VwGH 2010/10/0242

VwGH2010/10/024213.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des RM in Wien, vertreten durch Mag. Harald Schuh und Mag. Christian Atzwanger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. Oktober 2010, Zl. UVS- 06/48/3299/2010-17, betreffend Übertretung des Wiener Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67d Abs1;
AVG §67d Abs3;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §67d Abs1;
AVG §67d Abs3;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 19. Bezirk, wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 49 Abs. 1 Z. 21 iVm § 24 Abs. 5 Wiener Naturschutzgesetz schuldig erkannt, weil er es zu verantworten habe, dass auf einem bestimmt bezeichneten Grundstück im Landschaftsschutzgebiet Döbling ohne die gemäß § 24 Abs. 5 des Wiener Naturschutzgesetzes erforderliche Bewilligung Eingriffe, welche dem Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes zuwiderliefen, nämlich Grabungen mit einem Bagger, vorgenommen worden seien. Es seien zwei Erdgruben im Bereich der Einfahrt im Ausmaß von etwa 0,5 m x 0,5 m x 0,5 m und eine weitere Grube an der südöstlichen Grundstücksgrenze im Ausmaß von etwa 1,5 m x 1,5 m x 1,5 m ausgehoben worden.

In seiner dagegen gerichteten Berufung hat der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer u.a. vorgebracht, dass das Grundstück schon seit 100 Jahren eingezäunt sei, wie dies aus den vorhandenen verrosteten Zaunresten ersichtlich sei. Die beiden kleineren Grabungen hätten nur der Errichtung eines Tores im Zuge von Ausbesserungsarbeiten an der seit jeher bestehenden Umzäunung gedient.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (der belangten Behörde) hat der Beschwerdeführer nicht beantragt.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19. April 2010 und neuerlich mit Schreiben vom 3. August 2010 "nahegelegt" die Berufung auf die alleinige Anfechtung der Strafhöhe einzuschränken. Der Beschwerdeführer hat dies jedes Mal abgelehnt. Die belangte Behörde hat eine öffentliche mündliche Verhandlung zunächst für 22. Juni 2010 und dann - nach Abberaumung dieser Verhandlung - für 12. Oktober 2010 anberaumt. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2010, dem Beschwerdeführer zugestellt am 8. Oktober 2010, hat sie die Verhandlung neuerlich ohne Bekanntgabe von Gründen abberaumt.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 2010 hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 51e VStG hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

  1. 2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
  2. 3. im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

    4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

    und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

…"

Keine der alternativen Voraussetzungen des § 51e Abs. 3 Z. 1 bis Z. 4 VStG für das Absehen von einer Berufungsverhandlung ist vorliegend erfüllt. Die Berufung richtet sich gegen ein Straferkenntnis, mit dem eine EUR 500,-- übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, sie richtet sich nicht nur gegen die Strafhöhe und macht nicht nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Bereits deshalb wäre die belangte Behörde zur Durchführung einer Berufungsverhandlung verpflichtet gewesen.

Darüber hinaus ist auch das - kumulativ zu erfüllende - Tatbestandsmerkmal gemäß § 51e Abs. 3 VStG, dass "keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat", nicht erfüllt. Die Unterlassung eines Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird vom Gesetzgeber zwar als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet, vom Vorliegen eines schlüssigen Verzichts kann aber insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. August 2010, Zl. 2008/10/0315, und vom 29. September 2010, Zl. 2010/10/0168).

Nach der Aktenlage wurde der Beschwerdeführer nicht (weder mit der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, noch durch die belangte Behörde, etwa im Zuge der Verhandlungsabberaumung) über die Möglichkeit der Antragstellung belehrt. Dafür, dass er sonst von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen, ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Sie hat dadurch ihr Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet, was schon für sich gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen hatte.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 13. Mai 2011

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