VwGH 2011/05/0077

VwGH2011/05/007715.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des J H in S, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Kolarz & Augustin in 2000 Stockerau, Schießstattgasse 21, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. März 2011, Zl. RU1-BR-1440/001-2010, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde S), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs2;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61;
VwRallg;
AVG §59 Abs2;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 7. August 2009 wurde dem Beschwerdeführer auf Grund der baubehördlichen Überprüfung vom 5. August 2009 der baupolizeiliche Auftrag erteilt, die gelagerten Silagen (Mais, Weizen, Roggen) vollständig mit einer Folie abzudecken. Auch die Anschnittsfläche sei - ausgenommen die Zeiten der Zuführung bzw. Entnahme der Silage - mit Folie abzudecken. Weiters wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, die am 5. August 2009 vorgefundenen konsenswidrig gelagerten Gärreste der Biogasanlage bis 10. August 2009 zu entfernen. Begründet wurde der baupolizeiliche Auftrag mit dem Ergebnis der erwähnten Überprüfung und der dabei getroffenen Feststellung, dass die vorgeschriebene Abdeckung mittels einer Folie nicht projektgemäß durchgeführt worden sei. Eine Frist für die Abdeckung der Silage wurde nicht festgelegt.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2010 beantragte der Beschwerdeführer den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über seine gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung vom Gemeindevorstand (Stadtrat) an den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde wies die Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 8. September 2010 "als unzulässig ab".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde auf Grund der vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Stadtgemeinde verwiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass ein baupolizeilicher Auftrag immer eine Erfüllungsfrist enthalten und so exakt formuliert werden müsse, dass er - wenn nötig - vollstreckt werden könne. Indem die Baubehörden im baupolizeilichen Auftragsverfahren, das sie auf § 33 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) gestützt hätten, keine Erfüllungsfrist für die Abdeckung der gelagerten Silage bestimmt hätten, sei ihnen ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen. Da diese Verletzung von Verfahrensvorschriften für den Inhalt des Bescheides (Zwangsvollstreckungsverfahren) relevant gewesen sei, habe spruchgemäß entschieden werden müssen. Im fortgesetzten Verfahren werde der Gemeinderat über die Berufung neuerlich zu entscheiden haben und im Fall der Aufrechterhaltung des baupolizeilichen Auftrages den Spruch des bekämpften Bescheides hinsichtlich der Abdeckung der Silage um eine Erfüllungsfrist zu ergänzen haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "Beseitigung eines in rechtswidriger Weise erlassenen baupolizeilichen Auftrages" bzw. "lediglich nach Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mit einem baupolizeilichen Auftrag konfrontiert zu werden" verletzt.

Dazu wird in der Beschwerde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer durch die Nichtfestsetzung einer Erfüllungsfrist im baupolizeilichen Auftrag entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht in seinen Rechten verletzt worden sei, weil dieser Auftrag in Ermangelung einer Frist nie vollstreckt hätte werden können. Daher könne es nicht im Interesse des Beschwerdeführers liegen, dass der bekämpfte baupolizeiliche Auftrag mit einer Erfüllungsfrist versehen und somit der Vollstreckbarkeit zugänglich gemacht werde. Die belangte Behörde habe sohin in Verkennung des Regelungszweckes des § 61 Abs. 4 NÖ GO 1973 agiert. Indem die belangte Behörde ausgeführt habe, dass eine Erfüllungsfrist bestimmt hätte werden müssen, habe sie auch ihre Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht, dass die Erteilung des baupolizeilichen Auftrages zu Recht erfolgt sei. Dies sei jedoch nicht richtig, weil eine Auflage, wonach die gelagerten Silage vollständig mit Folie abgedeckt werden müsse, im Baubewilligungsbescheid nicht erteilt worden sei. Die in der Projektbeschreibung dazu enthaltenen Ausführungen seien interpretationsbedürftig, wobei sich die belangte Behörde mit den vom Beschwerdeführer dazu vorgetragenen Argumenten nicht auseinander gesetzt habe. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer nicht gegen den Baubewilligungsbescheid verstoßen und es liege auch kein Baugebrechen iSd § 33 Abs. 1 BO vor. Die belangte Behörde habe sich nicht mit dem vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringen auseinander gesetzt, wonach die Baubehörden zu Unrecht davon ausgegangen seien, dass Gefahr im Verzug vorliege, und diese die aufschiebende Wirkung daher nicht hätten ausschließen dürfen. Weiters rügt der Beschwerdeführer fehlende Ermittlungen zur behaupteten Geruchsbelästigung und wirft der belangten Behörde vor, sich nicht zu der von ihm relevierten Verletzung des Parteiengehörs geäußert zu haben.

§ 61 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 (NÖ GO 1973) lautet auszugsweise:

"(1) Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben.

(4) Die Aufsichtsbehörde hat den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

(5) Die Gemeinde ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

… "

Die Bindung sowohl der Gemeinde als auch der anderen Parteien des Verfahrens erstreckt sich nach der hg. Rechtsprechung ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf jene Ausführungen der Gemeindeaufsichtsbehörde, die in Wahrheit zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen. Die Partei des Verfahrens kann gegen einen aufsichtsbehördlichen Bescheid auch dann, wenn ihrer Vorstellung stattgegeben, worden ist, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wenn ihrem Rechtsstandpunkt nicht voll entsprochen worden ist, allerdings nur insoweit, als damit eine die Aufhebung tragende Rechtsansicht bekämpft wird. Soweit die Vorstellungsbehörde der Rechtsansicht der Gemeindebehörden beigetreten ist, stellen die Ausführungen der Vorstellungsbehörde in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keinen tragenden Grund für die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides dar; sie können daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht (mit Erfolg) bekämpft werden. Nur dann, wenn die Aufsichtsbehörde einen die Aufhebung tragenden Grund anders beurteilt hat als der Vorstellungswerber, ist er berechtigt und zur Wahrung seines Rechtsstandpunktes genötigt, diesen Bescheid anzufechten, obwohl dem Spruch nach festgestellt wurde, dass der Vorstellungswerber in seinen Rechten verletzt worden ist. Bindungswirkung tritt dann nicht ein, wenn sich der Sachverhalt (in einem wesentlichen Punkt) oder die Rechtslage geändert hat. Die Bindungswirkung des aufsichtsbehördlichen Bescheides reicht nur soweit, als die Behörde nicht im zweiten Rechtsgang den (tragenden) Aufhebungsgrund beachtet hat. Für das Vorliegen anderer entscheidungswesentlicher Gründe hat der Ausspruch der Aufsichtsbehörde keine Bindungswirkung. Die Bindung des aufsichtsbehördlichen Bescheides erstreckt sich auch nicht auf weitere - die Aufhebung nicht tragende - Ausführungen der Vorstellungsbehörde, so etwa auf Hinweise auf die weitere Verfahrensführung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2009, Zl. 2006/05/0220, mwN).

Tragender Aufhebungsgrund für die belangte Behörde war, dass die Baubehörden im baupolizeilichen Auftragsverfahren entgegen den gesetzlichen Vorgaben keine Erfüllungsfrist für die Abdeckung der gelagerten Silage bestimmt hätten.

Soweit der Beschwerdeführer die zu Unrecht erfolgte Behebung des Bescheides durch die belangte Behörde wegen der von ihm behaupteten nicht erfolgten Verletzung seiner Rechte geltend macht, ist auszuführen, dass § 33 Abs. 2 BO ausdrücklich die Gewährung einer angemessenen Frist zur Behebung des Baugebrechens vorsieht. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem im Zusammenhang mit § 59 Abs. 2 AVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein Auftrag eine Erfüllungsfrist enthalten müsse und das Fehlen einer Erfüllungsfrist den Auftrag rechtswidrig mache. Das Fehlen einer Leistungsfrist bewirke, dass dem Verpflichteten zur Erfüllung der mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides wirksamen Verpflichtung überhaupt keine Frist zur Verfügung stünde und ihm zur Erbringung der auferlegten Leistungen dann keine Zeit verbliebe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2004, Zl. 2003/07/0074). Ein Leistungsbescheid, der keine Leistungsfrist enthalte, ist somit sofort ab Rechtskraft vollstreckbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2001, Zl. 2001/04/0026, mwN).

Unter Zugrundelegung dieser hg. Rechtsprechung wäre im gegenständlichen Fall der dem Beschwerdeführer erteilte baupolizeiliche Auftrag wegen des Fehlens einer Erfüllungsfrist sofort ab Rechtskraft vollstreckbar gewesen. Die belangte Behörde ist sohin zu Recht davon ausgegangen, dass das Fehlen einer Erfüllungsfrist eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers iSd § 61 Abs. 4 NÖ GO 1973 bewirkt. Nur dieser Grund trägt die Aufhebung des Bescheides der mitbeteiligten Stadtgemeinde.

Darüber hinaus stellen im angefochtenen Bescheid allenfalls enthaltene Ausführungen, mit welchen die belangte Behörde, wie von der Beschwerde im Weiteren behauptet wird, der Rechtsansicht des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde beigetreten wäre, nach der oben wiedergegebenen hg. Judikatur keinen tragenden Grund für die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides dar und können daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht (mit Erfolg) bekämpft werden. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Rechtsansicht des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde im angefochtenen Bescheid jedoch keineswegs bestätigt, sondern die Ergänzung des Spruchs um die Erfüllungsfrist ausdrücklich nur für den Fall der Aufrechterhaltung des baupolizeilichen Auftrags aufgetragen.

Im Übrigen beziehen sich die Beschwerdeausführungen nicht auf den die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 8. September 2010 tragenden Grund des angefochtenen Bescheides, weshalb auch dieses Vorbringen im Hinblick auf die oben dargestellte hg. Rechtsprechung ins Leere geht.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Juni 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte