VwGH 2010/10/0254

VwGH2010/10/025418.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde

1. der KK und 2. des BL, beide in V, beide vertreten durch Kaufmann & Thurnher Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 5. November 2010, Zl. UVS 48.12-7/2008-68, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: AF in V, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Glacisstraße 27/2), zu Recht erkannt:

Normen

ApG 1907 §10 Abs1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs4;
ApG 1907 §10 Abs5;
ApG 1907 §10;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs4;
ApG 1907 §10 Abs5;
ApG 1907 §10;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 5. November 2010 wurde der mitbeteiligten Partei die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in V mit der voraussichtlichen Betriebsstätte G 142 erteilt.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, in der Gemeinde V habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung durch die mitbeteiligte Partei keine ärztliche Hausapotheke befunden. Die Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke sei von der Betriebsstätte der Rathaus-Apotheke ca. 2,1 km und von der Betriebsstätte der St. Josef-Apotheke ca. 2,4 km entfernt. Die Rathaus-Apotheke und die St. Josef-Apotheke lägen im Stadtzentrum von V an einem "Ost-West-Durchzug" und seien nur ca. 300 m voneinander entfernt.

Die Österreichische Apothekerkammer habe in ihrem Bedarfsgutachten vom 21. Juni 2010 dargelegt, dass angesichts der geringen Entfernung zwischen den Betriebsstätten der beiden bestehenden öffentlichen Apotheken eine konkrete Zuordnung des jeweiligen Versorgungspotenzials bei lebensnaher Betrachtung nicht möglich sei. Die Entfernungsunterschiede seien nämlich derart gering, dass sie im Regelfall die Entscheidung der Personen, die eine oder die andere Apotheke aufzusuchen, nicht beeinflussen würden. Das den beiden öffentlichen Apotheken verbleibende Versorgungspotenzial sei daher in Anwendung der so genannten "Divisionsmethode" gemeinsam zu überprüfen. Die beschwerdeführenden Parteien hätten zwar vorgebracht, dass eine gesonderte Ermittlung der Versorgungspolygone der beiden Apotheken sehr wohl möglich sei. Sie hätten jedoch übersehen, dass es für die Anwendung der "Divisionsmethode" nicht darauf ankomme, ob eine gesonderte Ermittlung der Polygone "technisch möglich" sei, sondern darauf, ob bei lebensnaher Betrachtung die Kunden bei der Wahl der einen oder der anderen Apotheke sich nicht vom Gedanken der näheren oder weiteren Entfernung leiten lassen, weil der Unterschied in der Entfernung hiefür zu gering sei und eine darauf gestützte Abgrenzung zu keinem sinnvollen Ergebnis führen könnte.

Das den beiden bestehenden öffentlichen Apotheken auf Grund der örtlichen Verhältnisse verbleibende Versorgungspotenzial werde jedenfalls mehr als 11.000 Personen betragen und zwar:

- 7.473 ständige Einwohner aus einem Umkreis von

4 Straßenkilometern (blaues Polygon),

- 452 ständige Einwohner, für die, obwohl außerhalb

des 4-km Polygons, die beiden bestehenden öffentlichen Apotheken

die nächstgelegenen Arzneimittelabgabestellen seien (grünes Polygon),

- 49 Einwohnergleichwerte für 373 Personen mit

Zweitwohnsitz in den genannten Versorgungsgebieten,

- 2.524 Einwohnergleichwerte für die jährlich

insgesamt ca. 2,600.000 Besucher dreier näher bezeichneter

Einkaufszentren gemäß einer im Einzelnen dargestellten Studie,

- 110 Einwohnergleichwerte für 1.492 Arbeitnehmer

bestimmter Betriebe gemäß einer näher beschriebenen Studie,

- 36 Einwohnergleichwerte für 120 Internatsschüler des

Lehrlingshauses V der Wirtschaftskammer Steiermark Betriebs GmbH und

- 1.385 Einwohnergleichwerte für jährlich 20.406 im

Landeskrankenhaus V ambulant behandelte Patienten.

Gemeinsam würden den beiden bestehenden öffentlichen Apotheken im Fall der Errichtung der beantragten neuen Apotheke daher 12.029 Personen zur Versorgung verbleiben. Da der Bedarf an der neu zu errichtenden Apotheke somit gegeben sei, sei der mitbeteiligten Partei die beantragte Konzession zu erteilen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, von der Pächterin der Rathaus-Apotheke (erstbeschwerdeführende Partei) als auch vom Inhaber (zweitbeschwerdeführende Partei) erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. Nr. 135/2009, (ApG) lauten auszugsweise wie folgt:

"Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung

§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

...

