VwGH 2010/16/0213

VwGH2010/16/021327.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der Lgesellschaft m.b.H. in P, vertreten durch Dr. Andreas Gloyer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Honauerstraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 14. Juli 2010, GZ. ZRV/0057-Z2L/09, betreffend Eingangsabgaben und "Nebengebühren", zu Recht erkannt:

Normen

31992R2913 ZK 1992 Art203 Abs3;
31992R2913 ZK 1992 Art203;
31992R2913 ZK 1992 Art82 Abs2;
31992R2913 ZK 1992 Art82;
31992R2913 ZK 1992 Art88;
AmtssitzAbk IAEO 1958 Abschn38 idF 1971/413;
AmtssitzAbk IAEO 1958 Abschn38 litj sublitiii idF 1971/413;
BAO §278 Abs1;
BAO §76 Abs1 litc;
31992R2913 ZK 1992 Art203 Abs3;
31992R2913 ZK 1992 Art203;
31992R2913 ZK 1992 Art82 Abs2;
31992R2913 ZK 1992 Art82;
31992R2913 ZK 1992 Art88;
AmtssitzAbk IAEO 1958 Abschn38 idF 1971/413;
AmtssitzAbk IAEO 1958 Abschn38 litj sublitiii idF 1971/413;
BAO §278 Abs1;
BAO §76 Abs1 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft m.b.H.

(Beschwerdeführerin) führte u.a. Fleisch aus Drittländern ein und zählte zu ihren Kunden u.a. die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) mit dem von dieser betriebenen sogenannten "Commissary" in Wien.

Mit Zollanmeldung vom 2. Februar 2006 meldete die Beschwerdeführerin für das "Vienna International Center Commissary" in Wien als Empfänger 293 Karton Rindfleisch frisch mit dem Ursprung in Brasilien, welches im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren von einer GesmbH in Hamburg, Deutschland, als Versender befördert worden war, beim (damaligen) Zollamt Linz zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an und beantragte die "Abfertigung gem. dem Abkommen der IAEO gem. Zusatzabkommen v. 1.3.72 zu Abschnitt 38 LIT Nr. 82/1958 i. d. Fassung 413/1971". Im Feld 44 "besondere Vermerke/vorgelegte Unterlagen/Bescheinigungen und Genehmigungen" des dazu verwendeten Vordruckes (Einheitspapier) wurde angeführt "Deklarationnummer:

2005-0308 v. 7.9.05, 2005-0210 v. 17.6.05, 2005-0230 v. 28.6.05 und 2005-0398 v. 10.11.05".

Im Gefolge einer Prüfung teilte das Zollamt Linz Wels der Beschwerdeführerin mit am 2. Februar 2009 zugestellten Bescheid vom selben Tag mit, dass die am 2. Februar 2006 unter WE-Nummer ... eingangsabgabenfrei zum freien Verkehr abgefertigten Waren, nämlich Rindfleisch, frisch, Warennummer 9940900000, der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien und dadurch für die Beschwerdeführerin gemäß Art. 203 Abs. 1 Zollkodex (ZK) iVm § 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) für diese Waren die Eingangsabgabenschuld in näher angeführter aufgeschlüsselter Höhe von insgesamt 21.058,48 EUR entstanden sei. Als Folge der Entstehung dieser Eingangsabgabenschuld sei gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung in Höhe von 3.733,66 EUR zu entrichten. Die angeführten Eingangsabgaben und die Abgabenerhöhung seien buchmäßig erfasst worden, was gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt werde.

Zur Begründung führte das Zollamt an, die am 2. Februar 2006 erfolgte eingangsabgabenfreie Abfertigung von 293 Karton Rindfleisch zum freien Verkehr sei mit der Erfüllung der Verwendungsauflage - Lieferung an den Begünstigten und Verkauf in einem Commissary - verbunden. Diese in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren blieben unter zollamtlicher Überwachung, welche mit der Erreichung des Zweckes der Begünstigung ende. Im Rahmen "der Betriebsprüfung" sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, die entsprechenden Nachweise für die Erfüllung der Verwendungsauflage vorzulegen, habe die Lieferungen an die IAEO jedoch nicht nachweisen können.

