VwGH 2011/02/0040

VwGH2011/02/004012.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des B. in F., vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten, jeweils vom 16. November 2010, 1. Zl. KUVS-2160-2161/17/2009 (prot. zu hg. Zl. 2011/02/0040) und 2.) Zl. KUVS-2162-2163/19/2009 (prot. zu hg. Zl. 2011/02/0041), betreffend Übertretungen kraftfahrrechtlicher Vorschriften (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art8 Abs1;
32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art8 Abs2;
KFG 1967 §134 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art8 Abs1;
32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art8 Abs2;
KFG 1967 §134 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.652,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft V. (kurz: BH) jeweils vom 9. September 2009 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Lastkraftwagens, welcher zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt sei und dessen zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger 3,5 t übersteige, im Zeitraum vom 21. Jänner 2008 bis 26. Februar 2008 in 12 näher genannten Fällen (Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses, das dem zu hg. Zl. 2011/02/0041 angefochtenen Bescheid zugrunde liegt) und im Zeitraum vom 28. Februar 2008 bis 18. März 2008 in 8 näher genannten Fällen (Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses, das dem zu hg. Zl. 2011/02/0040 angefochtenen Bescheid zugrunde liegt) nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit die regelmäßige tägliche Ruhezeit in zwei Teilen genommen, aber der zweite Teil habe jeweils nicht einen ununterbrochenen Zeitraum von 9 Stunden umfasst, obwohl der erste Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 3 Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 9 Stunden umfassen müsse. Der Beschwerdeführer habe daher jeweils eine Übertretung des Art. 8 Abs. 1 EG-VO 561/2006 i.V.m. § 134 Abs. 1 KFG 1967 begangen, weshalb über ihn im ersten Fall eine Geldstrafe von EUR 960,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Tage) und im zweiten Fall eine Geldstrafe von EUR 640,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage 16 Stunden) verhängt wurde.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde jeweils vom 16. November 2010 wurde den Berufungen mit der Maßgabe jeweils Folge gegeben, dass im ersten Fall die Geldstrafe auf EUR 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe auf 5 Tage) und im zweiten Fall die Geldstrafe auf EUR 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe auf 3 Tage) herabgesetzt wurde und bei der Strafbestimmung der Ausdruck "Art. 8 Abs. 2 EG-VO Nr. 561/2006 " anzufügen ist.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte jeweils die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde habe die erstinstanzliche Rechtsansicht betreffend das Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes geteilt; sie habe jedoch diese rechtliche Beurteilung nicht konsequent weitergeführt und in zwei Berufungsbescheiden je eine Geldstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe wegen Unterschreitens der täglichen Ruhezeit verhängt, wie dies schon die Erstbehörde getan habe.

Dass die Polizei aufgrund der am 24. März 2008 erfolgten Verkehrskontrolle der Erstbehörde zwei Anzeigen übermittelt habe und diese zwei Strafbescheide erlassen habe, ändere nichts daran. Der erste Tatvorwurf umfasse 12 Tage im Zeitraum vom 22. Jänner bis 26. Februar 2008, der zweite Tatvorwurf umfasse 8 Tage im Zeitraum vom 28. Februar bis 17. März 2008. Es lägen somit an insgesamt 20 Tagen in einem Zeitraum von knapp 2 Monaten zu geringe Ruhezeiten vor, welche insgesamt ein fortgesetztes Delikt darstellten und daher von der belangten Behörde in einen einzigen Tatvorwurf zusammenzufassen gewesen wären; es hätte eine einzige Strafe ausgesprochen werden müssen.

Alle 20 Tathandlungen stünden in einem klar erkennbaren zeitlichen Konnex, zwischen den Tathandlungen lägen jeweils 2, über die Wochenenden jeweils 3 Tage; zwischen dem 10. und dem 18. Februar 2008 habe der Beschwerdeführer Urlaub gehabt. Es bestehe kein Grund, die beiden Tatzeiträume in zwei Tatanlastungen zu kleiden und zwei Strafen zu verhängen. Da ein einziges (fortgesetztes) Delikt vorliege und nicht zwei Delikte, hätte die belangte Behörde in Entscheidung über die ohnehin gemeinsame Berufung gegen die erstinstanzlichen Straferkenntnisse, eine einzige Berufungsentscheidung fällen und darin nur eine Bestrafung wegen Unterschreitung der täglichen Ruhezeit verhängen müssen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EG-VO Nr. 561/2006 muss der Fahrer tägliche und wöchentliche Ruhezeiten einhalten.

Nach Art. 8 Abs. 2 EG-VO Nr. 561/2006 muss der Fahrer innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit eine neue tägliche Ruhezeit genommen haben. Beträgt der Teil der täglichen Ruhezeit, die in den 24-Stunden-Zeitraum fällt, mindestens 9 Stunden, jedoch weniger als 11 Stunden, so ist die fragliche tägliche Ruhezeit als reduzierte tägliche Ruhezeit anzusehen.

Gemäß § 134 Abs. 1 erster Satz KFG 1967 begeht derjenige, der diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 , der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Beim fortgesetzten Delikt - dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Mehrheit von an sich selbständigen, nacheinander gesetzten Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand desselben Delikts erfüllt, infolge der Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände sowie des engen zeitlichen Zusammenhanges zu einer rechtlichen Einheit verbunden und als einziges Delikt behandelt wird - erfasst die Bestrafung für einen bestimmten Tatzeitraum alle in diesem gelegenen Einzelhandlungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl. 97/11/0188).

Die belangte Behörde ging im vorliegenden Beschwerdefall grundsätzlich zutreffend davon aus, dass ein fortgesetztes Delikt gegeben ist. Die Begründung der angefochtenen Bescheide lässt jedoch nicht erkennen, weshalb gerade im Zeitraum vom 26. bis 28. Februar 2008 ein Ereignis gelegen sein sollte, welches der Beurteilung des Vorliegens eines fortgesetzten Deliktes auch für den zweiten Zeitraum gemeinsam mit dem ersten Zeitraum entgegenstünde.

Da die belangte Behörde ohne hinreichend erkennbaren Grund von der Annahme ausging, es liege jeweils (nur) für den Zeitraum vom 21. Jänner 2008 bis 26. Februar 2008 sowie für den Zeitraum vom 28. Februar 2008 bis 18. März 2008 ein einheitlicher Tatzeitraum vor, belastete sie die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Aufgrund dieses Ergebnisses erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 12. Juli 2012

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