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.

...

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

...

(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen.

..."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer gestützte Auffassung zu Grunde, das der Rathaus-Apotheke und der St. Josef-Apotheke im Falle der Errichtung der beantragten neuen öffentlichen Apotheke gemeinsam verbleibende Versorgungspotenzial - wegen der geringen Entfernung zwischen den Betriebsstätten dieser beiden Apotheken könnten bei lebensnaher Betrachtung gesonderte Versorgungspotenziale nicht ermittelt werden - würde mindestens 11.000 Personen betragen. Der Bedarf an der neuen öffentlichen Apotheke sei daher zu bejahen, zumal auch die anderen negativen Bedarfsvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 ApG nicht erfüllt seien.

Die beschwerdeführenden Parteien, die sich als "Pächterin bzw. als Inhaber der Rathaus-Apotheke" im Recht darauf verletzt erachten, dass eine Apothekenkonzession nicht erteilt werde, wenn sich das ihrer Apotheke verbleibende Versorgungspotenzial verringern und weniger als 5.500 Personen betragen werde, wenden sich zunächst gegen die Heranziehung der so genannten "Divisionsmethode". In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde habe der Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer erklärt, dass eine gesonderte Prüfung der Versorgungspotenziale der Rathaus-Apotheke und der St. Josef-Apotheke sehr wohl möglich sei. Die Kunden der im gemeinsamen Versorgungsgebiet der beiden Apotheken befindlichen Einkaufszentren dürften jedenfalls nicht undifferenziert beiden Apotheken zugerechnet werden, zumal die St. Josef-Apotheke zu diesen Einkaufszentren durchwegs näher, die Rathaus-Apotheke jedoch zu keinem der Einkaufszentren am nächsten liege. Gerade die besonderen Umstände des vorliegenden Falles hätten daher eine gesonderte und differenzierte Beurteilung erfordert.

Mit diesem Vorbringen zeigen die beschwerdeführenden Parteien nicht auf, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anwendung der so genannten "Divisionsmethode" zu Unrecht als erfüllt angenommen worden wären:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die Prüfung des Bedarfs gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG auf eine - auf entsprechende Ermittlungsergebnisse gestützte - prognostische Zuordnung konkreter Kundenpotenziale zu den beteiligten Apotheken nach den örtlichen Verhältnissen zu gründen. Machen jedoch besondere Umstände eine Zuordnung konkreter Kundenpotenziale zu einer Apotheke nach den Gesichtspunkten der örtlichen Nähe und Erreichbarkeit unmöglich, ist andererseits aber eindeutig, dass das in Rede stehende Kundenpotenzial von den Betriebsstätten mehrerer Apotheken aus zu versorgen ist, ist ausnahmsweise als Ermittlungsmethode die so genannte "Divisionsmethode" zugelassen. Diese Methode der gleichteiligen Zurechnung bestimmter Kundenkreise zu den beteiligten Apotheken kann insbesondere in Ansehung der Einwohner solcher Gebiete in Betracht kommen, die in größerer Entfernung von den Betriebsstätten der beteiligten Apotheken und zu diesen in annähernd gleicher Entfernung liegen; in solchen Fällen kann gesagt werden, dass relativ - im Verhältnis zur insgesamt zurückzulegenden Distanz - geringfügige Entfernungsunterschiede keinen Umstand darstellen, der bei lebensnaher Betrachtung für die Zurechnung zur einen oder anderen Apotheke den Ausschlag geben könnte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2010, Zl. 2007/10/0189, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Rechtmäßigkeit der ausnahmsweisen Anwendung der "Divisionsmethode" wurde in der hg. Judikatur auch bei einer Entfernung von wesentlich weniger als 500 m zwischen den in einem Stadtzentrum situierten Betriebsstätten der beteiligten Apotheken, die eine andere Art der Zuordnung nahezu unmöglich machte, bejaht (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis vom 29. September 2010 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Davon ausgehend sind auch im Beschwerdefall die Voraussetzungen für die Ermittlung der Kundenpotenziale der beiden bestehenden öffentlichen Apotheken nach der "Divisionsmethode" erfüllt. Die beiden Apotheken sind unbestrittenermaßen im Stadtzentrum von V und in einer Distanz von ca. 300 m zueinander situiert, sodass die Annahme der belangten Behörde, die Entfernungsunterschiede bei Erreichung der jeweiligen Apotheke könnten nicht als die entscheidenden Gesichtspunkte für die Auswahl der Apotheke durch die Kunden gelten, nicht unschlüssig ist.

