VwGH 2010/11/0127

VwGH2010/11/012722.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom 21. Mai 2010, Zl. S90931/41-Recht/2010, betreffend Ausnahmebewilligung zum Erwerb und Besitz von Kriegsmaterial, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
WaffG 1996 §18 Abs2;
WaffG 1996 §18 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
WaffG 1996 §18 Abs2;
WaffG 1996 §18 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hatte am 20. Jänner 2010 die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 18 Abs. 2 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) zum Erwerb und Besitz eines halbautomatischen Gewehres K43 im Wesentlichen zwecks Ergänzung seiner umfangreichen Waffensammlung beantragt. Während seitens der Generalstabsabteilung der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 15. März 2010 keine der beantragten Bewilligung entgegenstehenden militärischen Interessen gesehen wurden, vertrat die Sicherheitsdirektion Niederösterreich in ihrer Stellungnahme vom 23. März 2010 die Auffassung, gegen die beantragte Bewilligung bestünden "erhebliche sicherheitspolizeiliche Bedenken, da solche Waffen, sollten sie in die falschen Hände geraten, zu einem erheblichen Gefahrenpotential bei Einsätzen der Exekutive werden könnten".

Zur Stellungnahme dazu aufgefordert brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er könne auf eine fast 30 jährige Sammlertätigkeit zurückblicken, sammle über viele Jahre hinweg Waffen aus verschiedensten Epochen und versuche, eine zeitlich durchlaufende Entwicklungsgeschichte zum Thema Schusswaffen zusammenzustellen. Zum Thema "Schusswaffen aus der Zeit von 1900 bis 1945", auf das er sich spezialisiert habe, könne er eine hochwertige und fast lückenlose Sammlung vorweisen. Eine sichere Verwahrung liege ihm sehr am Herzen, weshalb er vor einigen Jahren einen eigenen Sicherheitsraum für seine Waffensammlung errichtet habe, der die gesetzlichen Anforderungen bei weitem übertreffe (was näher ausgeführt wurde). Zur Vervollständigung seiner Sammlung fehle ihm gerade das halbautomatische K43 Gewehr; dieses sei vor 70 Jahren in Verwendung gewesen und somit technisch als "überaltert" anzusehen. Gerade auf dem jagdlichen Sektor gebe es von den verschiedensten Herstellern eine Vielzahl von halbautomatischen Waffen, die das K43 Gewehr in Bezug auf Feuerkraft, Handhabung, Feuergeschwindigkeit und Magazinkapazität um Längen schlagen würden. Auch für Sportschützen sei eine Reihe von halbautomatischen Waffen freigegeben, die dem in Rede stehenden durchgehend überlegen seien. Jede Polizeistation in Österreich verfüge über effizientere und schlagkräftigere Waffen als das in Rede stehende Gewehr, das technisch veraltet sei. Es sei daher nicht zutreffend, dass durch die Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung ein erhebliches Gefahrenpotential für die Exekutive entstehen würde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag gemäß §§ 10 und 18 Abs. 2 und 5 WaffG ab.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Verfahrensgang wieder und führte nach einer Darlegung der maßgebenden Bestimmungen des WaffG im Wesentlichen Folgendes aus:

Im Verfahren sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei das öffentliche Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren dem privaten Interesse des Beschwerdeführers gegenüber zu stellen sei.

Der Besitz von Schusswaffen wie der gegenständlichen Waffe durch Privatpersonen stelle "generell eine Sicherheitsgefährdung dar, weil nicht auszuschließen ist, dass dieses Kriegsmaterial gegebenenfalls (wenn auch nicht notwendigerweise durch den Beschwerdeführer selbst) sogar gegen Sicherheitsorgane eingesetzt werden könnte." Selbst veraltete als Kriegsmaterial einzustufende Schusswaffen seien auf Grund ihrer Funktions- und Wirkungsweise als gefährlich anzusehen. Dies könne zu einem "erheblichen Gefahrenpotential bei Einsätzen der Exekutive" werden, was aber strikt abgelehnt werden müsse.

Dieses öffentliche Interesse sei weitaus gewichtiger als das private Interesse des Beschwerdeführers an Vervollständigung seiner Waffensammlung.

