VwGH 2010/21/0310

VwGH2010/21/031029.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerden von 1. T, 2. T, 3. N, 4. T und 5. M, alle in L und vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich jeweils vom 1. Juli 2010, Zl. E1/10722/2009, Zl. E1/10724/2009, Zl. E1/10729/2009, Zl. E1/10721/2009, und Zl. E1/10725/2009, jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
AVG §52;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet, die anderen Beschwerdeführer sind deren Kinder. Alle sind vietnamesische Staatsangehörige.

Der Erstbeschwerdeführer reiste bereits am 22. September 2001 illegal nach Österreich ein; die Viertbeschwerdeführerin folgte ihm und kam am 8. Juni 2002 ebenfalls unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich. Hier wurden dann die beiden jüngeren Kinder (Fünft- und Drittbeschwerdeführer) im Oktober 2003 und im November 2006 geboren. Das älteste Kind, der im Oktober 2000 geborene Zweitbeschwerdeführer, kam Mitte Juni 2005 im Alter von etwa viereinhalb Jahren nach Österreich. Alle Beschwerdeführer stellten Asylanträge, die schließlich mit den im Instanzenzug ergangenen, Anfang Februar bzw. Anfang März 2009 erlassenen Bescheiden des Asylgerichtshofes rechtskräftig abgewiesen wurden.

Mit Bescheiden der Bundespolizeidirektion Linz vom 22. Juni 2009 wurden die Beschwerdeführer sodann gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 1. Juli 2010 abgewiesen.

In der Begründung der im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheide gab die belangte Behörde zunächst den erstinstanzlichen Bescheid und die Berufung wieder und zitierte die maßgeblichen Rechtsvorschriften. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte sie dann anknüpfend an die Beendigung der Asylverfahren weiter aus, die Beschwerdeführer hielten sich seit 4./5. Februar bzw. 10. März 2009 rechtswidrig im Bundesgebiet auf, weil ihnen seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Es komme ihnen nach der Aktenlage auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen zu; Derartiges sei von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet worden.

Danach erwähnte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden die von den einzelnen Beschwerdeführern geltend gemachten, für ihren Verbleib sprechenden Umstände, nämlich die jeweilige Aufenthaltsdauer, die Führung eines Familienlebens im gemeinsamen Haushalt, die Unbescholtenheit, die "fast perfekten" und die "guten" Deutschkenntnisse des Erstbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin sowie "sehr gute" Deutschkenntnisse des Zweitbeschwerdeführers und den Erwerb eines "guten deutschen Wortschatzes" durch den Fünftbeschwerdeführer. Weiters erwähnte die belangte Behörde die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers seit 2001, sodass die Beschwerdeführer "dem Staat nicht zur Last fallen". Zum Volksschulsamt Hort- und Kindergartenbesuch der beiden älteren Kinder wurde angemerkt, dass sie sich laut Auskunft der jeweiligen Leiter dort sehr gut integriert hätten. In allen Fällen hielt die belangte Behörde noch fest, dass die Beschwerdeführer "ihr soziales Netz bzw. Freundeskreis" in Österreich hätten und sie ein Unterstützungsschreiben des Vermieters hätten vorweisen können. Außerdem hielten sich die Eltern des Erstbeschwerdeführers und ein Bruder der Viertbeschwerdeführerin in Österreich auf. Daraus folgerte die belangte Behörde jeweils, den Beschwerdeführern sei "eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen" und es werde "in erheblicher Weise" in ihr Privatleben eingegriffen.

Dem sei jedoch gegenüber zu stellen, dass das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration maßgebend dadurch gemindert werde, als der Aufenthalt während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrages, der sich "letztendlich" als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Den Beschwerdeführern sei bewusst gewesen, dass sie ein Privat- und Familienleben während dieses Zeitraums geschaffen hätten, in dem sie einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt hätten. Die Beschwerdeführer hätten nicht von vornherein damit rechnen dürfen, nach einem allfällig negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Asylantrag des Erstbeschwerdeführers mit 18. Jänner 2002, der Viertbeschwerdeführerin mit 18. März 2003, des Fünftbeschwerdeführers mit 26. Mai 2004, des Zweitbeschwerdeführers mit 27. April 2006 und der Drittbeschwerdeführerin mit 15. April 2008 erstinstanzlich negativ entschieden worden sei; dies habe jeweils ein eindeutiges Indiz dafür dargestellt, dass der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführer temporär begrenzt sein werde. Aus diesem Grund relativiere sich auch die "berufliche Integration" des Erstbeschwerdeführers, wobei die "Beschäftigungsgarantie" des "China-Restaurants", bei dem der Beschwerdeführer seit Anfang Juli 2007 als Arbeiter tätig sei, die persönlichen Interessen an einem Verbleib nicht maßgeblich zu verstärken vermöge. Aus demselben Grund relativiere sich die "schulische Integration" des Zweitbeschwerdeführers und die Integration im Kindergarten durch den Fünftbeschwerdeführer. Im Übrigen seien die Beschwerdeführer in den Monaten August/September 2009 bzw. Juli bis September 2009 durch die Grundversorgung des Landes Oberösterreich unterstützt worden, wodurch die Integration ebenfalls als "stark gemindert" anzusehen sei.

