VwGH 2011/08/0313

VwGH2011/08/03139.8.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des IY in W, vertreten durch Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 77/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 2. August 2011, Zl. GS5-A-948/1009-2010, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs1 Z1;
ASVG §113 Abs2 idF 2007/I/031;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
ASVG §113 Abs1 Z1;
ASVG §113 Abs2 idF 2007/I/031;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in Höhe von EUR 1.800,-- vorgeschrieben.

Im Rahmen einer am 6. Juli 2010 erfolgten Betretung im Kebaphaus M durch Beamte des Finanzamtes Neunkirchen-Wiener Neustadt/Team KIAB sei festgestellt worden, dass für die Versicherten MG. und RH. die Anmeldung zur Sozialversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei. Der Beschwerdeführer habe im Einspruchsverfahren im Wesentlichen behauptet, dass MG. und RH. "nicht arbeitend", somit (noch) nicht als seine Dienstnehmer angetroffen worden seien. Er habe jedoch MG. für die Zeit vom 6. Juli bis zum 13. August und ab 23. September 2010 als geringfügig beschäftigte Dienstnehmerin bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung nachgemeldet. Durch die nachträgliche Anmeldung stehe die Dienstnehmereigenschaft von MG. fest.

RH. sei in der Küche des Kebaphauses M des Beschwerdeführers "arbeitend bzw. schlichtend" angetroffen worden. Sie habe eine für Küchenpersonal typische Arbeitskleidung (schwarze Hose, schwarzes T-Shirt, rote Küchenschürze) getragen. Sie habe den Organen des Finanzamtes in einem in ihre Muttersprache übersetzten Personalblatt bekannt gegeben, dass sie seit 5. Juli 2010 für den Beschwerdeführer gegen ein Entgelt von EUR 15,-- für vier Stunden als Hilfsarbeiterin tätig sei. Sie habe am 5. Juli 2010 von 09.00 Uhr bis 13.00 Uhr und am 6. Juli 2010 ab 09.00 Uhr gearbeitet. Zumindest am Tag der KIAB-Überprüfung sei sie für den Beschwerdeführer tätig gewesen und habe nach dessen Anweisungen einfache Hilfstätigkeiten erbracht. Der Beschwerdeführer habe entgegen den eindeutigen Beobachtungen der Bediensteten des Finanzamtes behauptet, dass MG. und RH. (noch) nicht gearbeitet hätten. Durch diese Falschbehauptungen sei ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstanden, weshalb auch aus diesem Grund eine Herabsetzung des Beitragszuschlages - mangels geringer Folgen - nicht in Betracht komme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, RH. habe ein Personalblatt ausgefüllt und darin angegeben, am 5. Juli 2010 von 09.00 Uhr bis 13.00 Uhr und am 6. Juli 2010 von 09.00 bis 13.00 Uhr gearbeitet zu haben. Bei ihrer Vernehmung am 11. April 2011 habe sie angegeben, sie hätte ab 09.00 Uhr gearbeitet und die Kontrolle wäre um ca. 11.00 Uhr gekommen. Ferner habe sie ausgeführt, sie hätte "am dritten Tag" um 09.00 Uhr angefangen zu arbeiten. Diese Angaben würden jenen im Personenblatt widersprechen. Der am Prüfungstag anwesende Mitarbeiter des Beschwerdeführers, YT., habe bei seiner Vernehmung am 27. Juni 2011 angegeben, RH. habe 10 Minuten gearbeitet und dann wäre die Kontrolle gekommen. Diese Angabe widerspreche der Angabe von RH. bei ihrer Vernehmung am 11. April 2011 und ihrer Angabe im Personalblatt vom 6. Juli 2010. Der Sachverhalt sei ergänzungsbedürftig. Durch die Beiziehung eines Dolmetschers hätten die widersprüchlichen Angaben aufgeklärt werden können.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde weder einen relevanten Verfahrensmangel noch eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung auf. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass RH. - auch den Angaben des vom Beschwerdeführer zitierten Zeugen YH. zu Folge - jedenfalls vor der am 6. Juli 2010 durchgeführten Kontrolle im Betrieb des Beschwerdeführers zu arbeiten begonnen hat. Steht aber fest, dass die beim Beschwerdeführer beschäftigte, pflichtversicherte RH. nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet worden ist, so kommt es auf den genauen Zeitpunkt des Arbeitsbeginns im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht mehr an, sodass die belangte Behörde schon aus diesem Gesichtspunkt nicht verhalten war, weitere Beweise zu dieser Frage aufzunehmen.