Die Argumente des Beschwerdeführers hinsichtlich halbautomatischer Waffen, die der Kategorie B zuzuordnen und der in Rede stehenden Waffe überlegen seien, gingen "ins Leere, da Gegenstand dieses Verfahrens lediglich die antragsgegenständliche Waffe ist und sohin die rechtliche Beurteilung ausschließlich anhand der vom gegenständlichen Antrag umfassten Waffe erfolgt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Hinsichtlich der maßgebenden Rechtslage und der Anforderungen an die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 18 Abs. 2 WaffG wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2012, Zl. 2009/11/0249, und vom 14. Dezember 2010, Zl. 2007/11/0054, je mwN, verwiesen.

2. Die Beschwerde rügt im Wesentlichen, die belangte Behörde habe es unterlassen, auf die konkreten Umstände des Einzelfalls einzugehen. Diese seien davon geprägt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Gewehr zwar um Kriegsmaterial handle, das jedoch vor 70 Jahren im Einsatz gewesen sei und in der Zwischenzeit als weit veraltet anzusehen sei. Hinzu trete, dass dem in Rede stehenden Gewehr eine Reihe von halbautomatischen Waffen, die im Rahmen einer Waffenbesitzkarte erhältlich seien, überlegen sei. Das Gefahrenpotential der gegenständlichen Waffe sei also als eher gering einzuschätzen, wozu komme, dass sich die Waffensammlung des Beschwerdeführers in einem eigens gesicherten Tresorraum befinde und daher für Dritte nicht zugänglich sei.

3. Dieses Vorbringen ist zielführend.

3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in der Vergangenheit zu § 18 Abs. 2 WaffG auch das Sammeln historischer Waffen als relevantes Interesse für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung anerkannt (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 2007/11/0054). Im diesem hat der Verwaltungsgerichtshof auch Folgendes ausgeführt:

"Bei der Entscheidung nach § 18 Abs. 2 WaffG hat die Behörde zu begründen, worin die gegen die Erteilung der Ausnahmebewilligung sprechenden gewichtigen Interessen im Sinne des § 18 Abs. 2 WaffG, die zur Versagung der beantragten Bewilligung führen, gelegen sind. Das Ausmaß der Begründungspflicht in diesem Zusammenhang hängt von den Umständen des Einzelfalles, wie etwa von der Art und der Beschaffenheit des Kriegsmaterials, auf das sich der Antrag bezieht, ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2001, Zl. 2000/11/0116).

Im eben zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch klargestellt, dass die Annahme, voll einsatzfähiges Kriegsmaterial stelle eine sicherheitspolizeiliche Gefährdung dar, in ihrer Allgemeinheit nicht für jeden Fall das Vorliegen gewichtiger Interessen im Sinne § 18 Abs. 2 WaffG dartun kann. Dem Gesetz ist nämlich nicht zu entnehmen, dass nur für funktionsunfähiges oder beschränkt funktionsfähiges Kriegsmaterial Ausnahmebewilligungen erteilt werden dürften."

3.2. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Versagung der beantragten Ausnahmebewilligung allein auf die mit dem Besitz von Schusswaffen wie der gegenständlichen durch Private verbundene "generelle Sicherheitsgefährdung" gegründet.

Dass dieses Argument in seiner Allgemeinheit nicht für jeden Fall das Vorliegen gewichtiger Interessen im Sinne der genannten Gesetzesstelle dartut (weil diese Auffassung zur Folge hätte, dass nur für funktionsunfähiges oder beschränkt funktionsfähiges Kriegsmaterial Ausnahmebewilligungen erteilt werden dürften) hat der Verwaltungsgerichtshof - wie erwähnt - bereits im Erkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0116, klargestellt.

Bei der Gewichtung dieses sicherheitspolizeilichen Interesses hätte sich die belangte Behörde aber auch mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, dass vom gegenständlichen Gewehr geringere Gefahren ausgingen als von anderen Schusswaffen, die nicht als Kriegsmaterial qualifiziert würden und im Rahmen einer Bewilligung nach § 20 WaffG erworben werden dürften, für deren Erwerb und Besitz also keine Ausnahmebewilligung nach § 18 Abs. 2 WaffG erforderlich ist, und den Sicherheitsbehörden weit effizientere Waffen zur Verfügung stehen.

Schließlich hätte sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung auch mit dem Argument des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, die Verwahrung seiner Waffen in einem besonders gesicherten Tresorraum reduziere das (von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich geltend gemachte) Risiko, die Waffe könnte "in falsche Hände geraten".

4. All dies hat die belangte Behörde unterlassen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 22. Jänner 2013

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