Den Beschwerdeführern sei zwar einzuräumen, dass vor dem Hintergrund des § 66 Abs. 2 Z 6 FPG bei der Interessenabwägung die strafrechtliche Unbescholtenheit zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sei; das könne jedoch die persönlichen Interessen im vorliegenden Fall nicht derart verstärken, dass sich ihre Ausweisung als unzulässig erweise. Das gelte auch für die Beziehung zu den Eltern des Erstbeschwerdeführers und zum Bruder der Viertbeschwerdeführerin, weil kein gemeinsamer Haushalt bestehe und die Bindungen während unsicheren Aufenthalts (wieder) aufgebaut worden seien.

Durch die Ausweisung werde nicht in das Familienleben der Beschwerdeführer, sondern nur in ihr Privatleben eingegriffen und es lägen bei einer Gesamtbetrachtung trotz der langen Aufenthaltsdauer und der mittlerweile erlangten Integration (noch) keine derart außergewöhnlichen Umstände vor, dass den Beschwerdeführern ein direkt aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zugestanden werden müsste.

Der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin seien erst im Alter von 20 Jahren in das Bundesgebiet eingereist und sie hätten somit den überwiegenden Teil ihres Lebens im Heimatland verbracht. Dort hätten sie die Grundschule besucht, der Erstbeschwerdeführer danach von 1992 bis 1999 auch eine "allgemeinbildende höhere Schule". In Vietnam befänden sich die Eltern der Viertbeschwerdeführerin und eine Schwester, sodass dort ein "familiäres und soziales Netzwerk" bestehe. Die Kinder befänden sich in einem Lebensalter, in dem ihnen eine Anpassung an neue "Begebenheiten", vor allem vor dem Hintergrund, dass ihr Familienverband aufrecht bleibe, zugemutet werden könne. Den Beschwerdeführern sei daher eine Reintegration zumutbar. Schwierigkeiten bei einem wirtschaftlichen Neubeginn seien im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Anhand von "beigebrachten Unterlagen" sei ersichtlich, dass der Erstbeschwerdeführer an einer schweren tuberkulösen Erkrankung (seit dem Jahr 2006 in Form einer "schweren multiresistenten cavanösen Oberlappentuberkulose beidseits") leide, bei der eine weitere regelmäßige lungenfachärztliche Observanz unbedingt erforderlich sei. Auch beim Fünftbeschwerdeführer sei eine "geschlossene TBC pulmonale" diagnostiziert und therapiert worden; auch für ihn gelte die Notwendigkeit einer regelmäßigen lungenfachärztlichen Kontrolle. Es habe - so die belangte Behörde zu diesem Thema unter Bezugnahme auf im angefochtenen Bescheid zitierte Judikatur des EGMR - jedoch kein Fremder ein Recht, in seinem Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide. Es sei aber im Verwaltungsverfahren gar kein Vorbringen erstattet worden, dass eine bestimmte, für die genannten Beschwerdeführer notwendige medizinische Behandlung nur in Österreich erfolgen könne. Ungeachtet dessen traf die belangte Behörde - unter Heranziehung näher genannter Quellen - noch ergänzend Feststellungen zum Gesundheitssystem in Vietnam, der (zumindest in bestimmten Großstädten gegebenen) Möglichkeit zur Behandlung der meisten Krankheiten sowie zur Verfügbarkeit der gängigen Medikamente als Importprodukte.

Die Beschwerdeführer würden sich nunmehr ca. ein Jahr und vier Monate illegal in Österreich aufhalten. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde aber die öffentliche Ordnung in hohem Maße, weshalb die Ausweisung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das gelte auch dann, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das Ermessen nicht zugunsten der Beschwerdeführer zu üben, insbesondere weil das ihnen vorwerfbare (Fehl-)Verhalten (vor allem die Weigerung seit ca. eineinhalb Jahren, das Bundesgebiet zu verlassen) im Verhältnis zu der geltend gemachten, wie erwähnt erheblich zu relativierenden Integration überwiege. Darüber hinaus könnten weder aus dem Akt noch aus der Berufung besondere Umstände ersehen werden, die eine Ermessensübung zugunsten der Beschwerdeführer begründen würden.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde - wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs gemeinsam - erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass die angefochtenen Bescheide vom Verwaltungsgerichtshof auf Basis der Sach- und Rechtslage bei ihrer Erlassung zu überprüfen sind. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide im Juli 2010 geltende Fassung (vor dem FrÄG 2011).