Aus am 24. November 2008 vorgelegten Lieferaufstellungen habe sich ergeben, dass andere als die in Rede stehenden abgabenbefreiten Waren an die IAEO geliefert worden seien. Da die in Rede stehenden abgabenbefreiten Waren einem anderen als dem begünstigten Zweck zugeführt worden seien, seien sie der zollamtlichen Überwachung entzogen worden.

Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 berief die Beschwerdeführerin dagegen. Sie brachte im Wesentlichen vor, im "Vorfeld der Erlassung" des bekämpften Bescheides sei in einer gemeinsamen Besprechung "vom Finanzministerium" selbst die Ansicht vertreten worden, dass es "gegenständlichenfalls" nicht möglich sei, mit den seitens des "Außenamtes" ausgestellten vidierten Erklärungen tatsächlich exakt das Produkt einzuführen, "wegen welchem" die vidierte Erklärung ausgestellt worden sei. Es zeige sich, dass seitens des Commissary's, sohin seitens der IAEO, auf Basis von Rahmenverträgen Teillieferungen abgerufen würden, die innerhalb kürzester Frist von der Beschwerdeführerin zu erfüllen seien. Die Kontrakte, abgeschlossen zwischen dem Commissary und der Beschwerdeführerin, seien sohin seitens der Beschwerdeführerin schnellstens zu erfüllen, umgekehrt würden die entsprechenden Kontraktmeldungen an das Außenamt und schlussendlich die Ausstellung der vidierten Erklärungen durch das Außenamt erst nach Wochen oder Monate später vollzogen. Das Finanzministerium selbst habe zugestanden, dass diese gängige Praxis bereits seit Jahren auch mit unzähligen anderen Lieferanten des Commissary's praktiziert werde und nicht anders durchführbar sei. Auch im Beschwerdefall seien die ordnungsgemäß vidierten Erklärungen "in Form der Deklaration Nummer 2005-0308, 2005-0210, 2005-0230, und 2905-398" dem Zollamt vorgelegt und von diesem auch die Einlösung der vidierten Erklärungen quittiert worden. Tatsächlich liege den vidierten Erklärungen eine effektive Lieferung von Nahrungsmitteln und Nahrungsmittelerzeugnissen zugrunde. "Klarerweise" seien auch in einer Menge, in welcher die Zollbefreiungen beansprucht worden seien, korrespondierende Lieferungen in den Commissary vorgenommen worden. Entsprechende Aufstellungen seien seitens der Beschwerdeführerin dem Zollamt vorgelegt worden. Seitens des Finanzministeriums werde die Rechtsansicht geteilt, wonach auf Grund zeitlicher Verzögerungen die spezifischen vidierten Erklärungen nicht tatsächlich für die Produkte herangezogen werden könnten, die physisch exakt ident an den Commissary geliefert worden seien. Es sei faktisch unmöglich, "ident jene physisch an den Commissary Shop gelieferten Fleischmengen mit der vidierten Erklärung einzuführen." Rein aus dem Umstand der zeitlichen Diskrepanz, die sich zwischen dem Abruf der Lieferung und der Ausstellung der vidierten Erklärung ergebe, sei ein diesbezügliches Unterfangen nicht möglich. Seitens des Zollamtes werde offensichtlich mit dem bekämpften Bescheid ein rechtlicher Zustand verlangt, der mit der Realität in keinerlei Zusammenhang stehe und auch nicht zu erbringen sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 14. Mai 2009 wies das Zollamt die Berufung als unbegründet ab. Die abgabenfreie Abfertigung der in Rede stehenden Waren sei mit der Erfüllung der Verwendungsauflage - Lieferung an den Begünstigten und Verkauf in einem Commissary Shop - verbunden. Nach der Abfertigung bestehe die Pflicht, die Waren an den Commissary Shop zu liefern, um dort einem bedingungsgemäßen Verkauf zugeführt zu werden. Die Überprüfung habe ergeben, dass die Anlieferung der gegenständlichen Waren im Commissary Shop nicht habe nachgewiesen werden können. Mit Vorhalt vom 4. März 2009 sei die Beschwerdeführerin um "Nachweisführung" ersucht worden. Dazu sei - so der Vorhalt - der "eindeutige Zusammenhang der Lieferungen mit den einzelnen gegenständlichen Anmeldungen für die gegenständlichen Waren herzustellen und unter Hinweis auf Auftragsnummer, purchase number, Lieferschein, Rechnung, Datum, Menge, genaue Artikelbezeichnung und andere zweckdienliche Belege und Angaben nachzuweisen." Die bisher erklärten Lieferungen an die IAEO von "anderen Waren als den als solche abgabenbegünstigten" entsprächen - so der Vorhalt weiter - nicht den Voraussetzungen und Auflagen für die Abgabenbefreiung und könnten "als Bedingung einer ordnungs- und gesetzmäßigen Verwendung nicht anerkannt" werden. Das Zollamt kommt in der Berufungsvorentscheidung daher zum Schluss: "Die Herstellung des Zusammenhanges der Identität zwischen abgabenfrei abgefertigter Waren aus der jeweiligen Anmeldung und den erklärten Lieferungen konnte trotz mehrmaliger Aufforderung zur Nachweisführung nicht erbracht werden."

Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2009 erhob die Beschwerdeführerin dagegen eine (Administrativ-)Beschwerde. Anhand der schriftlichen Eingaben aber auch bei persönlichen Gesprächen der Beschwerdeführerin beim zuständigen Bundesministerium sei klar verdeutlicht worden, dass eine tatsächliche Herstellung des Zusammenhangs der Identität zwischen abgabenfrei abgefertigter Ware aus der jeweiligen Anmeldung und den erklärten Lieferungen nicht möglich sei.

In der am 28. Mai 2010 vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung beantragte der Vertreter der Beschwerdeführerin die Einvernahme ihres Geschäftsführers A.S. zum Beweis dafür, dass über 25 Jahre das involvierte Unternehmen und zuvor das Vorgängerunternehmen A.L. Lieferant der IAEO gewesen seien und die Verzollung mit Wissen der Zollbehörde anstandslos in dieser Art und Weise abgewickelt worden sei; darüber hinaus zum Beweis dafür, dass bei einer Besprechung beim Finanzministerium im November 2008 seitens des Ministeriums zugestanden worden sei, dass eine Befolgung des Gesetzes buchstabengetreu nicht möglich sei und im gegenständlichen Fall auch nicht erwartet werde. Weiters wurde die Einvernahme des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin über den Gesprächsverlauf in der Besprechung im Ministerium beantragt, wonach anlässlich eines Telephonats am 11. März 2009 mit einem näher genannten Beamten des Ministeriums die Angelegenheit intensiv erörtert worden sei und von diesem Beamten bestätigt worden sei, dass vom BMF die Weisungen an das Zollamt erteilt worden sei, die Importe auf Basis der tatsächlich seit Jahrzehnten gewählten Vorgangsweise zu beurteilen. Schließlich wurde die Einvernahme einer näher genannten Konzipientin der Kanzlei des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin zum Beweis dafür beantragt, dass trotz intensiver Bemühungen das Zusatzabkommen vom 1. März 1972 nicht beschaffbar gewesen sei, weil es aus politischen Gründen nicht veröffentlicht worden sei, womit klar gestellt sei, dass eine ordnungsgemäße Kundmachung der herangezogenen Gesetzesstelle nicht stattgefunden habe. Zum gleichen Beweisthema wurde letztlich auch die Einvernahme eines näher genannten Beamten des Außenministeriums beantragt. Schließlich lehnte der Vertreter der Beschwerdeführerin die Referentin der belangten Behörde als befangen ab, weil "das Berufungsgremium auf rechtlich existentielle Forderungen auf Beischaffung der Rechtsgrundlage die dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde liegen und unter Verschluss stehen, nicht folge gegeben wird, vielmehr von Beginn der Verhandlung schon darauf verwiesen wird, dass die Bw. Sicher zum VwGH gehen werde."

