VwGH 2011/01/0164

VwGH2011/01/016419.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des A T in W, vertreten durch Dr. Thomas Nirk, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 56/7, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. Jänner 2009, Zl. MA 35/IV-T 54/20 08, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §12 Z3 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §12 Z3 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger, wurde am 18. Dezember 2005 in Wien als eheliches Kind des MT (Vater) und der russischen Staatsangehörigen ET (Mutter) geboren und erlangte mit der Geburt die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation.

Mit Bescheid vom 26. Mai 2004 (erlassen am 8. Juli 2004) sicherte die belangte Behörde MT die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, (StbG) für den Fall zu, dass er binnen zwei Jahren den Nachweis über das Ausscheiden aus dem russischen Staatsverband (Entlassungsurkunde, Bestätigung über den Verlust der Staatsangehörigkeit) erbringt. Die Botschaft Russlands in Österreich bestätigte am 29. Juli 2005 das Ausscheiden des MT aus dem Staatsverband der Russischen Föderation.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2006 hat die belangte Behörde MT mit Wirkung vom 11. Juli 2006 nach § 10 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. MT ist am 5. September 2007 (in W) verstorben.

Mit Ansuchen vom 14. März 2008 beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde gemäß § 12 Z. 3 StbG die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Jänner 2009 wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10 Abs. 1 Z. 1, 11a, 17, 12 Z. 3 StbG" ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, zum Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers seien weder sein Vater noch seine Mutter österreichische Staatsbürger gewesen. Der Beschwerdeführer habe die österreichische Staatsbürgerschaft weder durch Abstammung noch durch Legitimation erworben. Dem Vater (MT) sei die österreichische Staatsbürgerschaft mit Wirkung vom 11. Juli 2006 verliehen worden; die Tatsache, dass MT die Verleihung bereits im Jahre 2004 zugesichert worden war, könne daran nichts ändern. Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach erfolgter Zusicherung sei nicht nur eine "Formalität". Da MT verstorben sei, könne die Staatsbürgerschaft nicht gemäß § 12 Z. 3 StbG verliehen werden. Verleihung und Erstreckung (der Verleihung) der Staatsbürgerschaft würden voraussetzen, dass der "Auktor" (hier: MT) und der Erstreckungswerber zum Zeitpunkt der Verleihung am Leben seien. § 12 Z. 3 StbG setze nämlich voraus, dass der maßgebliche Elternteil im Verleihungszeitpunkt "noch Staatsbürger ist und nicht wie im gegenständlichen Fall zum Zeitpunkt seines Ablebens Staatsbürger war". Der Beschwerdeführer erfülle weder die Verleihungsvoraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1, 11a Abs. 4 Z. 1 bis 4 noch des § 12 Z. 3 StbG.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 25. Februar 2011, B 395/09-8, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer ergänzte vor dem Verwaltungsgerichtshof seine Beschwerde (auftragsgemäß) mit Schriftsatz vom 11. Mai 2011.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer replizierte mit Schriftsätzen (samt Urkundenvorlagen) vom 22. Juli 2011 und 21. März 2012.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), lauten:

"§ 6. Die Staatsbürgerschaft wird erworben durch

1. Abstammung (Legitimation) (§§ 7, 7a und 8);

(BGBl. Nr. 202/1985, Art. I Z 2)

  1. 2. Verleihung (Erstreckung der Verleihung) (§§ 10 bis 24);
  2. 3. Dienstantritt als Universitäts(Hochschul)professor (§ 25 Abs. 1);
  3. 4. Erklärung (§ 25 Abs. 2);
  4. 5. Anzeige (§ 58c).

§ 12. Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er

  1. 1.
  2. 2. …oder
  3. 3. die Staatsbürgerschaft nach § 17 durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben kann, weil der hierfür maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist.

§ 17. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen der §§ 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 sowie 16 Abs. 1 Z 2 zu erstrecken auf

  1. 1. die ehelichen Kinder des Fremden,
  2. 2. die unehelichen Kinder der Frau,
  3. 3. die unehelichen Kinder des Mannes, wenn seine Vaterschaft festgestellt oder anerkannt ist und ihm die Pflege und Erziehung der Kinder zustehen,

    4. die Wahlkinder des Fremden,

    sofern die Kinder minderjährig, ledig und nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremde sind.

