VwGH 2010/18/0315

VwGH2010/18/031515.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des RSB, geboren 1983, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Juli 2010, Zl. E1/251.690/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs3;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Juli 2010 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 15. März 2002 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei; mit Bescheid vom 16. März 2002 sei gegen ihn ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit erlassen worden. Wenig später habe er unter falscher Identität einen Asylantrag gestellt, der am 23. März 2010 in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen worden sei.

Am 6. Juli 2007 habe sich der Beschwerdeführer unter seiner wahren Identität einen Reisepass ausstellen lassen und wenig später eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Da er über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfüge, seien die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Zu Ungunsten des Beschwerdeführers trete hinzu, dass dieser mit Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 17. Mai 2006 wegen des Gebrauchs fremder Ausweise zu einer bedingten Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden sei. Weiters seien mehrere Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretungen des Führerscheingesetzes aktenkundig.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet, Sorgepflichten oder sonstige familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestünden nicht. Angesichts aller Umstände sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen; dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße jedoch gravierend, wer - wie der Beschwerdeführer - illegal in das Bundesgebiet gelange, hier unter falscher Identität einen Asylantrag stelle, dadurch ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht erwirke und auch nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht mehr verlasse. Was die privaten Interessen des Beschwerdeführers anlange, so sei festzustellen, dass er seine familiären Bindungen zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, als er mit einem ständigen Weiterverbleib im Bundesgebiet nicht rechnen habe dürfen.

Der Beschwerdeführer habe auch keinen Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt; trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die Erstbehörde habe er nicht dargelegt, aus welchen Quellen er seinen Lebensunterhalt finanziere. Seine Ehefrau beziehe seit Jahren Arbeitslosengeld. Unter den gegebenen Umständen sei eine schwer wiegende Integration des Beschwerdeführers nicht festzustellen gewesen. Dass und allenfalls aus welchen Gründen ihm ein Verlassen des Bundesgebietes bzw. eine Rückkehr in seine Heimat nicht möglich sein solle, sei nicht aktenkundig. Dies sei auch nicht anzunehmen; beim Beschwerdeführer handle es sich um einen erwachsenen, offenbar gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter, weshalb nicht einzusehen sei, dass er sich in seiner Heimat nicht reintegrieren könne. Zumindest werde ihm eine Heimreise zumutbar sein, um dort den Ausgang eines allfälligen Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels abzuwarten. Die damit einhergehende Einschränkung, nämlich den Kontakt zu seiner Ehefrau vom Ausland aus wahrzunehmen, werde er im öffentlichen Interesse zu tragen haben. Insgesamt erwiesen sich die privaten Interessen des Beschwerdeführers keinesfalls als derart gravierend, dass demgegenüber das durch das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigte maßgebliche öffentliche Interesse in den Hintergrund zu treten habe. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich sohin auch im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer am 15. März 2002 illegal in Österreich eingereist ist, unter falscher Identität einen Asylantrag gestellt hat, der am 23. März 2010 zweitinstanzlich rechtskräftig abgewiesen worden ist, und er über keinen Aufenthaltstitel verfügt. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Die Ausführungen in der Beschwerde zu den Beschwerdegründen beschränken sich auf das Vorbringen, die Bindungen des Beschwerdeführers zum österreichischen Bundesgebiet sowie die Tatsache, dass seine Frau österreichische Staatsbürgerin sei, die sich in Ausbildung zur Krankenpflegerin befinde, wobei sie einer 40-Stunden-Verpflichtung wöchentlich nachzukommen habe, seien nicht entsprechend berücksichtigt worden. Weiters sei nicht berücksichtigt worden, dass ein Verfahren "zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (Bleiberecht)" bei der "MA 35" (gemeint wohl: dem Landeshauptmann von Wien) anhängig sei und nicht davon ausgegangen werden könne, dass dieses Verfahren negativ beschieden werde. Eine Ausweisung erscheine daher derzeit nicht gerechtfertigt und auch nicht geboten, weil die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen bei weitem überwögen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und der Tatsache, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Zu Recht hat sie jedoch darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer - was unbestritten blieb - unter falscher Identität einen Asylantrag gestellt hat, der als unbegründet abgewiesen wurde, und ihm eine Integration in den heimischen Arbeitsmarkt nicht gelungen ist.

Den somit relativierten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gegenüber. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt gravierend beeinträchtigt. Weiters ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer das mit Bescheid vom 16. März 2002 gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot nicht befolgt und das Bundesgebiet nicht verlassen hat. Auch die Verurteilung des Beschwerdeführers vom 17. Mai 2006 wegen des Gebrauchs fremder Ausweise und mehrere Bestrafungen wegen Übertretungen des Führerscheingesetzes blieben unbestritten.

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen begegnet somit die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung der Ausweisung auch unter Bedachtnahme auf die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinem Einwand.

3. Soweit die Beschwerde auf ein anhängiges Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (Bleiberecht) hinweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass ein Antrag gemäß § 43 Abs. 2 oder § 44 Abs. 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründet (vgl. § 44b Abs. 3 NAG) und an der Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes und damit der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG nichts ändert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 2009, Zl. 2009/18/0378, mwN). Gleiches gilt für einen Erstantrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 15. September 2010

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