VwGH 2010/09/0082

VwGH2010/09/008216.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des KH in W, vertreten durch Thiery & Ortenburger Rechtsanwälte GmbH in 1015 Wien, Schwarzenbergstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. Juli 2009, Zl. Senat-KR-07-0006, betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
VStG §31 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §2 Z5;
ZustG §37 Abs1 idF 2008/I/005;
ZustG §37 idF 2008/I/005;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
VStG §31 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §2 Z5;
ZustG §37 Abs1 idF 2008/I/005;
ZustG §37 idF 2008/I/005;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Schuldspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 2009 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe im Betrieb in J zwei näher bezeichnete slowakische Staatsangehörige vom 27. Mai 2006 bis 12. Juli 2006 als Weingartenarbeiter beschäftigt, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

Der Beschwerdeführer habe dadurch zwei Übertretungen gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurden zwei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 1.500,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je vier Tagen) verhängt.

Zur Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer findet sich in den Verwaltungsakten Folgendes:

In der Urschrift des angefochtenen Bescheides wird die "Kanzleiweisung" erteilt: "Erl I/1 mit FAX voraus (FAX NR: 01/5154...)". Dementsprechend schließt im Verwaltungsakt ein Telefax-Sendebericht vom 3. Juli 2009, Anfangszeit 10:16 Uhr, an diese genannte Telefax-Nummer mit dem "Ergebnis OK" an. Es handelt sich dabei um die Telefax-Nummer der auch im Verwaltungsverfahren als Vertreter des Beschwerdeführers eingeschrittenen Beschwerdevertreter. Diese Nummer wurde mit den Schriftsätzen der Vertreter regelmäßig bekannt gegeben.

Eine Zustellung des angefochtenen Bescheides per RSb-Sendung ist durch Übernahmebestätigung eines Arbeitnehmers der Beschwerdevertreter vom 13. Juli 2009 im Verwaltungsakt dokumentiert. Auf der anlässlich der Beschwerdeerhebung vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides findet sich der Eingangsstempel der Beschwerdevertreter mit dem Datum 13. Juli 2009.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hob den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 2. März 2010, B 991/09- 9, im Strafausspruch und im Kostenausspruch auf, weil der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt worden sei. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verfassungsgerichtshof ging in der Begründung seines Erkenntnisses davon aus, dass der angefochtene Bescheid spätestens am 13. Juli 2009 auf nichtelektronischem Wege zugestellt worden sei.

Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Beschwerdeführer macht u.a. geltend, der angefochtene Bescheid sei weder ihm noch seinen Vertretern per Telefax zugegangen. Die Zustellung sei erst am 13. Juli 2009 erfolgt. Dies sei aus seiner Sicht "dadurch bekräftigt", dass der Beschwerdeführer am 17. Juli 2009 einen Antrag auf Aufschiebung der Vollstreckung eingebracht habe. "Daher" sei die Beschwerde am 14. August 2009 eingebracht worden.

Da die strafbaren Taten aber bereits am 12. Juli 2006 abgeschlossen gewesen seien, sei Strafbarkeitsverjährung eingetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Sie entgegnete dem genannten Vorbringen des Beschwerdeführers, "die Zustellung des Bescheides ist in Form der Telefaxbestätigung vom 3. Juli 2009 aktenkundig".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 37 Abs. 1 des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, idF des Art. 4 Z. 48 Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 5/2008, lautet:

"Zustellung an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde

§ 37. (1) Zustellungen ohne Zustellnachweis können auch an einer elektronischen Zustelladresse oder über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde erfolgen. Bei der Zustellung an einer elektronischen Zustelladresse gilt das Dokument mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger als zugestellt. Bestehen Zweifel darüber, ob bzw. wann das Dokument beim Empfänger eingelangt ist, hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Bei der Zustellung über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach dem erstmaligen Bereithalten des Dokumentes als bewirkt."

Gemäß § 2 Z. 5 ZustG bedeutet "elektronische Zustelladresse":

eine vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren angegebene elektronische Adresse.

§ 37 Abs. 1 ZustG erfasst auch Zustellvorgänge per Telefax, da auch diese "elektronische Zustelladressen" iS des § 2 Z. 5 ZustG sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2009, Zl. 2008/03/0137). Grundsätzlich war es zulässig, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid per Telefax zuzustellen versuchte, weil die Beschwerdevertreter zuvor ihre Telefax-Nummer in ihren Schriftsätzen bekannt gegeben hatten.

Nach § 37 ZustG trägt die Behörde die Beweislast für "Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens". Aus einem Übertragungsprotokoll für eine Telefax-Sendung mit dem Vermerk "OK" kann für sich allein nicht der Schluss gezogen werden, dass die Zustellung eines behördlichen Schriftstückes mittels Telefax jedenfalls erfolgreich war, selbst bei missglückter Datenübermittlung ist ein "OK-Vermerk" technisch möglich (vgl. z. B. das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 25. März 2009 und das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2008, Zl. 2006/19/0606, mwN).

Der belangten Behörde wurde anlässlich der Aufforderung zur Aktenvorlage Gelegenheit gegeben, sich zum Beschwerdevorbringen zu äußern. Sie hat sich damit begnügt, auf den Sendebericht vom 3. Juli 2009 hinzuweisen. Sie hat aber kein Vorbringen erstattet, das die Behauptung des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid sei weder bei ihm noch bei seinen Vertretern per Telefax eingelangt, als unglaubwürdig erscheinen ließe oder das geeignet wäre, um von der Tatsache des Einlangens ausgehen zu können. Das Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz (auf das die belangte Behörde nicht einmal hinweist), wonach die Beschwerde am 14. August 2009 erhoben worden sei, könnte zwar als Indiz gewertet werden, dass der angefochtene Bescheid doch bereits am 3. Juli 2009 bei den Vertretern des Beschwerdeführers eingelangt sein könnte, weil die sechswöchige Beschwerdefrist gerechnet vom 3. Juli 2009 am 14. August 2009 endete, doch ist dieser Anhaltspunkt allein für sich nicht entscheidend, um von einem Einlangen des angefochtenen Bescheides per Telefax mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ausgehen zu können. Damit ist aber die Behauptung des Beschwerdeführers, die Zustellung sei erst am 13. Juli 2009 erfolgt, der Fristberechnung der Strafbarkeitsverjährung zu Grunde zu legen.

Die Frist des § 31 Abs. 3 Satz 1 VStG ist nur dann gewahrt, wenn die Berufungsentscheidung innerhalb der dort genannten Frist von drei Jahren gegenüber dem Beschuldigten rechtswirksam erlassen wurde. Die Erlassung an eine andere Verfahrenspartei ist hingegen nicht geeignet, diese Wirkung herbeizuführen (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), Seite 592 f, E 81, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Im gegenständlichen Fall war die Frist von drei Jahren nach dem Abschluss der strafbaren Handlung (12. Juli 2006) bereits mit Ende des 12. Juli 2009 abgelaufen, sodass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid am 13. Juli 2009 nicht mehr gegenüber dem Beschwerdeführer hätte erlassen dürfen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher (auch) in seinem (nach dem aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes betreffend Straf- und Kostenausspruch verbliebenen) Schuldspruch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 16. September 2010

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