Die der Beschwerde offenbar zu Grunde liegende Auffassung, es sei auch bei geringfügigen Entfernungsunterschieden nicht ausgeschlossen, für die beteiligten Apotheken Versorgungspolygone zu bilden, übersieht, dass die so konstruierten Versorgungspolygone nicht aussagekräftig sind, weil sie auf Grundlagen beruhen, die für eine Auswahlentscheidung der Kunden bei lebensnaher Betrachtung eben keine Bedeutung besitzen.

Im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Parteien ist die Anwendung der "Divisionsmethode" im vorliegenden Fall daher nicht rechtswidrig.

Die beschwerdeführenden Parteien bringen gegen die Annahme eines der Rathaus-Apotheke und der St. Josef-Apotheke gemeinsamen Versorgungspotenzials von mindestens 11.000 Personen weiters vor, die Berücksichtigung der Besucher der erwähnten Einkaufszentren gemäß § 10 Abs. 5 ApG entbehre einer nachvollziehbaren Grundlage, zumal die Besucherzahlen der Einkaufszentren zum Teil auf Eigenangaben der Betreiber und zum Teil bloß auf Schätzungen beruhten, aber nicht auf objektiv nachvollziehbaren Unterlagen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde im Ergebnis einen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentlichen Verfahrensmangel auf:

Die belangte Behörde hat dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer folgend die Besucher dreier Einkaufszentren bei Ermittlung des der Rathaus-Apotheke und der St. Josef-Apotheke gemeinsam verbleibenden Versorgungspotenzials als

2.525 "Einwohnergleichwerte" berücksichtigt. Dies auf der Grundlage einer Studie ("Apothekennutzung durch Besucher von Einkaufs- oder Fachmarktzentren"), der zufolge 2.000 Personen zur Nutzung von Apotheken und zur Nutzung von Einkaufs- und Fachmarktzentren befragt worden seien. Dabei sei zunächst die Frage, wie oft in den letzten 12 Monaten eine Apotheke aufgesucht worden sei, von den Befragten im Durchschnitt (10 % nie, 17 % - 3 Mal, 13 % - 5 Mal, 18 % - 10 Mal, 18 % - 15 Mal, 13 % - 25 Mal und 10 % + 25 Mal) mit 12,25 Mal beantwortet worden. Daraus ergebe sich, dass jeder Österreicher und jede Österreicherin pro Jahr durchschnittlich 12,25 Mal eine Apotheke aufsuche. Die Befragten hätten weiters angegeben, in den letzten 12 Monaten durchschnittlich 40,46 Mal ein Einkaufs- oder Fachmarktzentrum besucht zu haben. Schließlich hätten 77 % der Befragten, die in den letzten 12 Monaten zumindest ein Mal Einkaufszentren oder Fachmarktzentren aufgesucht hätten, angegeben, in den letzten 12 Monaten im Durchschnitt 0,78 Mal "eine Apotheke in der Nähe einer größeren Einkaufsstätte also einem Einkaufszentrum oder einem Fachmarktzentrum mit mehreren Geschäften aufgesucht" zu haben, die nicht ihre "Wohnsitzapotheke", also "jene Apotheke" sei, "die am nächsten bei ihrer Wohnadresse" liege. Im Verhältnis zur Apothekennutzung des ständigen Einwohners, der 12,25 Mal pro Jahr eine Apotheke besuchte, ergebe sich anhand des Faktors 0,0636 (0,78 : 12,25), in welchem Ausmaß Besucher von Einkaufs- oder Fachmarktzentren in ihrer Apothekennutzung ständigen Einwohnern gleichzusetzen seien (Einwohnergleichwerte).

Auf der Grundlage der - teils geschätzten, teils auf Eigenangaben der Betreiber beruhenden - Zahlen über die Besucher der drei Einkaufszentren gelangte die Österreichische Apothekerkammer in ihrem Gutachten daher zum Ergebnis, dass 39.633 - aus den 2,6 Mio. Besuchern in einem näher dargestellten Rechenwerk ermittelte - die Einkaufszentren besuchende Personen

2.524 Einwohnergleichwerten entsprächen. Die Besucher des Einkaufszentrums seien somit bei der Bedarfsfeststellung als 2.524 zu versorgende Personen für die beiden bestehenden öffentlichen Apotheken gemäß § 10 Abs. 5 ApG zu berücksichtigen.

Nun hat sich - wie oben dargelegt - die gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG durchzuführende Bedarfsprüfung nach hg. Judikatur auf eine - auf entsprechende Ermittlungen gestützte - prognostische Zuordnung konkreter Kundenpotenziale zu den beteiligten Apotheken zu gründen: Die Behörde hat zunächst festzustellen, wie viele der ständigen Einwohner im Umkreis von 4 Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke(n) nach Errichtung der geplanten Apotheke ihren Arzneimittelbedarf auf Grund der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich weiterhin aus der (den) bestehenden öffentlichen Apotheke(n) decken werden. Ergibt sich dabei für eine bestehende öffentliche Apotheke die kritische Zahl zu versorgender Personen nicht schon aus den ständigen Einwohnern des 4 km-Umkreises, so ist weiter zu prüfen, ob diese Zahl unter Berücksichtigung der auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet weiterhin zu versorgenden Personen erreicht wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2011, Zl. 2009/10/0261, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Bedarfsbeurteilung hat sich somit primär an der Wohnbevölkerung zu orientieren, im Übrigen ist jedoch auch ein durch andere Umstände als den Wohnsitz begründeter Bedarf an einer öffentlichen Apotheke zu berücksichtigen. Während der Gesetzgeber bei der Beurteilung des Bedarfes durch die Wohnbevölkerung jedoch auf eine Durchschnittsbetrachtung abstellt, sodass der "ständige Einwohner" als "zu versorgende Person" gilt, ohne dass im Einzelnen festgestellt werden müsste, in welchem Ausmaß durch ihn ein Bedarf an der öffentlichen Apotheke (mit)begründet wird, sind bei der Beurteilung des durch andere Umstände als den Wohnsitz hervorgerufenen Bedarfes grundsätzlich auf die im Gesetz angeführten Tatbestände ("Beschäftigung", "Einrichtungen", "Verkehr") bezogene Ermittlungen erforderlich, aus denen eine Inanspruchnahme der betreffenden Apotheke(n) ersichtlich wird, die jener durch eine bestimmte Anzahl ständiger Einwohner (der Maßstabfigur des § 10 ApG) entspricht. Erst auf einer solchen Grundlage kann die Anzahl jener "zu versorgender Personen" ermittelt werden, die iSd § 10 Abs. 5 ApG bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen sind (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 26. September 2011 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Berücksichtigung der Besucher der in Rede stehenden Einkaufszentren als 2.524 zu versorgende Personen wäre daher rechtens, stünde auf Grund eines mängelfreien Verfahrens fest, dass die Besucher der Einkaufszentren aus Anlass dieses Besuches die beiden bestehenden Apotheken in Anspruch nähmen und zwar in einem Ausmaß, das jenem von 2.524 ständigen Einwohnern entspricht.

Dies ist jedoch nicht der Fall:

Zunächst ist die Annahme, die in Rede stehenden Einkaufszentren hätten jährlich insgesamt 2,600.000 Besucher zu verzeichnen, nicht nachvollziehbar. Die zu Grunde gelegten Besucherzahlen beruhen nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten nämlich zum Teil auf nicht näher erläuterten Angaben des Betreibers und zum anderen Teil auf "Schätzungen", deren Grundlagen nicht einmal ansatzweise aufgezeigt wurden. Schon aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die aus diesen Besucherzahlen gewonnenen 2.524 Einwohnergleichwerte, die dem Versorgungspotential der Rathaus-Apotheke und der St. Josef-Apotheke zugerechnet werden, in einem mängelfreien Verfahren ermittelt wurden.

Dazu kommt, dass in der Frage, in welchem Ausmaß die Kunden der Einkaufszentren die erwähnten Apotheken in Anspruch nehmen werden, durch die Befragungsergebnisse der erwähnten Studie zwar aufgezeigt wird, dass eine bestimmte Anzahl der befragten Personen in den letzten 12 Monaten eine Apotheke "in der Nähe" eines Einkaufszentrums aufgesucht habe, nicht jedoch, dass dieser Besuch in irgendeinem Zusammenhang mit der Nutzung des Einkaufszentrums gestanden wäre. § 10 Abs. 5 ApG normiert allerdings eine

Berücksichtigung der "auf Grund ... der Inanspruchnahme von

Einrichtungen ... in diesem Gebiet" zu versorgenden Personen. Aus

den Angaben der Befragten, durchschnittlich 0,78 Mal eine Apotheke "in der Nähe" eines Einkaufszentrums aufgesucht zu haben, ergibt sich aber weder, dass der Besuch des Einkaufszentrums zum Apothekenbesuch geführt habe noch, dass der Apothekenbesuch in irgendeinem sonstigen Zusammenhang mit einem Besuch des Einkaufszentrums gestanden wäre.

Schließlich erweist sich noch die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Beurteilung des Ausmaßes, in dem die Apothekennutzung durch "Besucher der Einkaufszentren" jenem durch ständige Einwohner entspricht, als mangelhaft. Der als Maßstab herangezogene Umstand, dass 2000 Befragte angegeben hätten, in den letzten 12 Monaten eine Apotheke durchschnittlich 12,25 Mal aufgesucht zu haben, besagt in Wahrheit nämlich noch nichts über das (in der Sache wesentliche) Ausmaß der Inanspruchnahme einer öffentlichen Apotheke durch einen "ständigen Einwohner" iSd § 10 ApG.

Bei der Frage, inwieweit im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG "auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet" zu versorgende Personen zu berücksichtigen sind, bedarf es der Feststellung der Gegebenheiten des konkreten Falles. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass es dann, wenn die hiezu erforderlichen einzelfallbezogenen Feststellungen nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand getroffen werden können, zulässig ist, auf allgemeine, für den jeweiligen Fall repräsentative Untersuchungsergebnisse zurückzugreifen, und auf diesem Weg Ausmaß und Verhältnis, in dem die Inanspruchnahme der Apotheke zu jener eines ständigen Einwohners steht, aufzuzeigen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 2010, Zl. 2008/10/0199, vom 14. Dezember 2007, VwSlg 17342/A, u.a.).

In der Frage, in welchem Ausmaß durch einen "ständigen Einwohner" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 und Abs. 4 ApG Bedarf an einer öffentlichen Apotheke begründet wird, geht es hingegen nicht um Gegebenheiten des konkreten Falles. Vielmehr stellt der Gesetzgeber hier auf eine Durchschnittsbetrachtung ab: Der "ständige Einwohner" gilt als "zu versorgende Person", ohne dass im Einzelfall festgestellt werden müsste, in welchem Ausmaß durch ihn ein Bedarf an einer öffentlichen Apotheke begründet wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2011, Zl. 2009/10/0261, und die dort zitierte Vorjudikatur). Gleichzeitig ist der "ständige Einwohner" als "Maßstabfigur" die zentrale Bezugsgröße für die Frage, ob bei Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke (noch) von der Existenzfähigkeit einer bestehenden öffentlichen Apotheke ausgegangen werden kann; dies ist nur dann zu bejahen, wenn von der bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin mindestens 5.500 Personen zu versorgen sein werden, und zwar in einem Ausmaß, das der Versorgung von

5.500 ständigen Einwohnern entspricht.

Bei der Ermittlung des durch einen "ständigen Einwohner" hervorgerufenen Bedarfes nach einer öffentlichen Apotheke, an dem dann eine Inanspruchnahme im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG gemessen werden kann, ist daher im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung der Bedarf der Bevölkerung nach Leistungen der öffentlichen Apotheken im Allgemeinen heranzuziehen. Dabei können der durchschnittliche Medikamentenverbrauch, der Arzneimittelumsatz udgl. nicht außer Acht gelassen werden. Es sind alle verfügbaren Daten einzusetzen, um jenen Durchschnittsbedarf festzustellen, der dem Bedarf eines "ständigen Einwohners" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG zu Grunde liegt.

Zur Feststellung dieses Bedarfes war die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Methode der Befragung von Personen über die ihnen erinnerliche Häufigkeit ihrer Apothekenbesuche in den letzten 12 Monaten somit nicht geeignet. Die den Ergebnissen der Studie zu Grunde liegende Gleichsetzung der durch Befragung ermittelten Nutzungsfrequenz einer Apotheke "durch jeden Österreicher und jede Österreicherin" (12,25 Mal pro Jahr) mit dem Ausmaß der Inanspruchnahme einer öffentlichen Apotheke durch einen "ständigen Einwohner" gemäß § 10 ApG belastete daher die darauf aufbauende Berücksichtigung von Kunden der in Rede stehenden Einkaufszentren wie "ständige Einwohner" mit einem (weiteren) Mangel.

Die aufgezeigten Mängel sind auch wesentlich iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG, weil das gemeinsame Versorgungspotenzial der Rathaus-Apotheke und der St. Josef-Apotheke ohne die in Rede stehenden

2.524 Personen das gesetzliche Mindestversorgungspotenzial nicht erreichen würde. Der angefochtene Bescheid war daher, ohne auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. April 2012

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