VwGH 2010/17/0100

VwGH2010/17/01001.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der FFI GmbH in I, vertreten durch Dr. Hermann Graus, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 8, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. April 2010, Zl. I-Präs-00449e/2007, betreffend Erschließungsbeitrag, zu Recht erkannt:

Normen

VerkehrsaufschließungsabgabenG Tir 1998 §11 Abs3;
VerkehrsaufschließungsabgabenG Tir 1998 §11 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Februar 2007 schrieb der Stadtmagistrat Innsbruck

der beschwerdeführenden Partei für das bereits begonnene Bauvorhaben der Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses sowie eines offenen Parkdecks

auf einer näher bezeichneten Liegenschaft gemäß §§ 7 bis 12 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz (in der Folge: TVAAG) und der Verordnung der Landesregierung vom 13. November 2001 über die Festsetzung des Erschließungsfaktors unter Zugrundelegung einer anrechenbaren Baumasse von 41.854,00 m3 einen Erschließungsbeitrag in der Höhe von EUR 186.109,10 vor (darin inbegriffen ein Bauplatzanteil in der Höhe von EUR 16.767,78 für einen Bauplatz von 1.934 m2).

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung und führte unter anderem aus, dass sie hinsichtlich des Baumassenanteils (lediglich) die Vorschreibung eines Betrages von EUR 163.384,48 anerkenne.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 26. Juni 2007 wies der Stadtmagistrat Innsbruck die Berufung der beschwerdeführenden Partei als unbegründet ab und hielt unter anderem fest, dass für die gegenständliche Abgabenberechnung von einer Neubaumasse von 50.534,20 m3 auszugehen und hievon eine Abbruchmasse von 8.680,37 m3 in Abzug zu bringen sei.

Die beschwerdeführende Partei beantragte die Vorlage der Berufung an die belangte Behörde.

Mit Schreiben vom 23. Juni 2008 teilte die beschwerdeführende Partei mit, dass sie die Berufung (nach Anerkennung und Bezahlung eines Betrages von EUR 163.384,48) hinsichtlich eines (weiteren) Teilbetrages von EUR 2.956,81 (weil sie nunmehr von einer sich ergebenden Kubatur ausging, die um rund 730 m3 mehr betrug, als die Beschwerdeführerin ursprünglich ihrer Berechnung zu Grunde gelegt hatte) zurückziehe.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 übermittelte die Magistratsabteilung III (Bau- und Feuerpolizei) der belangten Behörde eine Überprüfung der Baumassenberechnung. Bei der Überprüfung sei festgestellt worden, dass fälschlicherweise das Atrium zur Baumasse hinzugerechnet worden sei, obwohl dieses nach oben offen beziehungsweise nicht überdacht sei. Aus § 2 Abs. 3 und 4 TVAAG ergebe sich, dass das nicht überdeckte Atrium keine Baumasse im Sinn von § 2 Abs. 4 TVAAG bilde. Daher sei die Baumassenberechnung in diesem Umfang zu reduzieren gewesen.

Dieses Schreiben sowie weitere Unterlagen, die der Berechnung der Baumasse zugrundegelegt worden waren, übermittelte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 17. Dezember 2009. Darin verwies die belangte Behörde darauf, dass die Berechnung der korrigierten Baumasse von 50.359 m3 auf der Annahme beruhe, dass - neben der Atriumsfläche (Reduktion der Baumasse auf 453,25 m3) - auch der Aufzugsschacht (300,24 m3) und die Installationsschächte (158,52 m3) nicht in Ansatz zu bringen seien.

Die beschwerdeführende Partei teilte mit Schreiben vom 28. Jänner 2010 mit, dass gegen die Anrechnung der korrigierten Baumasse von 50.359,76 m3 kein Einwand bestehe und die übrigen in der Berufung ausgeführten Einwendungen aufrecht blieben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei teilweise statt und änderte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe ab, dass unter Zugrundelegung einer abgabepflichtigen Baumasse von 50.359,76 m3 ein Erschließungsbeitrag in der Höhe von EUR 214.159,60 (darin inbegriffen ein Bauplatzanteil in der Höhe von EUR 10.404,-- für einen Bauplatz von 1.200 m2) vorgeschrieben werde.

Die belangte Behörde führte aus, dass sie sich inhaltlich mit Ausnahme der Bauplatzberechnung (die spruchgemäß korrigiert worden sei) im gegenständlichen Fall der Begründung der Berufungsvorentscheidung anschließe.

Im Zuge der zeugenschaftlichen Einvernahme von S. habe dieser im Beisein des Rechtsvertreters der beschwerdeführenden Partei angegeben, dass die Kubatur mit 50.813,01 m3, davon Garage 21.612,49 m3 und davon Altbau 8.680,37 m3, auf Grundlage des Baubescheides vom 13. Juni 2005 berechnet worden sei. Die im Zuge dieser Einvernahme vorgelegten Unterlagen seien seitens der Magistratsabteilung III erneut geprüft worden. An der seinerzeitigen Berechnung, die eine Höhe der Baumasse von 50.534,20 m3 ergeben habe, sei festgehalten worden. Neuerlich vorgelegte Unterlagen zu diesem Problemkomplex hätten wegen eines Fehlers im Rechenansatz bei der Ermittlung der Kubatur für das Atrium (als Grundlage sei eine Fläche von 144,10 m2 anstelle der 129,50 m2 herangezogen worden, die sich aus den mit Bescheid vom 13. Juni 2005 bewilligten Plänen ergäben) auf 453,25 m3 reduziert werden müssen, weshalb sich eine "korrigierte Baumasse gesamt" von 50.359,76 m3 ergebe.

Mit Schriftsatz vom 28. Jänner 2010 habe die beschwerdeführende Partei mitgeteilt, dass gegen die Anrechnung einer korrigierten Baumasse von 50.359,76 m3 kein Einwand bestünde.

Sohin habe die ermittelnde Behörde von einer Baumasse in der Höhe von 50.359,76 m3 als Grundlage für ihre Berechnungen - gegen die seitens der Verpflichteten kein Einwand bestehe - ausgehen können.

Zum Vorwurf der Vorschreibung von Gebühren für Raumhöhen über 3,5 m sei festzuhalten, dass die seitens der A. angestellten Berechnungen der Ermittlung des umbauten Raumes laut ÖNORM B 1800 gedient hätten und nicht der Berechnung der Baumasse des TVAAG, welche als Grundlage für die Berechnung und Vorschreibung des Erschließungskostenbeitrages heranzuziehen sei. Der Unterschied bei den angeführten Berechnungsmethoden liege darin, dass bei der Berechnung nach der ÖNORM die tatsächliche Geschosshöhe und somit im vorliegenden Fall 5,3 m herangezogen werden würden und bei der Berechnung nach dem TVAAG der das Maß von 3,5 m übersteigende Teil der Berechnungen nicht mehr herangezogen beziehungsweise berücksichtigt werde. Somit liege der seitens der beschwerdeführenden Partei behauptete Zahlensturz nicht vor, sondern es handle sich um zwei verschiedene Berechnungsmethoden, wobei im Beschwerdefall nach dem TVAAG vorzugehen sei. Die sich daraus ergebende unterschiedliche Ermittlung der Kubatur/Baumasse sei jedoch nunmehr mit Schriftsatz vom 28. Februar 2010, in dem die Baumasse seitens der beschwerdeführenden Partei anerkannt worden sei, geklärt.

Die belangte Behörde teile zudem die Ansicht, es sei seitens der Abgabenbehörde erster Instanz nicht berücksichtigt worden, dass hinsichtlich des Grundstückes Nr. 676/13 eine Teilfläche von 734 m2 zugeschrieben worden sei. Daher sei bei der Vorschreibung der Erschließungskosten der Bauplatzanteil entsprechend reduziert worden.

Es sei daher der erstinstanzliche Bescheid unter Berücksichtigung des Anerkenntnisses in der Höhe von EUR 2.956,81 laut Schriftsatz vom 23. Juni 2008 sowie einer korrigierten Baumasse von 50.359,76 m3 spruchgemäß zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 11. Dezember 1997 über die Erhebung von Ausgleichsabgaben sowie von Erschließungs- und Gehsteigbeiträgen (Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz - in der Folge: TVAAG), LGBl. Nr. 22/1998, lauten:

"§ 2

Begriffsbestimmungen

...

(4) Baumasse ist der durch ein Gebäude umbaute Raum. Die Baumasse ist geschoßweise zu ermitteln, wobei bei Räumen mit einer lichten Höhe von mehr als 3,50 m der diese Höhe übersteigende Teil außer Betracht bleibt. Der umbaute Raum ist jener Raum, der durch das Fußbodenniveau des untersten Geschoßes und durch die Außenhaut des Gebäudes oder, soweit eine Umschließung nicht besteht, durch die gedachte lotrechte Fläche in der Flucht der anschließenden Außenhaut begrenzt wird.

...

§ 9

Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe

(1) Der Erschließungsbeitrag ist die Summe aus dem Bauplatzanteil (Abs. 2) und dem Baumassenanteil (Abs. 3).

...

(3) Der Baumassenanteil ist

a) im Falle des Neubaus eines Gebäudes das Produkt aus der Baumasse des Gebäudes,

b) im Falle der Änderung eines Gebäudes, durch die seine Baumasse vergrößert wird, das Produkt aus der zusätzlich geschaffenen Baumasse, jeweils in Kubikmetern und 70 v. H. des Erschließungsbeitragssatzes.

...

§ 11

Bemessungsgrundlage bei Änderungen des Baubestandes

(1) Wird auf einem Bauplatz, für den bereits ein Erschließungsbeitrag nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften unter Zugrundelegung der Gesamtfläche des Bauplatzes entrichtet wurde, ein Neubau errichtet oder ein Gebäude so geändert, dass seine Baumasse vergrößert wird, so ist nur ein dem Baumassenanteil entsprechender Erschließungsbeitrag zu entrichten.

...

(3) Wird im Falle des Abbruchs oder der sonstigen Zerstörung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles, dessen Baumasse bereits Grundlage für die Vorschreibung eines Erschließungsbeitrages nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften war, dieses (dieser) wieder aufgebaut oder auf demselben Bauplatz sonst ein Neubau errichtet oder ein Gebäude so geändert, dass seine Baumasse vergrößert wird, so ist der Baumassenanteil von der um die Baumasse des zerstörten Gebäudes oder Gebäudeteiles verminderten Baumasse zu ermitteln."

Die beschwerdeführende Partei wendet sich gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass die belangte Behörde (im Gegensatz zur Abgabenbehörde erster Instanz) rechtswidriger Weise den Abbruchbestand von 8.680,37 m3 nicht von der korrigierten Baumasse von 50.359,76 m3 abgezogen habe.

Die belangte Behörde bringt dazu in ihrer Gegenschrift vor, dass die Beschwerdeführerin selbst in ihrem Schreiben vom 28. Jänner 2010 die korrigierte Baumasse in der Höhe von 50.359,76 m3 anerkannt habe.

Dieser Einwand verfängt nicht.

Gemäß § 11 Abs. 3 TVAAG ist der Baumassenanteil von der um die Baumasse des zerstörten Gebäudes oder Gebäudeteiles verminderten Baumasse zu ermitteln. Somit war der Abbruchbestand jedenfalls in Abzug zu bringen.

Abgesehen davon, dass die Frage, ob eine Reduktion der Baumasse für einen Altbestand, der bereits die Grundlage für eine Vorschreibung war, nach § 11 Abs. 3 TVAAG stattzufinden hat, eine Rechtsfrage ist, und selbst das Außerstreitstellen einer bestimmten Summe der Baumasse im Falle einer diesbezüglichen Fehlvorstellung, ob die von der Behörde genannte Summe bereits unter Abzug des Altbestandes ermittelt wurde oder nicht, die Behörde nicht berechtigen würde, entgegen den objektiven Gegebenheiten und unter Missachtung der Rechtslage und des aktenkundigen Sachverhalts von einem von der Partei außer Streit gestellten Ergebnis der Subsumtion des aktenkundigen Sachverhalts unter die Rechtsnorm auszugehen, war aufgrund des Verlaufs des gesamten Verwaltungsverfahrens auch nicht davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei in ihrem Schreiben vom 28. Jänner 2010 die Rechtsansicht zum Ausdruck bringen habe wollen, der Altbestand wäre nicht zu berücksichtigen. Dass der Abbruchbestand abzuziehen ist, wurde im gesamten Verwaltungsverfahren als selbstverständlich vorausgesetzt und ergibt sich auch eindeutig aus § 11 Abs. 3 TVAAG. Fraglich war im Verwaltungsverfahren nur die Ermittlung jener Baumasse, von der der Abbruchbestand in Abzug zu bringen war. Lediglich bezüglich der Höhe dieser Baumasse, die jedenfalls um den Altbestand zu vermindern war, wurde im Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom 28. Jänner 2010 kein Einwand erhoben.

Im Lichte dieser Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid somit als rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 1. September 2010

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