grunde nach zu Recht erfolgt. Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei durch die Überprüfung und nachträgliche Bearbeitung ein Mehraufwand entstanden. Man könne nicht von unbedeutenden Folgen der bisher nicht nachgeholten Meldungen sprechen. Es habe keine außerordentliche Milderung des Beitragszuschlages vorgenommen werden können.

Die von der beschwerdeführenden Partei beantragten Einvernahmen des Ö. und der Zeugen Sadettin D. und Haydar G. seien nicht erforderlich. Die beschwerdeführenden Partei habe keine konkreten Beweisthemen genannt. Es sei nicht ersichtlich, zu welchen anderen Feststellungen die Aufnahme der Beweise führen könne, zumal die Aussagen, die anlässlich der Überprüfung durch die Finanzpolizei getätigt worden seien, im Einspruch nicht bestritten worden seien. Die strittigen Rechtsstandpunkte (Freundschaftsdienst) lägen offen. Es handle sich um die Klärung einer reinen Rechtsfrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, sie habe noch nie gegen die Anmeldepflicht verstoßen. Die Tätigkeiten des Sadettin D. und des Haydar G. seien äußerst geringfügig gewesen und hätten nur sehr kurz angedauert, sodass jedenfalls nur geringfügige Folgen vorlägen. Weshalb der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse durch die Überprüfung und nachträgliche Bearbeitung ein Mehraufwand entstanden sein sollte, sei nicht nachvollziehbar. Es liege ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des letzten Satzes des § 113 Abs. 2 ASVG vor. Es stelle einen Ermessensmissbrauch der belangten Behörde dar, dass sie den Beitragszuschlag nicht herabgesetzt bzw. entfallen lassen habe. Die beschwerdeführende Partei habe die Vernehmung des Ö., des Sadettin D. und des Haydar G.

"für jedermann ersichtlich zum Beweis für die gesamte Sachverhaltsschilderung der Beschwerdeführerin beantragt, insbesondere jedoch dafür, dass Haydar G. als Neffe des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin diesem nur im Rahmen des Verwandtschaftsverhältnisses helfen wollte, um mit ihm in weiterer Folge nach Wien fahren zu können und der mit diesem befreundete Sadettin D. dazugekommen ist und Haydar G. beim Aufkehren nur die Schaufel gehalten hat und somit diesem einen Freundschaftsdienst erwiesen, nicht aber meldepflichtige Tätigkeiten für die Beschwerdeführerin erbracht hat."

Wäre die belangte Behörde ihren Ermittlungspflichten nachgekommen, so hätte die beschwerdeführende Partei nachweisen können, dass es sich bei den Beträgen von EUR 5,-- bis EUR 10,-- "um Geschenke eines Onkels an seinen Neffen bzw. um Taschengeld gehandelt hat." Wäre die beschwerdeführende Partei aufgefordert worden, ihr Vorbringen zu ergänzen, so hätte sie

"das besonders innige und gute familiäre Verhältnis des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin und Haydar G. sowie das freundschaftliche Verhältnis zwischen Sadettin D. und Haydar G., das dazu geführt hat, dass Sadettin D. Haydar G. (und nicht dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin) beim Zusammenkehren geholfen hat, darlegen können."

Mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden. Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die dies bestreitende Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte.

Die beschwerdeführende Partei hat sich damit verantwortet, dass Haydar G. der Neffe des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei und Sadettin D. der Freund des Haydar G. gewesen sei. Es habe sich damit um Gefälligkeitsdienste bzw. Freundschaftsdienste gehandelt.

Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Im vorliegenden Fall kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der durch keine besonderen Umstände ergänzten Behauptung, dass es sich bei den Beschäftigen um den Neffen des Ö. bzw. um einen Freund des Neffen gehandelt habe, keine spezifische Bindung oder Nahebeziehung abgeleitet hat, die ein für die Erbringung von Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten nachvollziehbares Motiv bilden könnten. Auch von einem Neffen und dessen Freund ist im Regelfall - ohne das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - nicht zu erwarten, dass sie im Rahmen eines Gewerbebetriebes Gefälligkeitsdienste für den daraus Gewinn ziehenden Unternehmer leisten. Darüber hinaus handelt es sich bei der beschwerdeführenden Partei um eine Kapitalgesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, weshalb die von den Genannten für dieses Unternehmen erbrachten Leistungen nicht als im Rahmen eines Gefälligkeits- bzw. Freundschaftsdienstes gegenüber dem Ö. - ungeachtet dessen Geschäftsführerfunktion - erbracht angesehen werden können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 2012, Zl. 2012/08/0165, und vom 15. Mai 2013, Zl. 2011/08/0130). Zu dem in der Beschwerde erstatteten weiteren Vorbringen, Sadettin D. habe seinem Freund Haydar G. und nicht der beschwerdeführenden Partei "beim Zusammenkehren geholfen" genügt der Hinweis auf die Unerheblichkeit gefälligkeitshalber geförderter Interessen Dritter bzw. "indirekter Freundschaftsdienste" (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2012/08/0165). Sonstige Motive, die die Erbringung von Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten in wirtschaftlicher, sozialer und emotionaler Sicht nachvollziehbar erscheinen ließen, hat die beschwerdeführende Partei nicht genannt. Die Unterlassung der beantragten Zeugeneinvernahmen begründet in Ermangelung eines relevanten Beweisthemas keinen Verfahrensmangel.

Zum Vorbringen der beschwerdeführende Partei, die belangte Behörde habe bei der Festsetzung des Beitragszuschlages von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, wird darauf verwiesen, dass das in § 113 Abs. 2 ASVG vom Gesetzgeber verwendete Wort "kann" nicht als Einräumung von freiem Ermessen, sondern als Ermächtigung zu einer gebundenen Entscheidung zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2008/08/0201).

Zur Frage der Herabsetzung bzw. des Entfalls von Komponenten des Beitragszuschlages (§ 113 Abs. 2 dritter und vierter Satz ASVG) ist der Beschwerdeführerin - in Ermangelung anders lautender Feststellungen - zwar zuzugestehen, dass es sich um einen erstmaligen Meldeverstoß gehandelt hat. Die Anmeldung der Dienstnehmer war jedoch zum Zeitpunkt der Kontrolle noch nicht nachgeholt worden, sodass das typische Bild eines Meldeverstoßes vorliegt. Von unbedeutenden Folgen im Sinn des § 113 Abs. 2 ASVG kann daher nicht die Rede sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Juli 2013, Zl. 2013/08/0117, sowie nochmals das Erkenntnis Zl. 2012/08/0165).

Im Übrigen bestreitet die beschwerdeführende Partei nicht, die Anmeldung der Pflichtversicherten beim zuständigen Krankenversicherungsträger im Sinn des § 33 Abs. 1 ASVG unterlassen zu haben. Die belangte Behörde hat daher den Beitragszuschlag zu Recht vorgeschrieben.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. September 2013

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