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In den Beschwerden wird zugestanden, dass die Asylverfahren der Beschwerdeführer rechtskräftig beendet sind. Den Beschwerden sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - bei den Beschwerdeführern vorläge. Dafür bestehen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte. Die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht, ist daher zutreffend.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (siehe unter vielen etwa das Erkenntnis vom 24. November 2011, Zl. 2011/23/0465, mwN).

Unter diesen Gesichtspunkten verweisen die Beschwerdeführer auf die Dauer ihres Aufenthalts in Österreich. Weiters bringen sie vor, das Familienleben "spiele sich ausschließlich in Österreich ab", sie lebten gemeinsam in einer Wohnung in Linz. Zwei der drei Kinder seien in Österreich geboren, das dritte Kind sei "im Kleinkindalter" (mit zwei Jahren) nach Österreich gekommen; sie besuchten österreichische Schulen bzw. den Kindergarten. Es liege daher auch ein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer vor, weil nicht davon gesprochen werden könne, dass die familiäre Situation bei einer Ausweisung nach Vietnam dieselbe wäre wie derzeit in Österreich. Weiters wird in den Beschwerden die seit seiner Einreise fast durchgehende Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers ins Treffen geführt, der derzeit "Alleinversorger" der Familie sei. Die Beschwerdeführer seien vollständig integriert, wobei in diesem Zusammenhang ergänzend auch auf die Deutschkenntnisse verwiesen wird. Bindungen zum Heimatstaat bestünden nach dem langen Aufenthalt in Österreich nicht mehr. Weiters wird die Unbescholtenheit hervorgehoben und ausgeführt, insbesondere aufgrund des lang dauernden Aufenthalts in Österreich seien die Beschwerdeführer niemals davon ausgegangen, dass der Aufenthalt "unsicher" sei. Angesichts dessen könne der Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung dringend geboten sei, nicht gefolgt werden. Der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, das bei illegaler Einreise und unrechtmäßigem Verbleib in Österreich trotz negativem Abschluss des Asylverfahrens vorliege, komme nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein absoluter Charakter zu. Vielmehr sei diesem Interesse das persönliche Interesse an einem Verbleib, das grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunehme, gewichtend gegenüberzustellen und an Hand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt habe, sich sozial und beruflich zu integrieren. Daher habe die belangte Behörde die Interessenabwägung "nicht ordnungsgemäß" durchgeführt.

Letzterem ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Umstände ohnehin ausreichend berücksichtigt und in ihre Interessenabwägung einbezogen hat. Sie hat dem öffentlichen Interesse im vorliegenden Fall auch keinen absoluten Charakter zugebilligt, sondern die integrationsbegründenden Aspekte ebenfalls berücksichtigt und sich auch mit den Auswirkungen der Rückkehr der Beschwerdeführer in ihr Heimatland näher auseinandergesetzt. Diesbezüglich liegt daher entgegen der Beschwerdemeinung kein maßgeblicher Begründungsmangel vor (vgl. demgegenüber zu einem auch die hier belangte Behörde und die Ausweisung einer Familie betreffenden Fall etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2010/21/0404, 0405). Demzufolge fehlt der in der Beschwerde in diesem Zusammenhang auch geltend gemachten Unterlassung der beantragten persönlichen Einvernahme der Beschwerdeführer die Relevanz. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine (mündliche) Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. unter vielen etwa das hg. Erkenntnis vom 30. August 2011, Zl. 2009/21/0204). Demnach begründete es - anders als die Beschwerdeführer meinen - keinen Verfahrensmangel, dass sich die belangte Behörde von ihnen keinen persönlichen Eindruck verschaffte.

