Normen
ASchG 1994 §118 Abs3;
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1;
AVG §1;
BArbSchV 1994 §7 Abs1;
BArbSchV 1994 §7 Abs2 Z4;
VStG §27 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z3;
VStG §51 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ASchG 1994 §118 Abs3;
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1;
AVG §1;
BArbSchV 1994 §7 Abs1;
BArbSchV 1994 §7 Abs2 Z4;
VStG §27 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z3;
VStG §51 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S. vom 23. November 2010 wurde der Mitbeteiligte für schuldig erkannt, er habe am 7. April 2010 um 13.30 Uhr an einem näher genannten Ort in der Steiermark als nach außen vertretungsbefugtes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der D.-GmbH nachstehende Verwaltungsübertretung zu verantworten:
Der Arbeitsinspektor, Ing. H. H., habe anlässlich einer am 7. April 2010 durchgeführten Überprüfung festgestellt, dass von drei Arbeitnehmern der D.-GmbH auf der Ost- und Südseite des Objektes E1 (Absturzhöhe ca. 5,60 m bzw. ca. 3,10 m) das Mauerwerk für das erste Obergeschoß hergestellt worden sei, wobei jegliche Absturzsicherung gefehlt habe. Die mit der Herstellung des Mauerwerkes beschäftigten Arbeitnehmer seien nicht gegen Absturz gesichert gewesen.
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 7 Abs. 1 BauV, BGBl. Nr. 340/94, i.V.m. Abs. 2 Z. 4 leg. cit. übertreten, wonach an Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen, sofern von diesen ein Abstürzen von mehr als 2 m möglich sei, Absturzsicherungen (§ 8 BauV) oder Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) vorhanden sein müssten. Er habe dadurch § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG i.V.m. § 118 Abs. 3 ASchG i.V.m.
§ 7 Abs. 1 BauV i.V.m. Abs. 2 Z. 4 BauV verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 27 Stunden) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Dezember 2010 wurde der Berufung stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die D.-GmbH habe laut Firmenbuchauszug ihren Sitz an einem näher genannten Ort in Oberösterreich. Es sei daher der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer und nach außen vertretungsbefugtes Organ der D.-GmbH zum Tatzeitpunkt am 7. April 2010 am Sitz der Gesellschaft strafbar geworden, weil am Unternehmenssitz jene Vorsorgehandlungen getroffen hätten werden müssen, die zum Hintanhalten der Verwaltungsübertretung erforderlich gewesen wären. Es habe daher der Beschwerdeführer die gesetzlich geforderten Vorsorgehandlungen am Unternehmenssitz in D. unterlassen und es sei daher gemäß § 27 VStG D. als Tatort anzusehen.
Sowohl die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14. Juli 2010 als erste und einzige Verfolgungshandlung sowie auch das Straferkenntnis vom 23. November 2010 würden als Tatort eine näher genannte Anschrift in Z. in der Steiermark beinhalten. Dies stelle die Baustelle dar, auf welcher die fehlende Absturzsicherung festgestellt worden sei. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Umschreibung der Baustelle zwar notwendiges Tatbestandsmerkmal, sei aber nur Teil der konkretisierten Sachverhaltsumschreibung. Tatsächlicher Tatort sei aber der Unternehmenssitz, welcher weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung, noch im Straferkenntnis genannt werde. Die Zitierung einer näher genannten Anschrift in Oberösterreich beim Adressaten der Aufforderung zur Rechtfertigung bzw. beim Straferkenntnis genüge hingegen nicht. Vielmehr gehe aus der Adresszitierung nicht hervor, dass es sich um den Sitz der juristischen Person handle.
Es entbehre der Tatvorwurf im gesamten Strafverfahren sowie auch im Straferkenntnis der näheren Umschreibung des Tatortes. Eine Ergänzung des Tatortes im Spruch des Straferkenntnisses im Berufungsverfahren sei aber nicht möglich, weil gemäß § 31 Abs. 2 VStG die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist verstrichen sei. Es sei daher das Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Amtsbeschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, nach der ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genüge es bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften für den Ausschluss der Verfolgungsverjährung, wenn sich die Verfolgungshandlung auf die konkrete "Filiale" beziehe, in der die Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften stattgefunden habe. Im Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2003/02/0243, dem ein Bescheid der belangten Behörde wegen Übertretung von Vorschriften der BauV zugrunde liege, habe der Verwaltungsgerichtshof zudem ausdrücklich klargestellt, dass dieser Rechtssatz auch bei Baustellen anzuwenden sei, wenn dem Inhalt der Aufforderung zur Rechtfertigung zweifelsfrei zu entnehmen sei, an welcher Baustelle der Arbeitgeberin es zu den dem Beschuldigten angelasteten Übertretungen gekommen sei.