    …"

    Die Beschwerde macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe unberücksichtigt gelassen, dass im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers MT (Vater) "bereits ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft erwachsen war"; MT sei nämlich auf Grund des Bescheides vom 26. Mai 2004 die Verleihung der Staatsbürgerschaft zugesichert worden. Die im Zusicherungsbescheid erteilte "Auflage der Beibringung der Bescheinigung der Entlassung aus der russischen Staatsbürgerschaft" habe MT fünf Monate vor der Geburt des Beschwerdeführers erfüllt. Die belangte Behörde irre darüber, dass aus der Zusicherung kein Anspruch auf Erteilung der Staatsbürgerschaft erwachse und ferner darüber, welche Rechtsfolgen die Erfüllung der im Zusicherungsbescheid erteilten Bedingung (durch MT) habe. Hinsichtlich "des weiteren Prüfungsverfahrens lag deshalb eine Ermessensreduzierung auf null vor". Die "semantische Auslegung" der Bestimmung des § 12 Z. 3 StbG durch die belangte Behörde sei unrichtig. Der Gesetzgeber des StbG habe in den Bestimmungen der §§ 7 Abs. 1 lit. b und 7a Abs. 1 "den Tod eines Kindesvaters berücksichtigt".

Diese Normen seien zur Auslegung des § 12 Z. 3 StbG heranzuziehen.

Die Beschwerde zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen

Bescheides auf.

Unbestritten ist, dass der Erwerb der Staatsbürgerschaft

durch Abstammung (Legitimation), Dienstantritt als

Universitäts(Hochschul)professor, Erklärung oder Anzeige im

Beschwerdefall nicht erfolgte und auch nicht in Betracht kommt.

Der Beschwerdeführer begehrte den Erwerb der Staatsbürgerschaft im Sinne des § 6 Z. 2 StbG durch "Verleihung (Erstreckung der Verleihung) (§§ 10 bis 24)".

Die belangte Behörde war im Verleihungsverfahren verpflichtet, den angefochtenen Bescheid auf Grundlage der im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung - das war der 16. Februar 2009 - gegebenen Sach- und Rechtslage zu erlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0058, mwN).

Der Beschwerdeführer hat, die selbständige Verleihung nach § 12 Z. 3 StbG begehrt. Der Antrag seiner Eltern vom 1. Juni 2006, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf den Beschwerdeführer zu erstrecken, war am 11. Juli 2006 wieder zurückgezogen worden.

Ausgehend von der auch für den Verwaltungsgerichtshof bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Sach- und Rechtslage (16. Februar 2009) ist im Übrigen davon auszugehen, dass MT im Jahre 2007 verstorben ist. Eine Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft seines Vaters MT auf den Beschwerdeführer war daher nicht möglich. Für die Verleihung durch Erstreckung der Verleihung eines Verstorbenen - wie die Beschwerde ins Treffen führt - bietet die Regelung des § 12 Z. 3 StbG keine Rechtsgrundlage.

Mit dem Hinweis auf Regelungen im StbG über den Staatsbürgerschaftserwerb durch Abstammung (Legitimation) zeigt die Beschwerde keine rechtswidrige Auslegung des von der belangten Behörde herangezogenen Abweisungsgrundes (Verleihung gemäß § 12 Z. 3 StbG) auf.

MT erwarb die österreichische Staatsbürgerschaft - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht bereits mit Zusicherung (bzw. Erfüllung der Bedingungen des Zusicherungsbescheides), weil die Zusicherung keine Erwerbsart der Staatsbürgerschaft im Sinne des § 6 StbG darstellt. Erst durch die (mit dem Verleihungsbescheid vom 11. Juli 2006 erfolgte) Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft mit Wirkung vom 11. Juli 2006 ist MT österreichischer Staatsbürger geworden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2004, Zl. 2003/11/0253). Aus welchen Gründen diese Verleihung der Staatsbürgerschaft an MT nicht zu einem anderen (früheren) Zeitpunkt erfolgte, kann dahinstehen, weil dadurch eine Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage nicht eintreten würde (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2007, Zl. 2006/01/0701).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. September 2013

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