Entgegen den in den Beschwerden vertretenen Auffassungen ist aber der belangten Behörde im Ergebnis auch nicht entgegen zu treten, wenn sie die Ausweisung der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK für verhältnismäßig angesehen hat:

Auszugehen ist dabei zunächst von der Situation des Erstbeschwerdeführers, der sich am längsten in Österreich aufhält, und zwar bis zum maßgeblichen Bescheiderlassungszeitpunkt etwa acht Jahre und neun Monate. Auch unter Bedachtnahme auf seine Beschäftigung seit dem Jahr 2001, die Unbescholtenheit und seine (auch durch ein Zertifikat belegten) Deutschkenntnisse liegen in Bezug auf diesen Beschwerdeführer aber nicht so außergewöhnliche Umstände vor, dass ihm ein direkt aus Art. 8 EMRK abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugestanden und deshalb von einer Ausweisung Abstand genommen werden müsste (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation mit einer sogar etwas längeren Aufenthaltsdauer das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2010/21/0085, mit dem Hinweis auf weitere Erkenntnisse, die ähnliche Fälle betreffen). Das gilt umso mehr für die später eingereiste, erst knapp acht Jahre in Österreich aufhältige und nicht erwerbstätige Ehefrau des Erstbeschwerdeführers, die Viertbeschwerdeführerin.

Diesen Beschwerdeführern hielt die belangte Behörde auch zutreffend entgegen, dass der jeweils durch eine illegale Einreise erlangte und nur vorläufig berechtigte Aufenthalt lediglich auf unbegründete Asylanträge zurückzuführen und seit Beendigung der Asylverfahrens (bis zum Bescheiderlassungszeitpunkt) bereits mehr als ein Jahr lang unrechtmäßig war. Die belangte Behörde ist daher insoweit im Recht, als sie in diesem Verhalten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (siehe etwa das schon genannte Erkenntnis vom 24. November 2011, Zl. 2011/23/0465, mwH). Die belangte Behörde hat überdies zu Recht darauf verwiesen, dass die genannten Beschwerdeführer spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung ihrer Asylanträge im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung ihrer Anträge im Sinne des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG von einem nicht gesicherten Aufenthaltsstatus ausgehen mussten. Auch wenn die Integration - wie hier - nur während eines einzigen, ohne schuldhafte Verzögerung durch die Beschwerdeführer lange dauernden Asylverfahrens erfolgte, war dieser Umstand einzubeziehen und eine gewisse Relativierung in ihrem Gewicht vorzunehmen (siehe dazu des Näheren auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/21/0233).

Davon ausgehend könnte sich eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung der Beschwerdeführer nur aus den persönlichen Interessen der Kinder an einem Verbleib in Österreich ergeben. Was den im Oktober 2000 geborenen Zweitbeschwerdeführer anlangt, ist aber bedeutsam, dass dieser - wie die belangte Behörde im Einklang mit der Aktenlage feststellte - erst im Juni 2005 nach Österreich kam und sich somit hier (gerechnet bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) erst etwa fünf Jahre aufhält. Die den Beschwerden zugrundeliegende Annahme, der Zweitbeschwerdeführer sei gemeinsam mit seiner Mutter bereits Mitte 2002 eingereist, hat keine Grundlage, weshalb der darauf aufbauenden Argumentation von vornherein der Boden entzogen ist. Bei einer Einreise im fünften Lebensjahr ist aber die Auffassung der belangten Behörde, dass auch dem Zweitbeschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Vietnam im Rahmen des Familienverbandes eine Anpassung an die neuen Gegebenheiten zugemutet werden könne, vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstanden. Das gilt ebenso hinsichtlich der beiden in Österreich geborenen Kinder, die bei Bescheiderlassung erst sechs und drei Jahre alt waren (siehe dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2011, Zlen. 2009/21/0115, 0116, mwN, und daran anschließend etwa das Erkenntnis vom 30. August 2011, Zl. 2009/21/0015; vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. März 2011, B 1565/10, in dem unter Bezugnahme auf Judikatur des EGMR ebenfalls auf das Vorliegen eines "anpassungsfähigen Alters" abgestellt wird). Zu dieser Einschätzung durfte die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdemeinung - auch ohne Einholung eines kinder- und jugendpsychologischen Gutachtens kommen.

In den Beschwerde wird aber vor allem - sowohl mit Blick auf Art. 3 EMRK und als auch auf Art. 8 EMRK - noch geltend gemacht, dass der Erstbeschwerdeführer und zwei der Kinder (die Drittbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer) auf näher dargestellte Weise an Tuberkulose erkrankt seien; diese stünden unter ständiger ärztlicher Kontrolle. Sie bekämpfen die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen der belangten Behörde zur Verfügbarkeit der notwendigen Medikamente in Vietnam und machen diesbezüglich auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Jene Medikamente, gegen die diese Beschwerdeführer (noch) nicht resistent seien, wären in Vietnam nicht erhältlich. Zu dieser Frage hätte von Amts wegen ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen.