Im vorliegenden Fall erfülle die Verfolgungshandlung nach Ansicht des beschwerdeführenden Bundesministers dieses Erfordernis, weil sie eine genaue örtliche Angabe der Baustelle enthalte und daher mit Rücksicht auf die sonst angeführten Sachverhaltselemente kein Zweifel übrig bleibe, auf welchen konkreten Tatvorwurf abgestellt werde. Es sei daher entgegen der Auffassung der belangten Behörde keineswegs Verfolgungsverjährung eingetreten, sodass der Einstellungsgrund des § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG zu Unrecht angenommen worden sei.
Der Mitbeteiligte wendet in seiner Gegenschrift ein, insofern der beschwerdeführende Bundesminister Judikatur zitiere, nach der es für den Ausschluss der Verfolgungsverjährung genüge, wenn sich die Verfolgungshandlung auf die konkrete "Filiale", in der die Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften stattgefunden habe, beziehe, so sei dazu klarzustellen, dass die D.-GmbH überhaupt keine wo auch immer befindliche Filiale besitze, sodass diese rechtliche Argumentation ins Leere gehe.
Aber auch die in der Beschwerde behauptete "genaue örtliche Angabe der Baustelle" könne eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht begründen, zumal zu berücksichtigen sei, dass die D.-GmbH zum damaligen Zeitpunkt für die H.-GmbH eine Vielzahl von Arbeiten als Subunternehmer auf Basis unterschiedlicher Aufträge durchzuführen gehabt habe, sodass auch unter Bedachtnahme auf sonst angeführte zusätzliche Sachverhaltselemente keinesfalls ohne Zweifel eine Unverwechselbarkeit gegeben sei.
Bezeichnungen wie "Objekt E1" würden in keiner Weise Bezug auf konkrete und nachvollziehbare Bezeichnungen eines Tatortes nehmen, sondern würden sich offenkundig nur auf Ursprungsangaben auf Planunterlagen beziehen.
Der beschwerdeführende Bundesminister verweist zutreffend auf das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2003/02/0243, wonach die zu § 32 Abs. 2 VStG entwickelte Rechtsprechung zur Frage der Verfolgungsverjährung, nach der es für den Ausschluss der Verfolgungsverjährung bei der Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften genügt, wenn sich die Verfolgungshandlung auf die konkrete "Filiale" bezieht, auch auf eine "Baustelle" eines näher genannten Unternehmens (als Arbeitgeberin) anzuwenden ist.
Insoweit sich der Mitbeteiligte gegen die Anwendung der Judikatur zum Ausschluss einer Verfolgungsverjährung bei Nennung einer "Filiale" wendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass es im vorliegenden Beschwerdefall nicht um eine Filiale, sondern um eine näher genannte Baustelle geht. Dass es für den Mitbeteiligten unzweifelhaft war, um welche konkrete Baustelle es sich bei der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung handelt, geht schon aus der Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten vor der Behörde erster Instanz vom 3. August 2010 hervor, in welcher der Mitbeteiligte angab, es entspreche den Tatsachen, dass seine 3 in der Anzeige des Arbeitsinspektors angeführten Arbeitnehmer "auf der Baustelle in … Z., R.-Weg, Objekt E1 (H.-Bau), das Mauerwerk hergestellt haben, jedoch nicht die Gerüstung."
Die im vorliegenden Beschwerdefall in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14. Juli 2010 erfolgte Umschreibung der Baustelle war daher insofern hinreichend konkret. Es ist auch nicht zu ersehen, dass der Mitbeteiligte dadurch in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wurde.
Es trifft zu, dass im Falle der Heranziehung eines zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugten Organs gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung ist, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen gewesen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2007, Zl. 2007/02/0277, m.w.N.).
Für eine die Verfolgungsverjährung ausschließende Verfolgungshandlung im Bereich der Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften reicht es jedoch aus, dass sich in der Aufforderung zur Rechtfertigung neben dem Hinweis auf eine bestimmte Baustelle auch ein konkreter Hinweis auf jenes Unternehmen findet, das auf dieser Baustelle als Arbeitgeberin tätig war (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl 2003/02/0243). Dieses Unternehmen wurde in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14. Juli 2010 genannt (es wurde nämlich auf drei Arbeitnehmer der "Fa. D." hingewiesen und der Mitbeteiligte sollte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der D.-GmbH mit einer näher genannten Anschrift in D., bei der es sich nach den eigenen Angaben des Mitbeteiligten um den Unternehmenssitz handelt, zur Verantwortung gezogen werden).
Es ist daher entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde im Lichte der vorzitierten hg. Judikatur keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Die belangte Behörde hat daher das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren zu Unrecht eingestellt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 12. Juli 2012
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