Normen
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2011:2010210177.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist kosovarischer Staatsangehöriger. Am 14. September 2007 heiratete er in Prishtina die österreichische Staatsbürgerin C.
Unter Berufung auf diese Ehe beantragte der Beschwerdeführer im Mai 2008 zwecks Nachzugs zu C. die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger". Dieser Antrag wurde im Hinblick auf ein bestehendes deutsches Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
Im Juni 2009 brachte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Ausstellung des erwähnten Aufenthaltstitels ein. Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 15. April 2010 wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) auch diesen Antrag ab, wobei sie sich nunmehr auf § 11 Abs. 1 Z 4 iVm § 30 Abs. 1 NAG stützte. Es stehe "aufgrund der gesamten Aktenlage und der widersprüchlichen Angaben bei den niederschriftlichen Einvernahmen" - so die belangte Behörde zusammenfassend, wobei sie sich erkennbar auf die Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau C. bezog - zweifelsfrei fest, dass der Beschwerdeführer seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nur zu dem Zweck geschlossen habe, "um aufenthaltsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen". Somit sei er zwecks Erlangung einer "Niederlassungsbewilligung" eine Aufenthaltsehe eingegangen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß dem herangezogenen absoluten Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 Z 4 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt.
Gemäß § 30 Abs. 1 NAG dürfen sich Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.
Klarstellend ist dazu zunächst vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles zu betonen, dass das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts bzw. eines gemeinsamen Wohnsitzes zwischen Ehegatten nicht per se zu der Annahme führen kann, es fehle das in § 30 Abs. 1 NAG angesprochene gemeinsame Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK. Das ergibt sich in einem Fall wie dem vorliegenden schon daraus, dass der die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit seinem Ehegatten beantragende Fremde in Österreich regelmäßig noch keinen Wohnsitz begründet hat, bedarf es doch gerade dazu des angestrebten Titels. Entscheidend ist vielmehr die Absicht des Fremden, wie der angestrebte Titel zu nutzen sei (vgl. das noch zum Fremdengesetz 1997 ergangene, aber auch für die hier zu beurteilende Rechtslage nach dem NAG heranziehbare hg. Erkenntnis vom 24. November 2000, Zl. 2000/19/0126).
Sollte im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer die Ehe mit C. - wie von der belangten Behörde angenommen - aber nur zu dem Zweck geschlossen haben, "um aufenthaltsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen", so wäre der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG und damit der absolute Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 Z 4 NAG freilich zweifellos erfüllt.
Der Beschwerdeführer war bereits im erstinstanzlichen Verfahren damit konfrontiert worden, dass eine Aufenthaltsehe im eben dargestellten Sinn vorliege. In einer daraufhin eingebrachten Stellungnahme bestritt er diesen Vorwurf, wobei er u.a. darauf hinwies, dass er "in der Vergangenheit auf Grund der Niederlassungs- und Einreisebestimmungen immer wieder nur wenige Wochen gemeinsam" mit seiner Ehefrau C. habe verbringen können. Er trete jedoch regelmäßig über Mobiltelefon mit seiner - in Bischofshofen wohnhaften - Ehefrau in Verbindung. Zu den regelmäßigen Kontakten über Telefon per Gespräch und SMS komme hinzu, dass er mit seiner Ehefrau seit geraumer Zeit über Internet per Kamera kommuniziere, wobei seine Ehefrau aber zu ihrer Freundin B. gehen müsse, da sie selbst keine entsprechende technische Ausrüstung besitze. Dies könne B., die den Beschwerdeführer gemeinsam mit C. auch einige Male im Kosovo besucht habe, ebenso bestätigen wie den Umstand, dass es sich bei der Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und C. um eine "Liebesehe" handle. Sie werde daher als Zeugin namhaft gemacht.
Gegen das Vorliegen einer "Scheinehe" - so wurde in der erwähnten Stellungnahme weiter ausgeführt - spreche auch der Umstand, dass C. für den Beschwerdeführer über EUR 4.000,-- bezahlt habe, um das seinerzeit in Deutschland bestehende Aufenthaltsverbot "löschen" zu lassen. Dieser Betrag sei C. von ihrer Mutter S. zur Verfügung gestellt worden, die zum Beweis dieses Umstands gleichfalls als Zeugin geführt werde.
Die erstinstanzliche Behörde ist über diese Beweisanträge hinweggegangen, gelangte in ihrem dann erlassenen Bescheid aber nichtsdestotrotz zu dem Ergebnis, es liege eine Aufenthaltsehe vor. In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid rügte der Beschwerdeführer die Nichtbeiziehung der von ihm namhaft gemachten Zeuginnen. Dessen ungeachtet unterblieb deren Einvernahme auch im Berufungsverfahren, ohne dass dies im bekämpften Bescheid näher begründet worden wäre. Von daher ist der bekämpfte Bescheid aber, wie in der Beschwerde zutreffend geltend gemacht wird, mit einem Verfahrensfehler belastet.
Beweisanträge dürfen nämlich nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2008/21/0648). Warum eine derartige Fallgestaltung gegenständlich vorliegen soll, insbesondere warum die beantragten Zeugeneinvernahmen abstrakt ungeeignet seien, ein relevantes Ergebnis zu erbringen, ist (bezüglich der Zeugin S. mit der nachfolgend dargestellten Einschränkung) nicht von vornherein einsichtig.
Die behaupteten regelmäßigen Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau C. über das Internet einerseits und die behaupteten Besuche des Beschwerdeführers durch C. im Kosovo andererseits, wozu B. als Zeugin namhaft gemacht wurde, würden nämlich nicht unmaßgeblich für eine "echte Ehe" sprechen.
Was das Beweisthema, zu dem die Schwiegermutter des Beschwerdeführers S. geführt wurde, anlangt, so trifft das zunächst nicht im selben Maße zu, weil eine Zahlung seitens der Familie der C. zu Gunsten des Beschwerdeführers nur gegen die Annahme spricht, C. habe ihrerseits die Ehe mit dem Beschwerdeführer rechtsmissbräuchlich geschlossen. Auf deren Absichten kommt es aber (siehe sinngemäß das zu § 87 Fremdenpolizeigesetz 2005 ergangene hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0391) nicht an. Freilich hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung auch damit argumentiert, C. habe bereits einmal eine "Scheinehe" abgeschlossen. Soweit die belangte Behörde daraus fallbezogen (auch) eine Missbrauchsabsicht der C. ableiten sollte, müsste allerdings der Umstand einer Zahlung für den Beschwerdeführer aus ihrem Familienkreis in die anzustellenden Überlegungen miteinbezogen werden.
Nach dem Gesagten stellt es aber jedenfalls einen Verfahrensmangel dar, dass die Einvernahme der als Zeugin geführten B. unterblieben ist. Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 20. Oktober 2011
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