Soweit damit eine Verletzung von Art. 3 EMRK releviert wird, ist den Beschwerdeführern zu entgegnen, dass diese Frage im Rahmen des Ausweisungsverfahrens nicht zu prüfen ist; der Notwendigkeit der Behandlung einer Erkrankung (nur) in Österreich könnte lediglich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK im Sinne einer hiedurch bewirkten Verstärkung des Interesses an einem Verbleib im Bundesgebiet Bedeutung zukommen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 29. April 2010, Zlen. 2009/21/0055 bis 0057, mwN). Die belangte Behörde hat aber in diesem Zusammenhang zu Recht auf die - vom Verwaltungsgerichtshof übernommene - Rechtsprechung des EGMR verwiesen, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in seinem aktuellen Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, fällt nicht entscheidend ins Gewicht, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat gibt (vgl. etwa das zuletzt genannte Erkenntnis vom 29. April 2010, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich auch schon ausgesprochen, dass es dem Fremden obliegt, substanziiert darzulegen, auf Grund welcher Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könne. Denn nur dann wäre ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse iSd Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (vgl. das Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0282, mwN).

Diesem Erfordernis hat der Erstbeschwerdeführer aber im Verwaltungsverfahren nicht entsprochen. Er übermittelte nämlich erst im Berufungsverfahren im Rahmen der Vorlage mehrerer Urkunden unter anderem auch die in den Beschwerden angesprochene Befundabschrift des Gesundheitsamtes, Abteilung Tuberkulosefürsorge, vom 23. Juli 2009. Diese Urkundenvorlage war lediglich mit dem Ersuchen verbunden, die Unterlagen der Entscheidung zugrunde zu legen; weitere Darlegungen oder Erläuterungen enthält der Schriftsatz nicht. Die zusammenfassenden Ausführungen zum Erkrankungsbild des Erstbeschwerdeführers und des Fünftbeschwerdeführers in dem genannten Befundbericht wurden aber ohnehin von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid übernommen und diesem zugrunde gelegt. Auf die Frage, welche Medikamente diese Beschwerdeführer benötigten und ob sie in Vietnam erhältlich seien, wird in dem Befundbericht nicht eingegangen. Vielmehr ergibt sich daraus, dass sowohl beim Erstbeschwerdeführer als auch beim Fünftbeschwerdeführer - eine Erkrankung auch der Drittbeschwerdeführerin wird erstmals in der Beschwerde vorgetragen - die Therapie (durch Medikation) im Mai 2008 bzw. im Juli 2007 abgeschlossen worden sei und danach nur regelmäßige lungenfachärztliche Kontrollen erforderlich gewesen seien. Soweit in den Beschwerden zur Stützung ihrer Ausführungen auch noch auf ein beigelegtes Attest eines Lungenfacharztes rekurriert wird, ist daraus schon deshalb nichts zu gewinnen, weil es vom 5. August 2010 datiert und somit erst nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides erstellt wurde. Dessen Verwertung widerspräche ebenso dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot wie die Bedachtnahme auf weitere erstmals mit der Beschwerde vorgelegte Urkunden.

Die belangte Behörde konnte somit in ihrer (tragenden) Begründung zu Recht davon ausgehen, dass von den Beschwerdeführern in Bezug auf die Tuberkuloseerkrankungen einzelner Familienmitglieder, die weder in den im erstinstanzlichen Verfahren eingebrachten Stellungnahmen noch in den Berufungen überhaupt erwähnt worden waren, kein ausreichendes, weitere Ermittlungen erforderlich machendes Vorbringen zur Notwendigkeit einer bestimmten, nur in Österreich und nicht in Vietnam verfügbaren Behandlung erstattet worden sei. Auf die dazu im angefochtenen Bescheid ergänzend getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde allerdings nur mit einer nicht weiter begründeten Gegenbehauptung entgegen getreten wird (siehe insoweit ähnlich der dem schon genannten Erkenntnis vom 29. April 2010, Zlen. 2009/21/0055 bis 0057, zugrundeliegende Fall), kommt es somit nicht an; die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen gehen daher ins Leere.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die belangte Behörde mängelfrei zu dem Ergebnis kam, die Ausweisung der Beschwerdeführer, die - entgegen der Beschwerdemeinung - nur einen Eingriff in ihr Privatleben und nicht auch in ihr Familienleben iSd Art8 EMRK bewirkt (vgl. auch dazu beispielsweise das schon wiederholt genannte Erkenntnis vom 29. April 2010, Zlen. 2009/21/0055 bis 0057), sei unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG nicht unverhältnismäßig. Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Vietnam, wo sich allerdings nach den insoweit unbekämpften Feststellungen im angefochtenen Bescheid noch weitere Familienangehörige der Beschwerdeführer befinden, sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen.

In den Beschwerden werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. Februar 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte