Spruch:
1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) als unbegründet abgewiesen.
2. Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Zurückweisung der Berufung als verspätet (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Jänner 2010 wurde dem Beschwerdeführer als Grundeigentümer der Anschluss zweier näher bezeichneter Liegenschaften an den in der Straße neu gelegten Schmutzwasserkanal aufgetragen. Die diesbezügliche Postsendung langte bei der mitbeteiligten Gemeinde mit dem Vermerk "nicht behoben" am 2. Februar 2010 ein. Mit formlosem Schreiben vom 15. März 2010 teilte der Bürgermeister dem Beschwerdeführer mit, dass erfolglos versucht worden sei, den diesem Schreiben angeschlossenen Bescheid vom 13. Jänner 2010 mit RSb-Sendung zuzustellen. Das beim Postamt hinterlegte Schreiben sei nicht behoben worden, gelte jedoch als gesetzlich zugestellt, sodass auch die Rechtsmittelfrist mittlerweile abgelaufen sei.
Der Beschwerdeführer stellte mit Schriftsatz vom 1. April 2010 einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist hinsichtlich des Bescheides vom 13. Jänner 2010 und erhob gleichzeitig Berufung. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde damit begründet, dass dem Beschwerdeführer im Jänner 2010 weder der genannte Bescheid noch eine Verständigung über dessen Hinterlegung zugekommen sei. Die Postzustellung an seiner Adresse erfolge derart, dass sich neben der Eingangstür eine "Holzkiste" befinde, die der Abgabe der Post durch den Briefträger diene. Üblicherweise sei er als Landwirt persönlich anwesend, wenn der Briefträger komme, und nehme die Post auch entgegen. Die Zustellung funktioniere seit Jahren klaglos, allerdings sei seit November 2009 ein neuer Briefträger zuständig und seither komme es vor, dass der Beschwerdeführer an andere Personen adressierte Post erhalte, fallweise würden ihm nicht einmal die von ihm abonnierten Zeitungen zugestellt. Der Beschwerdeführer habe weder am 15. Jänner 2010 noch in weiterer Folge eine Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides des Bürgermeisters vorgefunden, sodass er durch ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist für die Berufung gegen diesen Bescheid einzuhalten. Von der Hinterlegung des Bescheides habe er erstmals durch das Schreiben der Gemeinde vom 15. März 2010, das er am 18. März 2010 persönlich übernommen habe, erfahren. Die Berufung begründete der Beschwerdeführer neben inhaltlichen Ausführungen zu der ihm auferlegten Anschlussverpflichtung auch damit, dass eine ordnungsgemäße Zustellung des angefochtenen Bescheides nicht gegeben sei, da eine Verständigung von der Hinterlegung des angefochtenen Bescheides nicht erfolgt sei.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zum Zustellvorgang (Einvernahme des Postzustellers samt Fotos über den Ort der Postablage) gab der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Bescheid vom 30. August 2010 nicht statt.
Der dagegen erhobenen Berufung gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 30. November 2010 keine Folge. Der Gemeindevorstand schloss sich den Ausführungen des bekämpften Bescheides an, wonach der Berufungswerber selbst behauptet habe, dass ihm der Bescheid weder persönlich zugestellt noch ordnungsgemäß hinterlegt worden sei, sodass nach der Behauptung des Berufungswerbers das fristauslösende Ereignis nicht stattgefunden habe. Ohne Versäumung einer Frist sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht denkbar.
Ebenfalls mit Bescheid vom 30. November 2010 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 13. Jänner 2010 betreffend Anschluss an den Schmutzwasserkanal als verspätet eingebracht zurück. In dieser Entscheidung ging der Gemeindevorstand davon aus, dass die Zurücklassung der Verständigungsanzeige über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstückes in der zwischen Liegenschaftseigentümer und Post vereinbarten "Holzkiste" mit einer Hinterlegung in einen Briefkasten gleichzusetzen sei. Somit sei davon auszugehen, dass mit der Hinterlegung die Zustellung als bewirkt anzusehen sei.
Gegen beide Bescheide des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. November 2010 erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers sowohl gegen die Nichtstattgebung betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchpunkt I.) als auch gegen die Zurückweisung seiner Berufung als verspätet (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, dass der in Frage stehende Holzverschlag - bei dem es sich nach den glaubwürdigen Aussagen des Briefträgers keineswegs um eine Kiste handle - sowohl nach der Aussage des Vorstellungswerbers als auch nach den glaubwürdigen Aussagen des zuständigen Briefträgers der Abgabe der Post durch den Briefträger diene. Dort werde die Post nicht frei abgelegt, sondern durch andere Gegenstände gegen Verwehen gesichert. Es sei somit von einer ordnungsgemäßen Zustellung der Hinterlegungsverständigung an diesem Ort auszugehen, zumal dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, dass jedermann mangels Anschaffung eines üblichen Briefkastens die Zustellung möglicherweise unangenehmer Schriftstücke verweigern könne. Der Holzverschlag sei daher als Abgabeeinrichtung im Sinne des Zustellgesetzes zu werten. In weiterer Folge begründete die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer keinen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht habe, weshalb er durch den angefochtenen Bescheid, mit dem seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht Folge gegeben worden sei, nicht in seinen Rechten verletzt worden sei. Ausgehend von einer rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung mit dem Beginn der Abholfrist am 18. Jänner 2010 kam die belangte Behörde in ihrem zweiten Spruchpunkt zu dem Ergebnis, dass die Berufungsfrist am 1. Februar 2010 geendet habe, weshalb die am 1. April 2010 eingebrachte Berufung jedenfalls verspätet eingebracht sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die dem Verwaltungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 3. Mai 2011, B 516/11, abgetreten und vom Beschwerdeführer um Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ergänzt wurde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist einer Partei, die durch die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder wenn die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
"Versäumt" ist eine Frist, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist. Hängt der Fristenlauf von der Zustellung eines behördlichen Schriftstücks an die Partei ab, so beginnt die Frist dann nicht zu laufen - und kann deshalb auch nicht versäumt werden -, wenn die Zustellung wegen Mängeln unwirksam ist (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Band I, Anm. 2 zu § 71 AVG, und die hg. Rechtsprechung, z.B. vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0055, 26. Juni 2007, Zl. 2006/13/0010, 17. September 2012, Zl. 2011/23/0506).
Die Beschwerde ist mit ihren Ausführungen im Recht, wonach die Hinterlegungsverständigung weder in eine Abgabeeinrichtung eingelegt noch an der Abgabestelle zurückgelassen, noch an der Eingangstür angebracht worden sei, weshalb die Hinterlegung nicht nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erfolgt sei.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass - in Ermangelung eines vorhandenen Briefkastens - zwischen dem Beschwerdeführer und der Post vereinbart war, dass die für den Beschwerdeführer bestimmte Post auf einem neben der Hauseingangstür befindlichen Holzverschlag, auf dem sich verschiedene Gegenstände befinden, mit denen die Post gegen Verwehung gesichert werden kann, abgelegt werden sollte und auch die in Rede stehende Hinterlegungsverständigung entsprechend dieser Vereinbarung dort abgelegt worden war.
Vorauszuschicken ist, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Zustellung, auch über die Form der Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige, durch eine Vereinbarung zwischen Postzusteller und Empfänger nicht geändert werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 87/05/0063).
§ 17 Abs. 2 ZustellG idF BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:
"§ 17. (2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus- , Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen."
Der belangten Behörde kann nicht darin gefolgt werden, dass es sich bei dem in Rede stehenden, offenbar frei zugänglichen Holzverschlag neben der Haustür, der der Ablage verschiedener Gegenstände dient, um eine "Abgabeeinrichtung im Sinne des Zustellgesetzes", also einen Briefkasten, ein Hausbrieffach oder einen Briefeinwurf handelt. Nach dem postrechtlichen Begriffsverständnis handelt es sich dabei nämlich um geeignete, vor dem Zugriff Dritter geschützte Vorrichtungen zum Einwurf von Briefsendungen (vgl. zur Beschaffenheit eines Hausbriefkastens auch § 34 Abs. 2 Postmarktgesetz und die Vorgängerbestimmung des § 14 Postgesetz 1997). Der durch im Akt einliegende Fotos dokumentierte Holzverschlag eignet sich weder zum Einwerfen von Briefsendungen (der Zusteller steckt die Post seinen Ausführungen zufolge zwischen die auf dem Holzverschlag deponierten Gegenstände wie z.B. Reifen, Säcke und Katzenfutterdosen) noch schützt er die darauf abgelegte Post vor dem Zugriff Dritter (vgl. ein unversperrbares Holzkästchen betreffend das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2003, Zl. 2003/11/0161, und ein erheblich beschädigtes Hausbrieffach betreffend die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 2004, Zl. 2003/01/0362, und vom 20. April 2006, Zl. 2005/01/0662). Es handelt sich bei der beschriebenen Vorgangsweise - entgegen der Angabe auf dem betreffenden Rückschein - auch nicht um ein "Zurücklassen" der Verständigung "an der Abgabestelle", da die Hinterlegungsanzeige nicht in die Gewahrsame des Beschwerdeführers gelangte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. September 2002, Zl. 2000/03/0109; in diesem Sinne auch die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 2003, Zl. 2002/03/0239, zur Rechtswidrigkeit der Zustellung infolge des Zurücklassens einer Hinterlegungsanzeige vor der Tür oder des Hineinsteckens zwischen Türanschlag und Tür, sowie vom 28. August 1997, Zl. 97/04/0064, betreffend die Hinterlegung der Verständigung auf einem Kästchen neben der im Inneren eines Wohnhauses befindlichen Eingangstür). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass das Zustellorgan die Hinterlegungsanzeige durch ein geöffnetes Fenster in das Haus des Empfängers wirft, weil die Sendung diesfalls in der Wohnung, also an der Abgabestelle, zurückgelassen wird und damit in die Gewahrsame des Empfängers gelangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 87/05/0063). Dass die Hinterlegungsanzeige an der Eingangstür angebracht worden wäre, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.
Da die Verständigung von der Hinterlegung somit nicht entsprechend der Tatbestände des § 17 Abs. 2 ZustellG erfolgte, ging die belangte Behörde zu Unrecht von der Rechtswirksamkeit der Zustellung des Bescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Jänner 2010 und in der Folge davon aus, dass damit die Berufungsfrist in Gang gesetzt und vom Beschwerdeführer versäumt worden war. Der Ausführung der belangten Behörde, jedermann könne mangels Anschaffung eines üblichen Briefkastens die Zustellung möglicherweise unangenehmer Schriftstücke verweigern, ist der Wortlaut des § 17 Abs. 2 ZustellG entgegen zu halten, wonach eine Hinterlegungsanzeige in Ermangelung einer für die Abgabestelle bestimmten Abgabeeinrichtung an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen ist. Eine solche Anbringung ist im gegenständlichen Fall ohne ersichtlichen Grund nicht erfolgt.
Am 18. Jänner 2010 ist somit keine wirksame Zustellung erfolgt; ausgehend von diesem Datum konnte die Berufung nicht als verspätet angesehen werden. Zu keinem anderen Ergebnis führte die Annahme, der Zustellmangel sei mit der Übersendung "des Bescheides" mit Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. März 2010 saniert worden (zur Frage der Heilung durch Übermittlung einer Kopie des ursprünglichen Originals siehe das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zl. 95/06/0128), weil auch in diesem Fall (Zustellung am 18. März 2010, Berufungseinbringung am 1. April 2010) keine Fristversäumnis vorläge.
Hinsichtlich der Abweisung der Vorstellung gegen die Zurückweisung der Berufung als verspätet (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) ist der bekämpfte Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
Dass der (mangels Fristversäumung unzulässige) Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen - und nicht zurückgewiesen - wurde, verletzt den Beschwerdeführer jedoch nicht in seinen Rechten (siehe auch die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1999, Zl. 99/15/0118, und vom 26. Juni 2007, Zl. 2006/13/0010), sodass die Beschwerde diesbezüglich (hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II. Nr. 455/2008.
Wien, am 28. Mai 2013
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