Dem Beschwerdevorbringen, Voraussetzung für eine dem Gesetz entsprechende Bemessung des Beitragszuschlages sei, dass die Höhe der nachzuzahlenden Beiträge zumindest im Sinne einer vorfrageweisen Beurteilung festgestellt werde, ist entgegen zu halten, dass im vorliegenden Fall § 113 Abs. 2 ASVG in der hier anzuwendenden, ab 1. Jänner 2008 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 31/2007 bei einem Beitragszuschlag nach § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG nicht auf die Höhe nachzuzahlender Beiträge abstellt.

Im Hinblick auf § 113 Abs. 2 zweiter Satz ASVG, wonach bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,-- herabgesetzt werden kann, bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe es unterlassen festzustellen, ob eine erstmalige verspätete Anmeldung vorliege. Eine derartige Feststellung war jedoch im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die Anmeldung der RH. zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt am 6. Juli 2010 erstattet worden ist. Die Meldung war zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die KIAB noch nicht nachgeholt. Es liegt somit das typische Bild eines Meldeverstoßes vor. Von unbedeutenden Folgen im Sinn des § 113 Abs. 2 ASVG kann deshalb nicht die Rede sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2012, Zl. 2010/08/0218).

Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, er habe MG. am 6. Juli 2010 um 11.19 Uhr bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als Dienstnehmerin gemeldet. RH. und MG. hätten sich in seinem Lokal vorgestellt, jedoch die Daten für die Sozialversicherung nicht bei sich gehabt. Daher hätte der Beschwerdeführer sie für den 6. Juli 2010 wiederbestellt, um die Anmeldung vornehmen zu können. In der Zeit zwischen 10.30 Uhr und 11.30 Uhr habe ihn ein Mitarbeiter angerufen und ihn von der Kontrolle unterrichtet. Die belangte Behörde habe lediglich festgestellt, dass MG. in der Zeit vom 6. Juli bis zum 13. August 2010 und ab 23. September 2010 zur Pflichtversicherung nachgemeldet worden sei. Der genaue Arbeitsbeginn sei nicht festgestellt worden. Nach den Feststellungen könne daher kein Schluss darauf gezogen werden, dass MG. am 6. Juli 2010 vor

11.19 Uhr zu arbeiten begonnen hätte.

Dieses Vorbringen ist berechtigt.

Die belangte Behörde hat keine Feststellungen zum Arbeitsbeginn der MG. getroffen. Aus dem Umstand, dass sie vom Beschwerdeführer (dem Beschwerdevorbringen und den Angaben des Finanzamtes zufolge am 6. Juli 2010 um 11.19 Uhr) "ab dem 6. Juli 2010" bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angemeldet wurde, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass sie bereits vor dem Zeitpunkt der Anmeldung zu arbeiten begonnen habe. (Die Angaben in der Gegenschrift der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, wonach MG. im Zuge der Kontrolle durch die Organe des Finanzamtes am 6. Juli 2010 um 10.25 Uhr im Lokal des Beschwerdeführers bekleidet mit einem roten T-Shirt und einer roten Küchenschürze hinter der Theke stehend angetroffen worden sei, können die fehlenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht ersetzen.)

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ein Ersatz für Eingabegebühren war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zuzusprechen. Wien, am 9. August 2013

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