Der sodann als Zeuge vernommene Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, A.S., gab an, bei der Beschwerdeführerin handle es sich um eine Importgesellschaft, "Großhandel mit Fleisch und Fisch." Sie habe außer der IAEO, die mittlerweile nicht mehr Kunde sei, auch andere Kunden. Die Beschwerdeführerin sei Mieterin im Kühlhaus des An.S. (Anmerkung: laut in den Verwaltungsakten einliegendem Firmenbuchauszug ein früherer Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführerin). Im Beschwerdefall sei das Fleisch über Hamburg bezogen und in das genannte Kühlhaus verbracht worden. Der Zeuge sei Angestellter im Unternehmen seines Vaters gewesen. Dieses sei verkauft worden. In der Folge habe er bei der Firma A.L. & Sohn seine Tätigkeit im Fleischhandel begonnen. Auch in dieser Zeit sei schon Ware an die UNO geliefert worden. Nach etwa zwei oder drei Jahren sei ihm die Möglichkeit geboten worden, Anteile an der Beschwerdeführerin (beginnend mit 5 %) zu erwerben. Er habe in der Folge das Geschäft speziell mit den UN (Commissary Shop) übernommen und "weiters die Durchführung bzw. Lieferungen ebenfalls übernommen, dh. die Gepflogenheit 1:1 übernommen." Das sei etwa 20 Jahre her. In diesem Zeitraum habe es Prüfungen "durch die Finanz" gegeben und nie Nachzahlungen oder Beschwerden. Die conclusio nach einem Gespräch mit einem Beamten des Außenministeriums nach dem erstinstanzlichen Bescheid sei, dass die Durchführung nach den Buchstaben des Gesetzes in der Praxis nicht umsetzbar sei.

Die weiteren Beweisanträge und den Antrag auf Ablehnung der Referentin wegen Befangenheit wies die Referentin ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin beschäftige sich mit dem Import und Handel (Großhandel) von Fleisch und Fisch. Die Waren würden sowohl im EU-Raum als auch in Drittländern gekauft und anschließend importiert. Neben den Einfuhren von Fleisch unter Entrichtung von Eingangsabgaben habe die Beschwerdeführerin Fleisch abgabenfrei unter Bezugnahme auf das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation zum Verkauf durch die IAEO in eigenen "Shops (Commissary)" an Berechtigte in Wien eingeführt. Da die IAEO über kein Kühl/Lagerhaus und über keine längerfristigen Lagermöglichkeiten verfüge, sei das von ihr bei der Beschwerdeführerin georderte Fleisch im Kühlhaus der Beschwerdeführerin gelagert worden. Die Auslieferung des importierten Fleisches sei über einen längeren Zeitraum in kleineren Tranchen erfolgt. Bei der Lagerung im Kühlhaus sei keine getrennte Lagerung "(begünstigt verzollt/normal verzollt/aus dem EU Raum)" der Waren durchgeführt worden. Zu Beginn der Geschäftstätigkeit zwischen der Beschwerdeführerin und der IAEO sei Fleisch geliefert worden, dass ohne Eingangsabgabenbefreiung abgefertigt worden sei. Die generelle Vorgangsweise bei der Bestellung und der anschließenden Einfuhr der Waren durch die Beschwerdeführerin habe sich folgendermaßen abgespielt:

Die Beschwerdeführerin habe der IAEO mittels Offerts diverse Fleischwaren angeboten. Daraufhin sei die Bestellung (order) an die Beschwerdeführerin ergangen. Die sogenannte "Erklärung betreffend Einfuhrprivilegien" werde von der IAEO an das Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten zwecks Vidierung gesandt. Anschließend werde diese nunmehr als "vidierte Erklärung" bezeichnete Bestätigung der Beschwerdeführerin zugeschickt, die sie anlässlich einer Abfertigung vorlege. Der "Erklärung betreffend Einfuhrprivilegien" sei die Menge, die Warenbeschreibung, der Wert und die Referenznummer zu entnehmen. Die Referenznummer sei ident mit der "Purchase Order Number". Diese Nummer sei die Grundlage für die Bestellung bei der Beschwerdeführerin durch die IAEO. Als Warenbeschreibung werde pauschal "Nahrungsmittel und Nährmittelerzeugnisse" erklärt.

