VwGH 2010/10/0011

VwGH2010/10/001114.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des AL in S, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 1. April 2009, Zl. U-13.866/73, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung für ein Kleinkraftwerk, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2 impl;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Tir 2005 §1 Abs1 litc;
NatSchG Tir 2005 §1 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2 impl;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Tir 2005 §1 Abs1 litc;
NatSchG Tir 2005 §1 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 1. April 2009 hat die Tiroler Landesregierung den Antrag des Beschwerdeführers vom 23. September 2005 auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb der Wasserkraftanlage Stalleralmbach gemäß § 7 Abs. 1 lit. b und c, Abs. 2 lit. a Z. 1 und § 29 Abs. 8 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005, LGBl. Nr. 26 (TNSchG), unter Berücksichtigung der Tiroler Naturschutzverordnung 2006, LGBl. Nr. 39, sowie Art. 7 des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich "Energie", BGBl. III Nr. 237/2002, abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, dass der Stalleralmbach ein orographisch rechter Zubringer im Oberlauf der Schwarzach sei. Nach den Projektunterlagen gelange das Triebwasser ausgehend von der auf 1.839 m Seehöhe befindlichen Fassung (Tiroler Wehr) in den Sandfang und danach über eine etwa 1,26 km lange Druckleitung mit nicht zugsicheren Muffenverbindungen in der nordwestlichen Fahrbahn der L 25 bis zum Festpunkt 1. Ab hier sei die Druckrohrleitung mit zugsicheren Muffen hergestellt und führe im Folgenden über den Steilabstieg durch einen Wald bis zum Krafthaus, welches nach weiteren rund 660 m erreicht werde. Die Rohrleitung sei im gesamten Bereich im Graben eingeschüttet und mindestens 1 m überschüttet. Das Krafthaus liege etwa 800 m unterhalb der Einmündung des Stalleralmbaches in die Schwarzach auf einer Seehöhe von 1539 m. Die Wasserrückgabe in die Schwarzach erfolge über einen etwa 46 m langen Kanal und anschließend über ein etwa 25 m langes bestehendes Gerinne. Das Kraftwerk solle bei einer 120-tägigen Ausbauwassermenge eine Ausbauleistung von etwa 1.070 kW erreichen; die vorgesehene Jahreserzeugung betrage 5,3 Gigawattstunden. Der Wehrkörper werde größtenteils aus Beton bzw. Bruchsteinmauerwerk in Beton ausgeführt. Um die Wasserfassung errichten zu können, werde der Stalleralmbach in diesem Bereich begradigt, wobei die Böschungen so errichtet würden, dass ein hundertjähriges Hochwasser mit ausreichender Sicherheit bewältigt werden könne. Die Dotierwasserrinne werde so konzipiert, dass bis zum Anspringen des Tiroler Wehrs die Mindestwassermenge von 20 l/s im Bachbett verbleibe. Von der darüber hinaus ankommenden Wassermenge verblieben zusätzlich 20 % als Dotationswasser im Bachbett. Damit sei gewährleistet, dass im gesamten Bachverlauf eine Wasserführung gegeben sei. Weiters wirke sich auf die ausreichende Wasserführung des Stalleralmbaches positiv aus, dass etwa 130 m unterhalb des Wehrs ein Bach einmünde. (Aus den Ausführungen der belangten Behörde zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung ergibt sich, dass das Projekt dahin abgeändert wurde, dass die Dotationswassermenge im Lauf des Verfahrens erhöht wurde, nach dem Beschwerdevorbringen auf 15 bis 100 l/s zuzüglich 30 % der diesen Grundwert übersteigenden Wassermenge.) Unter der Überschrift "Feststellungen aus naturkundefachlicher Sicht" führte die belangte Behörde weiters aus, dass der Stalleralmbach auf Grund seiner Naturbelassenheit eine hohe naturschutzfachliche Wertigkeit aufweise. Die Verwirklichung des geplanten Kraftwerkes und die damit verbundenen Veränderungen, vor allem im Bereich der Wasserfassung, würden die Natürlichkeit des Gewässers nachhaltig beeinträchtigen. Ebenso werde der Wasserentzug mit größtenteils weit über der Hälfte des natürlichen Wasserdargebots "das für die Grobblockigkeit und teilweise kaskadenartige Ausbildung der Entnahmestrecke erforderliche Spritzwasser erheblich reduzieren, dadurch Lebensräume einengen und dadurch in weiterer Folge den Naturhaushalt und die Lebensgemeinschaften der Verzahnungszone Wasser-Land schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigen". Der Wasserentzug werde die Natürlichkeit des Baches auf ca. ein Drittel seiner Länge stark und nachhaltig beeinträchtigen, sodass auf Dauer des Bestandes der Anlage die Einmaligkeit des Gewässers bei gesamtheitlicher Betrachtung sowohl als Lebensraum als auch als Landschaftselement zunichte gemacht werde und der Bach seinen Status als Referenzgewässer verlieren werde. Zudem liege ein geringer Teil des Einzugsgebietes dieses Baches im Nationalpark Hohe Tauern. Die Anlage sei so situiert, dass negative Einflüsse auf das Nationalparkgebiet zwar nicht sehr wahrscheinlich seien, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden könnten.

Zu den (langfristigen) öffentlichen Interessen sei auszuführen, dass 100 % der erzeugten Energie in das Stromnetz eingespeist würden und es Ziel des Projektes sei, die Versorgungssicherheit am Talende des Defereggentales zu erhöhen. Dazu habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass die Erzeugung von Energie aus Wasserkraft zur Senkung von CO2-Emissionen beitrage, wozu sich Österreich gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft verpflichtet habe. Die geplante jährliche Erzeugung von 5,3 Gigawattstunden führe nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Heizölersparnis von 850.000 Litern. Diese Zielrichtung sei - so die belangte Behörde weiter - grundsätzlich zu begrüßen. Zu erwähnen sei jedoch, dass nach Art. 7 des Protokolls "Energie" sowohl bei neuen als auch bei bereits bestehenden Wasserkraftanlagen die ökologische Funktionsfähigkeit der Fließgewässer und die Unversehrtheit der Landschaft durch geeignete Maßnahmen über die Festlegung von Mindestabflussmengen und die Gewährleistung der Durchgängigkeit für die Fauna sichergestellt werden sollten. Das grundsätzliche langfristige öffentliche Interesse an der Errichtung von Anlagen für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen sei anzuerkennen. Es sei jedoch nicht glaubhaft dargetan worden, worin gerade das langfristige öffentliche Interesse an der Verwirklichung der gegenständlichen Kraftwerksanlage gelegen sei. Ein derartiges langfristiges öffentliches Interesse sei nicht gegeben.

Unter der Überschrift "Beweiswürdigung" gab die belangte Behörde zunächst das Gutachten des naturkundefachlichen Sachverständigen wörtlich wieder. Demnach hat der Sachverständige (u.a.) ausgeführt, dass der Stalleralmbach die Eigenschaft "Einmaligkeit" aufweise, weil er als "Seeausrinn" in seinem Oberlauf Flachstrecken mit mäandrierendem Verlauf und erst im unteren Drittel eine Steilstufe aufweise. Die herausragende Naturbelassenheit dieses Gewässers in gesamtheitlicher Sicht sei auch im limnologischen Gutachten dokumentiert worden; damit sei das Gewässer als Referenzgewässer anzusehen. Die Veränderungen im Bereich der Wasserfassung würden die Natürlichkeit des Gewässers in diesem - allerdings relativ kurzen - Abschnitt nachhaltig beeinträchtigen. Die Beeinträchtigungen durch die Grabungsarbeiten für die Druckrohrleitung könnten in absehbarer Zeit saniert werden. Der Wasserentzug werde die Natürlichkeit des Baches auf etwa ein Drittel seiner Länge stark und nachhaltig beeinträchtigen, sodass auf Dauer des Bestandes der Anlage die Einmaligkeit dieses Gewässers sowohl als Lebensraum als auch als Landschaftselement zunichte gemacht werde und der Bach seinen Status als Referenzgewässer verlieren werde. Ein geringer Teil des Einzugsgebietes des Stalleralmbaches liege im Nationalpark Hohe Tauern. Die projektierte Anlage sei so situiert, dass keine negativen Einflüsse auf das Nationalparkgebiet zu befürchten seien. Unter Berücksichtigung der Projektsänderung im Bereich der Restwassermenge verblieben bei monatlicher Mittelwasserannahme fünf Monate im Jahr unter 50 % des Zuflusses, ein Monat 40 % und weitere fünf Monate unter 40 % des Zuflusses im Bachbett. Lediglich im Monat Juni liege das Restwasser knapp über 50 % des Zuflusses. Nach Riccabona liege die Wahrnehmungsschwelle einer Verringerung der Wassermenge durch den Beobachter bei 35 bis 40 % Wasserentzug. Dieser Grenzwert werde bei Mittelwasserannahme ganzjährig überschritten. Ergänzend werde ausgeführt, dass die Benetzung des Verzahnungsbereiches Wasser - Land nicht nur durch die fließende Welle, sondern insbesondere durch Spritzwasser erfolge. Diese hygropetrische Verzahnungszone biete einen charakteristischen Lebensraum für steinbewohnende Algen und Moose samt erfahrungsgemäß typischer Fauna, wie z.B. auf diese hygropetrischen Verhältnisse spezialisierte Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen, Zwergwasserkäfer, Hakenkäfer. Diese Zone mit hygrophilen Hochstaudenfluren gehe über in die reichlich ausgeprägten hygrophilen Grünerlengebüsche. Gerade diese Verhältnisse seien ausschlaggebend für die gegebene Natürlichkeit des Stalleralmbaches in der Entnahmestrecke. Der Wasserentzug um größtenteils mehr als die Hälfte des natürlichen Wasserdargebots werde dieses Spritzwasser erheblich reduzieren, damit Lebensräume einengen und damit den Naturhaushalt und die Lebensgemeinschaften der Verzahnungszone Wasser - Land schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigen. Das Landschaftsbild sei unabhängig vom Erholungswert zu sehen. Natürliche und naturnahe Gewässer zählten zu den höchstrangigen Landschaftselementen, seien also Schlüsselelemente des Landschaftsbildes. Da der Wasserentzug durch das geplante Projekt unter Normalverhältnissen die Grenzwerte nach Riccabona jahresdurchgängig übersteige, könne von einer Natürlichkeit des Baches in der Entnahmestrecke keine Rede mehr sein. Damit würde das Gewässer seine Stellung als Schlüsselelement des Landschaftsbildes verlieren.

Diesen sachverständigen Ausführungen sei der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Weiters habe der Beschwerdeführer nicht dargetan, dass genau die Errichtung der geplanten Wasserkraftanlage dem langfristigen öffentlichen Interesse an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zum Durchbruch verhelfen werde. Auch die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Heizölersparnis von fast 900.000 kg habe nicht ausreichend überzeugen können.

In ihrer rechtlichen Beurteilung kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass mit dem antragsgegenständlichen Projekt starke bzw. mittelstarke und langfristige Beeinträchtigungen von Naturschutzinteressen verbunden seien. Die Durchführung der geplanten Maßnahme habe die Beeinträchtigung der Schutzgüter Naturhaushalt, Landschaftsbild und Erholungswert zur Folge. Diese Beeinträchtigungen seien stark bzw. mittelstark und jedenfalls langfristig. Zudem seien starke und langfristige Beeinträchtigungen für die "Gewässerlebewelt" zu erwarten.

Bei der Interessenabwägung gehe die Behörde davon aus, dass zwar ein grundsätzliches langfristiges öffentliches Interesse an der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie zu attestieren sei, das vorliegende Projekt jedoch mit schweren und langfristigen Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes verbunden sei. Deshalb sei unter Berücksichtigung der unter der Überschrift "Beweiswürdigung" angeführten Interessen und des Protokolls "Energie" die Errichtung des projektierten Kraftwerkes nicht in einem langfristigen öffentlichen Interesse gelegen. Auch wenn man ein solches Interesse bejahen würde, könnte dieses Interesse die Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen nicht überwiegen. Das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Erhaltung der in hohem Maß gegebenen Natürlichkeit des Stalleralmbaches vor störenden Eingriffen überwiege das öffentliche Interesse an der Errichtung der Wasserkraftanlage. Es seien zwar positive Auswirkungen zu erwarten, jedoch zähle der genannte Bach zu den wenigen Gewässerstrecken mit hoher naturschutzfachlicher Wertigkeit und weise eine Natürlichkeit von rund 98 % seiner Fließstrecke auf. Diese Eigenschaften würden durch das Projekt stark beeinträchtigt.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 1. Dezember 2009, B 630/09-9, ab und trat sie mit Beschluss vom 27. Jänner 2010, B 630/09-11, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005, LGBl. Nr. 28 in der Fassung LGBl. Nr. 57/2007, haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 1

Allgemeine Grundsätze

(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass

  1. a) ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
  2. b) ihr Erholungswert,
  3. c) der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und

    d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.

    ...

    § 7

    Schutz der Gewässer

(1) Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen im Bereich von fließenden natürlichen Gewässern und von stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2 folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:

  1. b) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen;
  2. c) die Ableitung oder Entnahme von Wasser zum Betrieb von Stromerzeugungsanlagen;

(2) Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen im Bereich

a) der Uferböschung von fließenden natürlichen Gewässern und eines fünf Meter breiten, von der Uferböschungskrone landeinwärts zu messenden Geländestreifens ...

...

1. die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden, und

...

§ 29

Naturschutzrechtliche Bewilligungen, aufsichtsbehördliche

Genehmigungen

(1) ...

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

a)... für Vorhaben nach den §§ 7 Abs. 1 und 2 ...

b) für Vorhaben, für die in Verordnungen nach den §§ 10 Abs. 1 oder 11 Abs. 1 eine Bewilligungspflicht festgesetzt ist,

...

darf nur erteilt werden,

1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. ...

...

(5) Eine Bewilligung ist befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1, in den Fällen des Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 insbesondere unter Berücksichtigung des betreffenden Schutzzweckes, zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.

...

(8) Eine Bewilligung ist zu versagen, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung nicht vorliegt.

..."

Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, dass die belangte Behörde im Wesentlichen Argumente herangezogen habe, die auf jedes kleine Wasserkraftwerk zuträfen, ohne auf die für die naturschutzrechtliche Bewilligung maßgebliche konkrete Situation einzugehen. Die von der Behörde als Toleranzgrenze angesehene Wasserentzugsmenge von 35 bis 40 % sei wirtschaftlich nicht vertretbar und könnte auch wasserrechtlich nicht bewilligt werden. Die auf 15 bis 100 l/s und zuzüglich 30 % der übersteigenden Menge erhöhte Restwassermenge erfülle jedenfalls die Vorgaben des Protokolls "Energie". Es sei nicht erforderlich, dass das konkrete Kraftwerk zur Energieversorgung und zur Einhaltung der österreichischen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll unverzichtbar sei. Unter dieser Voraussetzung könnte überhaupt kein Wasserkraftwerk bewilligt werden. Das projektierte Kraftwerk leiste jedenfalls einen Beitrag zu diesen langfristigen Zielen. Die Beurteilung des Stalleralmbaches als Gewässer mit hoher naturschutzfachlicher Wertigkeit durch die belangte Behörde beruhe offensichtlich allein auf der "Checkliste für Wasserkraftwerke bis 15 MW Engpassleistung" der Tiroler Landesregierung. Ausreichende Feststellungen zur konkreten Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen fehlten. Überdies sei die belangte Behörde entgegen den Ausführungen des Amtssachverständigen zum Ergebnis gekommen, dass eine Beeinträchtigung des Nationalparkgebietes nicht ausgeschlossen werden könne.

Im Verfahren über eine Bewilligung gemäß § 29 Abs. 2 TNSchG ist in einem ersten Schritt zu prüfen, welches Gewicht der Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TNSchG - Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur, Erholungswert, Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume, möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt - durch das Vorhaben zukommt. Dem sind die langfristigen öffentlichen Interessen, denen die Verwirklichung des Vorhabens dienen soll, gegenüber zu stellen. Den Anforderungen an eine gesetzmäßige Begründung entspricht ein auf Grund dieser Interessenabwägung ergangener Bescheid nur dann, wenn er in qualitativer und quantitativer Hinsicht nachvollziehbare Feststellungen über jene Tatsachen enthält, von denen Art und Ausmaß der verletzten Interessen im Sinn des § 1 Abs. 1 TNSchG abhängt, über jene Auswirkungen des Vorhabens, in denen eine Verletzung dieser Interessen zu erblicken ist, und über jene Tatsachen, die das langfristige öffentliche Interesse ausmachen, dessen Verwirklichung die beantragte Maßnahme dienen soll (siehe das zu einem vergleichbaren Fall ergangene hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2010, Zl. 2008/10/0003, mwN).

Der angefochtene Bescheid beruht auf der Annahme, die Verwirklichung des Kraftwerksvorhabens hätte Beeinträchtigungen der Schutzgüter Naturhaushalt, Landschaftsbild, Erholungswert und "Gewässerlebewelt" zur Folge.

Mit dem letztgenannten Begriff bezieht sich die belangte Behörde offenbar auf den Gesetzesbegriff "Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürlicher Lebensräume" gemäß § 1 Abs. 1 lit. c TNSchG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu entsprechenden Gesetzesbegriffen setzt die gesetzmäßige Beurteilung eines solchen Tatbestandsmerkmales nachvollziehbare, auf die Lebensbedingungen konkreter Tiere und Pflanzen bezugnehmende, naturwissenschaftliche, auf die qualitativen und quantitativen Aspekte des konkreten Falles, auf die Art der beantragten Maßnahme und die von dieser ausgehenden Auswirkungen auf die geschützten Güter Bedacht nehmende Feststellungen voraus (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2008/10/0003, mwN).

Entsprechende Feststellungen fehlen im angefochtenen Bescheid jedoch, hat doch die belangte Behörde lediglich festgestellt, dass das Projekt die Natürlichkeit des Gewässers nachhaltig beeinträchtigen werde, die Reduktion des Spritzwassers "Lebensräume einengen und dadurch in weiterer Folge den Naturhaushalt und die Lebensgemeinschaften der Verzahnungszone Wasser - Land schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigen" sowie bei gesamtheitlicher Betrachtung die Einmaligkeit des Gewässers sowohl als Lebensraum als auch als Landschaftselement zunichte gemacht werde. Diese Ausführungen werden den dargestellten Anforderungen in keiner Weise gerecht.

Im Übrigen können auch die im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen Darlegungen des naturkundefachlichen Amtssachverständigen dem Gesetz entsprechende Feststellungen nicht tragen, hat der Sachverständige doch lediglich darauf verwiesen, dass die hygropetrische Verzahnungszone einen "charakteristischen Lebensraum" für steinbewohnende Algen und Moose samt "erfahrungsgemäß" typischer Fauna bilde. Weiters seien in diesem Bereich typische Hochstaudenfluren und Grünerlengebüsche vorhanden. Die Reduzierung des Spritzwassers werde "Lebensräume einengen und wieder damit Naturhaushalt und Lebensgemeinschaften der Verzahnungszone Wasser - Land schwerwiegend und nachhaltig beeinträchtigen". Konkretere Feststellungen zu den im gegenständlichen Bereich tatsächlich vorhandenen Tier- und Pflanzenarten fehlen ebenso wie Feststellungen über das Ausmaß der Auswirkungen des gegenständlichen Kraftwerkes auf diese Lebensräume sowie den Bestand und die Entwicklung der betreffenden Tier- und Pflanzenarten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es sich beim Hinweis auf die allgemeinen Folgen einer Verringerung der vom Wasser eines Fließgewässers benetzten Fläche angesichts des Fehlens konkreter, auf die qualitativen und quantitativen Aspekte des Einzelfalles bezogener Darlegungen, denen sowohl Art als auch Ausmaß der angenommenen Beeinträchtigungen nachvollziehbar entnommen werden kann, nicht um eine Begründung handelt, die die Annahme einer Beeinträchtigung des Naturhaushaltes bzw. des Artenreichtums und der Lebensräume der heimischen Tier- und Pflanzenwelt tragen könnte (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2008/10/0003).

Die belangte Behörde hat auch eine vom beantragten Projekt ausgehende Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des Erholungswertes der Landschaft angenommen, wobei sie dies ebenfalls auf den Wasserentzug und den damit verbundenen Verlust der Natürlichkeit des Gewässers gestützt hat. Auch der Sachverständige hat seine diesbezüglichen Ausführungen lediglich mit dem Wasserentzug begründet und sich dabei auf die Wahrnehmungsschwelle nach Riccabona gestützt. Darlegungen, aus denen nachvollziehbar entnommen werden könnte, inwieweit die das Bild der Landschaft prägenden Elemente durch die Errichtung der Wasserkraftanlage optisch verändert würden, fehlen zur Gänze. Überdies ist nicht nachvollziehbar begründet, warum der Verlust der Natürlichkeit des Gewässers bereits bei einem Wasserentzug, der die "Wahrnehmbarkeitsschwelle" überschreitet, eintritt.

Die Annahme, dass durch die projektierte Kraftwerksanlage auch der Erholungswert beeinträchtigt werde, wird im angefochtenen Bescheid schließlich überhaupt nicht begründet.

Weiters ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass die Ansicht der belangten Behörde, Auswirkungen des geplanten Projektes auf das Nationalparkgebiet könnten nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden (obwohl sie nicht wahrscheinlich seien), im Gutachten des naturkundefachlichen Sachverständigen keine Deckung finden, hat der Sachverständige doch ausgeführt, dass keine negativen Einflüsse auf das Nationalparkgebiet zu befürchten seien.

Es beruht daher schon die Annahme der belangten Behörde, durch das Vorhaben des Beschwerdeführers würden Interessen des Naturschutzes gemäß § 1 Abs. 1 TNSchG beeinträchtigt, nicht auf einem mängelfreien Verfahren.

Sollte die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren neuerlich zur Ansicht kommen, dass das beantragte Projekt Naturschutzinteressen beeinträchtige, so wird sie dieser - auf in qualitativer und quantitativer Hinsicht nachvollziehbaren Feststellungen beruhenden - Beeinträchtigung die langfristigen öffentlichen Interessen an der Verwirklichung des Projekts gegenüber zu stellen haben. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass an der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie und den daraus resultierenden positiven Auswirkungen für den Klimaschutz ein langfristiges öffentliches Interesse besteht (vgl. das zum Salzburger Naturschutzgesetz 1999 und dem dort relevanten Begriff des "besonders wichtigen öffentlichen Interesses" ergangene hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2010, Zl. 2009/10/0020). Der Umstand, dass es sich lediglich um ein Kleinkraftwerk mit entsprechend wenig Energieerzeugung handelt, führt für sich allein nicht zur Verneinung eines langfristigen öffentlichen Interesses. Vielmehr kann je nachdem, inwieweit eine Maßnahme nach den Umständen des Einzelfalles geeignet ist, zur Erreichung der genannten Ziele beizutragen, dem Interesse an ihrer Verwirklichung Vorrang gegenüber den Interessen des Naturschutzes zukommen. Entscheidend ist dabei, welche Bedeutung die Verwirklichung der konkret beantragten Maßnahme für den Klimaschutz hat (wobei insbesondere die projektgemäß produzierte Strommenge maßgeblich ist) und wie gravierend die damit verbundenen Auswirkungen auf die naturschutzgesetzlich geschützten Rechtsgüter sind (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2009/10/0020).

Der Anregung des Beschwerdeführers, hinsichtlich der "Checkliste für Wasserkraftwerke bis 15 MW Engpassleistung" - bei der es sich nach dem Beschwerdevorbringen um eine generelle Weisung handelt - ein Verordnungsprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, tritt der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht bei, weil er an (auch generelle) Weisungen nicht gebunden ist und daher die genannte "Checkliste" keinesfalls anzuwenden hat.

Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 14. Juli 2011

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