VwGH 2011/04/0171

VwGH2011/04/017128.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Christandl Rechtsanwalt GmbH in 8010 Graz, Elisabethstraße 50b, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 16. August 2011, Zl. A14-30-1864/2011-9, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §111;
AuslBG §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2011040171.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 die Gewerbeberechtigung für das "Gastgewerbe, in der Betriebsart Gasthof nach § 111 Abs. 1 Z 1 und 2 GewO 1994 idgF" an einem näher bezeichneten Standort.

Zur Begründung führte sie zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer sei im Zeitraum der Jahre 2006 bis Ende 2010 insgesamt 12-mal (davon 11-mal rechtskräftig) wegen - näher bezeichneter - mit seinem Gewerbe in Zusammenhang stehenden Verwaltungsübertretungen bestraft worden. Er habe (u.a.) mehrmals gegen das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG; Nichteinhaltung von Hygienevorschriften), wiederholt gegen die GewO 1994 (Nichteinhaltung von vorgeschriebenen Auflagen; mehrjähriger Betrieb einer Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung nach umfangreichen Änderungen, wie z.B. der Errichtung eines 3-geschossigen Zubaues mit 10 Zimmern, des Einbaues eines Personenaufzuges, der Errichtung einer sogenannten "Almhütte" mit 40 bis 50 Verabreichungsplätzen und eines davor gelagerten Gastgartens mit rund 30 Verabreichungsplätzen, eines zusätzlichen Parkplatzes, usw.) und gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG; Beschäftigung von Arbeitnehmern ohne Bewilligung) verstoßen. Sowohl das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz als auch die GewO 1994 und das AuslBG seien bei der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes besonders zu beachten. Darüber hinaus seien Verstöße des Beschwerdeführers gegen diese Rechtsvorschriften geeignet, das Ansehen des gegenständlichen Berufszweiges herabzusetzen, und sie seien daher als schwerwiegend zu werten.

Entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers erfordere die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 keine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers. Das Argument des Beschwerdeführers, dass sämtliche Mängel in der Zwischenzeit behoben worden wären, sei bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ebenso irrelevant wie der Gesichtspunkt einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Gewerbeinhabers. Aus dem Umstand allein, dass "hinkünftig ein einwandfreies Verhalten des Beschwerdeführers zu erwarten sei", ergebe sich in Ansehung des § 87 Abs. 3 GewO 1994 keine Verpflichtung der Behörde, die Gewerbeentziehung nur befristet auszusprechen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Gemäß § 87 Abs. 1 letzter Absatz GewO 1994 sind Schutzinteressen gemäß Z. 3 insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung.

Nach § 87 Abs. 3 GewO 1994 kann die Behörde die Gewerbeberechtigung auch nur für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, dass diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern.

2. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 insbesondere aufgrund näher umschriebener Verstöße gegen Hygienevorschriften (Übertretungen des LMSVG), gegen § 366 Abs. 1 Z. 3 (gemeint: iVm § 81 Abs. 1 und § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2) und § 367 Z. 25 GewO 1994 (Änderungen der bewilligten Betriebsanlage und ein mehrjähriger Betrieb ohne die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung; Nichteinhaltung von Auflagen im Genehmigungsbescheid) und des AuslBG als erwiesen angenommen.

Der Beschwerdeführer bestreitet seine rechtskräftige Bestrafung wegen dieser Delikte nicht. Soweit er in der vorliegenden Beschwerde den Versuch unternimmt, diese Verwaltungsübertretungen hinsichtlich ihrer Schwere zu relativieren, ist ihm Folgendes zu erwidern:

Ob es sich bei den festgestellten Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers um "schwerwiegende Verstöße" im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 handelt, ist danach zu beurteilen, ob sich unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Februar 2012, Zl. 2011/04/0180).

Zu Recht hat die belangte Behörde die durch das AuslBG, die Hygienebestimmungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes und durch § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 geschützten Interessen als gewichtig eingestuft (vgl. zum AuslBG etwa das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2011/04/0180, mwN; zu Hygienemängeln etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 2005, Zl. 2005/04/0029, und vom 20. Mai 2010, Zl. 2009/04/0202). Auch gelingt es der Beschwerde angesichts der wiederholten Bestrafungen wegen dieser Delikte über einen längeren Zeitraum hinweg nicht, die Verletzung dieser Schutzinteressen als nicht schwer darzustellen. Dabei fällt vor allem der mehrjährige genehmigungslose Betrieb der Betriebsanlage nach umfangreichen Änderungen besonders ins Gewicht. Zutreffend hat die belangte Behörde überdies erkannt, dass § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers erfordert, weil sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als Rechtsvermutung aus den schwerwiegenden Verstößen ergibt (vgl. etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom 2. Februar 2012, Zl. 2011/04/0180, mwN). Zu Recht hat sie auch ausgeführt, dass die Nichtbeachtung von Auflagen eines Betriebsanlagengenehmigungsbescheides selbst dann zu berücksichtigen ist, wenn diese Auflagen in der Folge beseitigt wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/04/0188, mwN).

Ausgehend davon kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 für gegeben ansah.

3. Soweit die Beschwerde hilfsweise eine Befristung der Entziehung nach § 87 Abs. 3 GewO 1994 anstrebt, käme eine solche nur dann in Betracht, wenn besondere Gründe gegeben wären, die erwarten ließen, eine bloß befristete Maßnahme reiche aus, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Beschwerdeführers zu sichern (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 2004, Zl. 2003/04/0119, und vom 24. Februar 2010, Zl. 2009/04/0288). Dass diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall vorlägen, ist in Anbetracht des langen Deliktszeitraumes, in dem der Beschwerdeführer - wie oben dargestellt wurde - trotz wiederholter Bestrafung weitere schwerwiegende Verstöße begangen hat, nicht zu erkennen. Entgegen den Beschwerdeausführungen sind die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch nicht so zu verstehen, dass die belangte Behörde zukünftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers als erwiesen und damit auch als gesichert angesehen hätte.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Februar 2012

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