VwGH 2010/21/0417

VwGH2010/21/041726.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des O in G, vertreten durch Dr. Helmut Klementschitz, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 28. April 2010, Zl. 153.951/7- III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §11;
NAG 2005 §30 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §11;
NAG 2005 §30 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer, einem ägyptischen Staatsangehörigen, waren beginnend mit 21. Oktober 2004 wiederholt Aufenthaltstitel zum Zweck eines Studiums an der Karl Franzens-Universität in Graz erteilt worden. Am 28. November 2007 beantragte er fristgerecht die Verlängerung der letzten Aufenthaltsbewilligung. Erhebungen an der genannten Universität brachten jedoch zu Tage, dass der Beschwerdeführer keinen Studienerfolg vorweisen konnte. Im Hinblick darauf wurde sein Antrag mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. Mai 2009, bestätigt mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Juli 2010, gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen. Dieser Bescheid ist vor dem Verwaltungsgerichtshof unbekämpft geblieben.

Am 1. Dezember 2007 hatte der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin B. geheiratet und - darauf gestützt - am 29. Jänner 2008 einen weiteren (die Zweckänderung des bestehenden Aufenthaltsrechts anstrebenden) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 NAG gestellt.

Behördliche Erhebungen erbrachten Anhaltspunkte dafür, dass die genannte Ehe nur zum Schein abgeschlossen worden war. B. hatte - nach leugnender Verantwortung bei einer Einvernahme am 20. März 2008 - am 8. Juli 2008 zugestanden, den Beschwerdeführer gegen Entgelt nur zum Schein geehelicht zu haben. Die Ehe sei nie vollzogen worden. Tatsächlich habe sie ständig gemeinsam mit ihrem Freund S., von dem sie ein Kind erwarte, gewohnt. S. bestätigte bei einer niederschriftlichen Einvernahme diesen Umstand und erklärte, dass das Kind, welches B. erwarte, von ihm stamme. In der Folge anerkannte er die Vaterschaft zu dem gemeinsamen, am 10. August 2008 geborenen Sohn.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 13. Mai 2009 wurde B. auf Grundlage des dargestellten Sachverhaltes wegen des Vergehens des Eingehens einer Aufenthaltsehe nach § 117 Abs. 2 FPG bestraft.

Mit dem vorliegend angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. April 2010 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG ab.

Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage aus, die mit der Österreicherin B. am 1. Dezember 2007 geschlossene Ehe sei als Aufenthaltsehe zu beurteilen. Demnach sei gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf Grund des vom Beschwerdeführer gestellten Zweckänderungsantrages zwingend zu versagen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. September 2010, B 775/10-3, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst dagegen, dass seine Eheschließung mit der Österreicherin B. nur zum Schein erfolgt sei. Er macht geltend, B. am 1. Dezember 2007 aus Liebe geheiratet und mehrere Monate lang mit ihr ein Familienleben geführt zu haben. Dazu verweist er auf seine in diesem Sinn erfolgte, von B. am 20. März 2008 bestätigte Aussage und auf die Geburt eines ehelichen Sohnes am 10. August 2008. Bei richtiger Beweiswürdigung wäre daher dem eigenen Standpunkt (einer Liebesheirat) zu folgen gewesen.

Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die behördlichen Tatsachenannahmen infolge unrichtiger Beweiswürdigung ergangen wären. Es ist nämlich kein Grund dafür zu ersehen, weshalb B. - in ausdrücklicher Abweichung von ihrer ursprünglichen Aussage vom 20. März 2008 - unrichtigerweise die Begehung einer Straftat gestehen und deshalb eine (letztlich tatsächlich erfolgte) strafgerichtliche Verurteilung in Kauf nehmen sollte. Zu den eindeutigen Angaben der B., aus denen sich eine nur zum Schein geschlossene Ehe mit dem Beschwerdeführer ergibt, kommen die Ausführungen des Zeugen S., mit B. zusammen gewohnt zu haben und Vater des gemeinsamen, am 10. August 2008 geborenen Kindes zu sein. Der unter Verwertung dieser Beweisergebnisse ergangenen Entscheidung der belangten Behörde liegt somit keine unschlüssige Beweiswürdigung zu Grunde.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, er sei keiner Befragung durch die belangte Behörde unterzogen worden, ist ihm zu entgegnen, dass in Administrativverfahren der gegenständlichen Art kein Recht darauf besteht, unmittelbar von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2009/21/0261, mwN). Im Verwaltungsverfahren war ihm wiederholt rechtliches Gehör eingeräumt worden, das er auch genützt hat.

Soweit die Beschwerde weitere Mängel des Ermittlungsverfahrens releviert, wird nicht dargestellt, welche Tatsachenfeststellungen weitere Erhebungen und Beweisaufnahmen konkret ermöglicht hätten. Es fehlt daher die Darstellung einer Relevanz für den Ausgang des Verfahrens (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2010, Zl. 2009/21/0279, mwN).

Gemäß § 47 Abs. 2 NAG (in der hier noch maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von (u.a.) Österreichern sind, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen "das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt", ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllen. Die zuletzt genannte Bedingung erfasst die im § 11 NAG geregelten allgemeinen Voraussetzungen für Aufenthaltstitel. Der für die Abweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" herangezogene § 11 Abs. 1 Z 4 NAG und der dort genannte § 30 Abs. 1 NAG (in der Stammfassung) lauten samt Überschrift:

"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

...

4. eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

Aufenthaltsehe und Aufenthaltsadoption

§ 30. (1) Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen."

Aus den zitierten Bestimmungen ergibt sich, dass ein Aufenthaltstitel bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe iSd § 30 Abs. 1 NAG zwingend nicht zu erteilen ist. Bei § 11 Abs. 1 Z 4 NAG handelt es sich um einen absoluten Versagungsgrund (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2011, Zl. 2008/21/0537, mwN).

Der belangten Behörde kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie hierauf gestützt den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag abgewiesen hat. Ein Anwendungsfall des § 27 Abs. 2 NAG liegt - entgegen der Beschwerde - nicht vor.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. Jänner 2012

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