Zwischen der Bestellung der Waren seitens der IAEO bei der Beschwerdeführerin und der Ausstellung der für die abgabenfreie Einfuhr notwendigen Unterlagen (Bestätigung und vidierte Erklärung) durch das Außenministerium lägen mehrere Wochen. Die IAEO habe aber Teillieferungen aus den Bestellungen kurzfristig benötigt, sodass zu diesem Zeitpunkt noch keine vidierte Erklärung über diese Teilmenge vorgelegen habe. Die Beschwerdeführerin habe daher diese Teilmengen jeweils aus im Kühlhaus vorhandenen Mengen geliefert, wobei nicht mehr feststellbar sei, ob es sich dabei um abgabenfrei (unter Verwendung von vidierten Erklärungen) eingeführtes Rindfleisch oder um Fleisch, das unter Entrichtung von Eingangsabgaben aus Drittländern eingeführt worden sei, gehandelt habe. Der Nachweis, dass abgabenfrei eingeführtes Fleisch auch tatsächlich dem Begünstigten geliefert worden sei, habe die Beschwerdeführerin unbestritten nicht erbracht.

Die in Rede stehenden Waren seien gemäß Art. 82 Zollkodex auch nach ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr unter zollamtlicher Überwachung geblieben. Die zollamtliche Überwachung hätte mit dem Verkauf der in Rede stehenden Waren im Commissary Shop an Berechtigte durch die zweckgerechte Verwendung der Waren geendet.

Im Beschwerdefall sei Rindfleisch zum zollrechtlich freien Verkehr zum Verkauf in einem Commissary abgefertigt worden und es könne nicht festgestellt werden, wohin dieses Fleisch verbracht worden sei. Daher sei von einem Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung und einer daraus resultierenden Zollschuldentstehung auszugehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 6. Oktober 2010, B 1269/10-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

In dem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom 6. Dezember 2010 erachtet sich die Beschwerdeführerin im Recht "auf Nichtfestsetzung und buchmäßige Erfassung von Eingangsabgaben und Nebengebühren gemäß Art. 203 Abs. 1 und Abs. 3, erster Anstrich Zollkodex in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 133 Abs. 1 Buchstabe b) der im Beschwerdefall noch maßgebenden Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, ABlEG. Nr. L 105 vom 23. April 1983, (Zollbefreiungsverordnung - ZBefrVO) können die Mitgliedstaaten unbeschadet der Bestimmungen dieser Verordnung Befreiungen auf Grund der üblichen Vorrechte gewähren, die gemäß internationalen Abkommen oder Sitzabkommen, bei denen ein Drittland oder eine internationale Organisation Vertragspartei ist, gewährt werden, einschließlich der anlässlich internationaler Begegnungen gewährten Befreiungen.

Abschnitt 38 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation vom 11. Dezember 1957 über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation, BGBl. Nr. 82/1958, in der Fassung des Abkommens vom 4. Juni 1970, BGBl. Nr. 413/1971, (im Folgenden: Amtssitzabkommen) lautet:

"Abschnitt 38

Angestellte der IAEO genießen in und gegenüber der Republik

Österreich folgende Privilegien und Immunitäten:

.....

j) das Recht, zum persönlichen Gebrauch steuer- und abgabenfrei sowie frei von Einfuhrverboten und -beschränkungen folgendes einzuführen:

.....

(iii) beschränkte Mengen bestimmter Artikel, die zum persönlichen Gebrauch und Verbrauch, jedoch nicht für Geschenk- oder Verkaufszwecke bestimmt sind; die IAEO darf zum Verkauf solcher Artikel an ihre Angestellten, Gouverneure und ständigen Vertreter bei der IAEO sowie deren Vertreter, Berater und Sachverständige, die diplomatischen Status haben, ein 'Commissary' einrichten; die nähere Regelung der Ausübung dieser Rechte wird in einem Zusatzabkommen zwischen der Regierung und der IAEO getroffen werden."

Mangels Kundmachung des in dieser Bestimmung erwähnten Zusatzabkommens mit einer näheren Regelung dieser Rechte ist Abschnitt 38 lit. j sublit. iii) des Amtssitzabkommens derart auszulegen, dass nicht nur die dort genannten Angestellten der IAEO das Recht zur eingangsabgabenfreien Einfuhr der darin genannten Waren haben, sondern auch die IAEO selbst zum Zwecke des Verkaufs solcher Waren an Berechtigte im Commissary.

Darf die IAEO selbst solche Waren eingangsabgabenfrei einführen oder dürfen solche Waren für die IAEO eingeführt werden, ist die IAEO zumindest - wie im Beschwerdefall - als Empfänger im bei der Einfuhr zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr verwendeten Einheitspapier anzuführen.

Art. 82 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992, (Zollkodex - ZK) lautet:

"Art. 82 (1) Waren, die aufgrund ihrer Verwendung zu besonderen Zwecken zu einem ermäßigten Einfuhrabgabensatz oder abgabenfrei in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, bleiben unter zollamtlicher Überwachung. Die zollamtliche Überwachung endet, wenn die für die Gewährung des ermässigten Abgabensatzes oder der Abgabenfreiheit festgelegten Voraussetzungen nicht mehr anwendbar sind, wenn die Waren ausgeführt oder vernichtet bzw. zerstört worden sind oder wenn die Verwendung der Waren zu anderen Zwecken, als sie für die Anwendung des ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder der Abgabenfreiheit vorgeschrieben sind, gegen Entrichtung der fälligen Abgaben bewilligt wird.

(2) Die Artikel 88 und 90 gelten für die in Absatz 1 genannten Waren sinngemäß."

Gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Die Zollschuld entsteht gemäß Art. 203 Abs. 2 ZK in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Zollschuldner ist gemäß Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK u.a. die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat.

Im Verkauf von nach Abschnitt 38 des Amtssitzabkommens abgabenfrei eingeführten Waren im Commissary an die dort genannten Personen kann eine besondere Verwendung iSd des Art. 82 ZK gesehen werden. Wurden daher nach Art. 38 des Amtssitzabkommens eingangsabgabenfrei in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführte Waren, die weiterhin der zollamtlichen Überwachung unterlegen sind, nicht dem Empfänger, der IAEO, für deren Commissary, abgeliefert, sondern an unbekannte andere Personen, sind diese Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden.

Dass das in Rede stehende, am 2. Februar 2006 in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführte Rindfleisch tatsächlich dem Empfänger, der IAEO, übergeben, dh im Commissary abgeliefert worden wäre, konnte die Beschwerdeführerin unstrittig nicht nachweisen. Auch in der Beschwerde bringt sie nichts vor, was die Annahme der belangten Behörde widerlegen könnte, das konkrete Fleisch habe die IAEO, das Commissary, nicht erreicht.

Rechtfertigungsversuche der Beschwerdeführerin, die Vorgangsweise sei über viele Jahre von den Zollbehörden sowie vom Bundesministerium für Finanzen einerseits und vom (damaligen) Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten andererseits toleriert worden, mögen in einem Verfahren nach Art. 239 Zollkodex über einen Erlass oder eine Erstattung von Eingangsabgaben bedeutsam sein können, nicht jedoch für die Entstehung der Zollschuld.

Zur von der Beschwerdeführerin behaupteten faktischen Unmöglichkeit einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Vorgangsweise ist zu bemerken, dass der Forderung der IAEO auf rasche Belieferung georderter Ware nicht nur dadurch hätte entsprochen werden können, dass zuvor in den freien Verkehr übergeführtes Fleisch aus dem Kühlhaus entnommen worden wäre, sondern dass für diese Zwecke das Zolllagerverfahren hätte in Anspruch genommen werden können. Zum eingeworfenen Zeitverzug, die Vidierung der Erklärungen der IAEO durch das (damalige) Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten sei erst Wochen oder Monate später erfolgt, ist zu bemerken, dass eine gesetzliche Notwendigkeit, eine vidierte Erklärung im Zeitpunkt der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr dem Zollamt vorzulegen, nicht besteht. Eine Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr anhand einer unvidierten Erklärung der IAEO - allenfalls unter Leistung einer Sicherheit im Sinn des Art. 82 Abs. 2 iVm Art. 88 ZK - und eines nachträglichen Beibringens der vidierten Ausfertigung der Erklärung wäre eine rechtlich zulässige Möglichkeit gewesen.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, Art. 203 ZK fordere die Erfüllung eines subjektiven Tatbestandes, wonach nur eine Person in Frage komme, die gewusst habe oder billigerweise hätte wissen müssen, dass eine Entziehung im Sinn des Art. 203 Abs. 1 Zollkodex vorliegt. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin, dass für den Zollschuldner nach Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK die Erfüllung des objektiven Tatbestandes ausreicht. Lediglich die Personen, die nach Art. 203 Abs. 3 zweiter oder dritter Anstrich ZK als Zollschuldner in Betracht kommen (an der Entziehung Beteiligte oder Personen, die nach der Entziehung die betreffende Waren erworben oder in Besitz gehabt haben) müssen auch den von der Beschwerdeführerin relevierten subjektiven Tatbestand erfüllen.

Die Beschwerdeführerin bemängelt in Ausführung der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe Beweisanträge der Beschwerdeführerin abgewiesen. Konkret wird in der Beschwerde allerdings lediglich das Unterbleiben der Einvernahme eines näher genannten Beamten des Bundesministeriums für Europäische und Internationale Angelegenheiten angeführt. Die von der Beschwerdeführerin durch dessen Aussage zu beweisen wollende Duldung der von ihr gepflogenen Vorgangsweise durch "die Republik Österreich" zeigt die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht auf, weil wie oben dargelegt die Vorgangsweise früherer Jahre und damit allfällige Weisungen und Toleranzen durch Ministerien das Entstehen der Zollschuld nicht hätten verhindern können. Die Verfahrensrüge ist schon deshalb nicht berechtigt.

Gemäß § 85c Abs. 8 ZollR-DG sind u.a. für das Verfahren des unabhängigen Finanzsenates sowie dessen Entscheidungen die diesbezüglichen Regelungen der BAO sinngemäß anzuwenden, soweit die im ZollR-DG enthaltenen Regelungen nicht entgegenstehen.

Organe der Abgabenbehörden haben sich gemäß § 76 Abs. 1 lit. c BAO der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sonstige (andere als in § 76 Abs. 1 lit. a, b oder d leg.cit. genannte, im Beschwerdefall nicht interessierende) wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

Den Parteien steht gemäß § 278 Abs. 1 BAO das Recht zu, ein Mitglied des Berufungssenates mit der Begründung abzulehnen, dass einer der im § 76 Abs. 1 leg.cit. aufgezählten Befangenheitsgründe vorliegt.

Die Beschwerdeführerin rügt, die Referentin der belangten Behörde habe vor der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sowie gegenüber dem Beschwerdevertreter geäußert: "Sie werden sicher zum VwGH gehen". Darin sieht die Beschwerdeführerin eine Befangenheit der Referentin, weil die Referentin das Ergebnis des Verfahrens mittels vorgreifender Beweiswürdigung zu Lasten der Beschwerdeführerin angekündigt und vorweggenommen habe. Demgegenüber entnimmt der Verwaltungsgerichtshof der behaupteten Äußerung allein noch keine Befangenheit der diese Worte äußernden Organwalterin. Die Äußerung mag die Einschätzung eines Verfahrensausganges anhand der Aktenlage vor einer mündlichen Verhandlung erkennen lassen, bildet aber keinen Grund für die Annahme, dass die Referentin ihrer Pflicht nicht unbefangen nachkommen werde, in der mündlichen Verhandlung jegliches Vorbringen auch zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei zu prüfen und allenfalls zu einem gegenüber ihrer Einschätzung vor der mündlichen Verhandlung geänderten Ergebnis zu gelangen. In einer solchen Äußerung allein sieht der Verwaltungsgerichtshof noch keinen wichtigen Grund iSd § 76 Abs. 1 lit. c BAO, der geeignet wäre, die volle Unbefangenheit der Referentin zu bezweifeln. Im Übrigen ist der rechtserhebliche Sachverhalt im Beschwerdefall ohnehin unbestritten und zieht die Beschwerdeführerin lediglich andere rechtliche Schlussfolgerungen als die belangte Behörde.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 27. September 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte