VwGH 2011/08/0127

VwGH2011/08/012712.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der C G.m.b.H. in H, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 3. Mai 2011, Zl. 20305-V/14.854/4-2011, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse in 5020 Salzburg, Engelbert-Weiß-Weg 10), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 25. August 2010 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 113 Abs. 2 iVm § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.300,-- vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, dass anlässlich einer Kontrolle am 7. Juni 2010 durch Abgabenbehörden des Bundes festgestellt worden sei, dass die beschwerdeführende Partei hinsichtlich der Beschäftigung der J.D. gegen die Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen habe.

In ihrem dagegen erhobenen Einspruch vom 8. September 2010 führte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen aus, dass es sich bei J.D. um die ehemalige Lebensgefährtin des verstorbenen Vaters des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei handle. Sie habe als Lebensgefährtin des verstorbenen Vaters im Betrieb mitgeholfen und im Betrieb auch ihren Lebensmittelpunkt gehabt. Wenn sie nach Österreich komme, gewähre ihr der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei kostenlos Unterkunft. J.D. helfe fallweise im Rahmen der familiären Beistandspflicht aus. Sie bewohne, wenn sie anwesend sei, im Hotel die leerstehende Wohnung des verstorbenen Vaters und könne diese im Rahmen der familiären Beistandspflicht unentgeltlich nutzen und bekomme auch Essen und Trinken.

In einer Stellungnahme vom 18. April 2011 brachte die beschwerdeführende Partei darüber hinaus vor, es liege bezügliche der J.D. kein einziges Merkmal eines Dienstverhältnisses vor. J.D. habe zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Vorgaben gehabt, einen bestimmten Dienst zu verrichten und sei keinen Arbeitszeiten bzw. keinem Dienstplan unterlegen oder habe keine Treuepflichten gehabt.

Mit dem Spruch des angefochtenen Bescheides wurde der Einspruch der beschwerdeführenden Partei abgewiesen. Vor dem Spruch enthält der angefochtene Bescheid folgende Textpassage:

"Die Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) hat mit Bescheid vom 25.08.2010, GZ: 046-113(2) - 240/10; DG-KtNr 1111107, der Dienstgeberin: (beschwerdeführende Partei) gemäß der §§ 30, 33, 35 Abs. 1, 111 Abs. 1, 111a und 113 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) aufgrund begangener Meldepflichtverletzungen betreffend P (J.) SVNr.: (…) einen Beitragszuschlag in der gesetzliche festgelegten Mindesthöhe von EUR 1.300,00 zur umgehenden Entrichtung vorgeschrieben. Über den dagegen eingebrachten Einspruch ergeht durch die Landeshauptfrau von Salzburg der folgende

SPRUCH: "

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, im Zuge einer Kontrolle durch Beamte der KIAB S am 7. Juli 2010 sei J.D. um ca. 10 Uhr im Hotel G., das von der beschwerdeführenden Partei betrieben wird, "entgeltlich arbeitend tätig angetroffen" worden, ohne zur Sozialversicherung gemeldet gewesen zu sein. Von den einschreitenden Beamten sei festgestellt worden, dass sich J.D. arbeitend (Abwasch- sowie Putztätigkeit) in der Küche des besagten Betriebs aufgehalten habe. Bei einer weiteren Nachschau sei sie erneut arbeitend in der Küche angetroffen worden. Die maßgeblichen Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG lägen vor.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei werde durch die eigenen Wahrnehmungen der Kontrollorgane mit ausreichender Beweiskraft in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betretung an diesem Tag widerlegt. Die entsprechende Angabe der beschwerdeführenden Partei, dass J.D. nur sporadisch Arbeiten ausführe, entspreche augenscheinlich nicht den Tatsachen. Vielmehr gehe die belangte Behörde davon aus, dass es sich hier um Schutzbehauptungen der beschwerdeführenden Partei handle. Einerseits werde nicht bestritten, dass J.D. im Betrieb des Hotels G. mithelfe und im Gegenzug dafür Essen und Trinken erhalte und unentgeltlich wohnen könne. Andererseits sei sie vor Pensionsantritt und in weiterer Folge am 30. August 2010 neuerlich im gegenständlichen Betrieb als Dienstnehmerin angemeldet worden. Weiters werde festgehalten, dass der Lebensgefährte der J.D. bereits am 19. August 2007 verstorben sei und deshalb "daraus" keine wie auch immer geartete familienähnliche Mithilfe abgeleitet werden könne.

Somit könne zu Recht davon ausgegangen werden, dass J.D. einerseits weisungs- und kontrollunterworfen gewesen sei und andererseits mit Betriebsmitteln der beschwerdeführenden Partei ausgestattet gewesen sei bzw. diese verwendet habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen aus, dass vor dem Hintergrund der vorliegenden Beweislage ergänzende Ermittlungen nicht mehr geboten gewesen seien. Im gegenständlichen Fall seien sämtliche Tatbestandsmerkmale des §§ 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG erfüllt. Eine bestehende "familiäre Beistandspflicht" resultierend aus der Stellung der J.D. als de facto "Stiefmutter" oder "Ersatzmutter" des handels- und gewerberechtlichen Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei könne nicht erkannt werden.

Zum Zeitpunkt der Kontrolle am 7. Juli 2010 habe ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG bestanden. Die entgeltliche Beschäftigung bzw. "zumindest ein ausreichend(er) Entgeltanspruch im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG" sei festgestellt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verzichtete auf die Abgabe einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Beschwerde macht zunächst geltend, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von einem völlig anderen Dienstnehmer (als im erstinstanzlichen Bescheid), nämlich P J., ausgehe, was dem "Konkretisierungsgebot und dem Doppelbestrafungsverbot" widerspreche.

Die entsprechende (oben wiedergegebene) Passage, auf die sich die Beschwerde hier bezieht, findet sich am Beginn des angefochtenen Bescheids vor dem Spruch und wurde von der belangten Behörde offenbar versehentlich als Textbaustein eingefügt. Weder der Spruch des angefochtenen Bescheids noch dessen Begründung beziehen sich jedoch auf den in dieser Passage genannten P J., sondern auf J.D., deren Tätigkeit im Hotel der beschwerdeführenden Partei schon Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheids war. Die Geschäftszahl des erstinstanzlichen Bescheids wird schließlich auch im Spruch des angefochtenen Bescheids zitiert. Aus Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheids ist somit klar ersichtlich, dass mit dem angefochtenen Bescheid über die Vorschreibung eines Beitragszuschlags in Zusammenhang mit der Beschäftigung der J.D. abgesprochen wurde. Bei der versehentlichen Anführung eines anderen Dienstnehmers am Beginn des angefochtenen Bescheids (und außerhalb dessen Spruches) bzw. der dortigen Zitierung eines nicht verfahrensgegenständlichen erstinstanzlichen Bescheids handelt es sich somit um einen offensichtlichen Schreibfehler im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG, der jederzeit richtig gestellt werden kann und durch den die beschwerdeführende Partei nicht in ihren Rechten verletzt ist.

2. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2007 (SRÄG 2007), BGBl. I Nr. 31/2007, haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A) davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2012, Zl. 2009/08/0075).

Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

Gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des SRÄG 2007, BGBl. I Nr. 31/2007, können den in § 111 Abs. 1 ASVG genannten Personen Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Gemäß § 113 Abs. 2 ASVG setzt sich der Beitragszuschlag in diesem Fall nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a ASVG aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf EUR 500,-- je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf EUR 800,--. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,- herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

3. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, die belangte Behörde habe keine Feststellungen dahingehend getroffen, welche konkreten Tätigkeiten J.D. "zu welcher Zeit an welchem Ort verrichtet haben soll". Insbesondere seien betreffend der Gegenleistung keine Feststellungen getroffen worden. J.D. sei "quasi die Stiefmutter" des Geschäftsführers der beschwerdeführende Partei und ihr werde im Hotel der beschwerdeführende Partei ein Zimmer mit Kochnische, Dusche und WC zur Verfügung gestellt, welches sie hin und wieder bewohne. Sie erledige auch private Angelegenheiten für den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei und verrichte für diesen etwa Bankangelegenheiten. Sie sei aber zu keinem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, irgendwelche Tätigkeiten bzw. Arbeiten für die beschwerdeführende Partei zu verrichten, Dienstzeiten einzuhalten oder sich an irgendwelche Pflichten oder Dienstpläne im Unternehmen zu halten. Sie habe auch zu keinem Zeitpunkt hiefür ein Entgelt erhalten.

Die belangte Behörde habe sich "betreffend die familiäre Beistandspflicht oder sogenannte Gefälligkeitsdienste zwischen Verwandten ohne familienrechtliche Mitwirkungspflicht überhaupt nicht bzw. unzureichend auseinandergesetzt". Wesentliche Ermittlungstätigkeiten seien unterlassen und in der Folge keine entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden. Da dem angefochtenen Bescheid die zur Beurteilung des vorgeworfenen Verhaltens notwendigen Tatsachenfeststellungen, insbesondere zu den Merkmalen eines Dienstverhältnissen, nicht entnommen werden könnten, sei der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben.

4. Zunächst ist von der - insofern unbestrittenen - Sachlage auszugehen, dass J.D. von den Kontrollorganen bei der Verrichtung von Abwasch- und Putztätigkeiten im Hotel der beschwerdeführenden Partei angetroffen wurde und zu diesem Zeitpunkt nicht als Dienstnehmerin gemeldet war.

Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei den gegenständlichen Arbeiten der Fall ist), dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2010/08/0091).

Die beschwerdeführende Partei hat im Verwaltungsverfahren aber solche atypischen Umstände dargelegt, indem sie - die entgeltliche Beschäftigung der J.D. in persönlicher Abhängigkeit bestreitend - ausgeführt hat, dass J.D. lediglich Gefälligkeitsdienste im Rahmen der "familiären Beistandspflicht" verrichte. J.D. habe zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Vorgaben gehabt, einen bestimmten Dienst zu verrichten und sei keinen Arbeitszeiten unterlegen und habe keine Treuepflichten gehabt.

Dazu ist anzumerken, dass die gegenständliche Tätigkeit im Rahmen eines Betriebs der beschwerdeführenden Partei - einer GmbH -

und nicht eines Betriebs ihres Geschäftsführers ausgeübt wurde (vgl. zu dieser Unterscheidung in Zusammenhang mit § 12 Abs. 6 lit. d AlVG die hg. Erkenntnisse vom 25. Mai 2005, Zl. 2004/08/0167 und vom 31. Mai 2000, Zl. 96/08/0024). Das auf die familiäre Beziehung der J.D. zum Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei abzielende Vorbringen kann schon aus diesem Grund keine Vermutung einer unentgeltlichen Beschäftigung als Ausfluss einer (quasi-)familienrechtlichen Verpflichtung begründen. Abgesehen davon bestünde auch zwischen dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei und der ehemaligen Lebensgefährtin seines (verstorbenen) Vaters keine familienrechtliche Beistandsverpflichtung.

Das Fehlen einer familienrechtlichen Mitarbeitspflicht allein rechtfertigt allerdings nicht ohne weiteres den Schluss, dass schon deshalb ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1980, Zl. 1205/78, VwSlg. 10.258 A/1980). Denn das unbestrittene Bestehen eines familiären Naheverhältnisses der hier vorliegenden Art lässt insbesondere nicht ohne Weiteres den Schluss zu, dass der ehemaligen Lebensgefährtin des Vaters des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei Unterkunft und Verpflegung nur aufgrund einer von ihr ausgeführten Beschäftigung im Betrieb gewährt worden ist. Es kann auch - anders als in anderen Fallkonstellationen - weder aus dem Umstand des Antreffens bei Ausübung einer Tätigkeit allein auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis als Dienstnehmerin im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG geschlossen werden, noch aus der Gewährung von Kost und Quartier auf einen aus einem solchen Beschäftigungsverhältnis resultierenden Entgeltanspruch, sofern - wie hier - von der beschwerdeführenden Partei ein substantiiertes Vorbringen zum Motiv der Mithilfe erstattet wird, das geeignet ist, den wahrgenommenen Vorgang als unentgeltliche Mithilfe im Rahmen eines familiären Naheverhältnisses - wenngleich nicht aufgrund familiärer Beistandsverpflichtung - darzutun.

Vor diesem Hintergrund hätte die belangte Behörde daher entsprechende Feststellungen zur Ausgestaltung der Tätigkeit der J.D. treffen müssen, anhand derer sich beurteilen lässt, ob ein Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG vorlag oder ob J.D. tatsächlich Tätigkeiten aus reiner Gefälligkeit verrichtete, ohne dabei in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zu stehen.

Die belangte Behörde hat aus dem Umstand, dass keine familienähnliche Mithilfe vorliege, abgeleitet, dass J.D. "weisungs- und kontrollunterworfen" gewesen sei und mit Betriebsmitteln der beschwerdeführenden Partei ausgestattet sei bzw. diese verwende.

Im angefochtenen Bescheid finden sich jedoch keine Feststellungen, aus denen eine persönliche Abhängigkeit der J.D. ersichtlich wird. Insbesondere wurde nicht festgestellt, ob J.D. betrieblichen Ordnungsvorschriften unterlag, ob sie zur (persönlichen) Arbeitsleistung verpflichtet war, worin die angenommene Weisungs- und Kontrollunterworfenheit bestand oder ob J.D. bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten hatte. Mangels solcher Feststellungen kann der belangten Behörde nicht darin gefolgt werden, dass im Zeitpunkt der Betretung jedenfalls ein Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG vorlag. Somit fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Vorschreibung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 Abs. 2 ASVG.

5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 12. September 2012

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