VwGH 2010/08/0218

VwGH2010/08/021811.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der A KG in S, vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs/Donau, Unterauerstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. September 2010, Zl. GS5-A-948/795-2010, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1152;
ASVG §113 Abs2;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;
ABGB §1152;
ASVG §113 Abs2;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei ein Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.300,-- vorgeschrieben. Im Rahmen einer am 19. Februar 2010 erfolgten Kontrolle durch Organe des Finanzamtes L/Team KIAB, sei festgestellt worden, dass für die zumindest am 19. Februar 2010 pflichtversicherte YY. die Anmeldung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei.

Frau YY. habe zum Zeitpunkt der Betretung Kellnertätigkeiten im Restaurant C. der beschwerdeführenden Partei verrichtet. Es sei von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen. YY. habe angegeben, sie sei vom Bruder des "Chefs" eingestellt worden. Sie nehme Bestellungen auf, serviere und arbeite mit anderen Arbeitnehmern der beschwerdeführenden Partei zusammen. Sie habe bisher ca. fünfmal ausgeholfen, "ca. eine halbe Stunde". Auf die Frage, wie hoch die Entlohnung pro Stunde gewesen sei und mit wem diese vereinbart worden sei, habe sie angegeben: "Keine Entlohnung."

YY. sei hinsichtlich Arbeitsort, arbeitsbezogenem Verhalten sowie die sich darauf beziehenden, wenn auch möglicherweise nur indirekten arbeitsbezogenen Weisungs- und Kontrollbefugnisse an die Vorgaben der beschwerdeführenden Partei bzw. an jene des HA., dem seit 6. April 2005 bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigten Bruder des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei (des unbeschränkt haftenden Gesellschafters YA.), gebunden gewesen. Der Umstand, dass YY. allenfalls von sich aus gewusst habe, wie sie sich bei ihrer Tätigkeit zu verhalten habe, und dass die beschwerdeführende Partei auf deren Fachkunde habe vertrauen können, spreche nicht gegen das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit. Die Tätigkeiten seien im Kern an den Vorgaben der beschwerdeführenden Partei orientiert gewesen. YY. sei der stillen Autorität der beschwerdeführenden Partei unterlegen. Schon die Möglichkeit, Weisungen betreffend das arbeitsbezogene Verhalten zu erteilen, reiche für die Annahme persönlicher Abhängigkeit aus. Dass die Einstellung der YY. durch den Bruder des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei erfolgt sei, sei irrelevant. Der Geschäftsführer YA. sei auch in Abwesenheit für den Betrieb verantwortlich, zumal er HA. nicht angeleitet habe, derartige Personalmaßnahmen zu unterlassen. Auch das Kriterium der Entgeltlichkeit sei erfüllt. YY. habe niederschriftlich angegeben, sie habe für die Erbringung der Tätigkeit zwar keine Entlohnung erhalten, jedoch bereits ca. fünfmal ausgeholfen. Nach dem Anspruchslohnprinzip habe jeder Dienstnehmer grundsätzlich Anspruch auf Entgelt. Es sei irrelevant, ob Entgeltlichkeit vereinbart worden sei. Darüber hinaus seien YY. von der beschwerdeführenden Partei sämtliche für die Verrichtung ihrer Tätigkeit erforderlichen Betriebsmittel zur Verfügung gestellt worden.

In verfahrensmäßiger Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die beschwerdeführende Partei habe in ihrem Einspruch lediglich die Meldepflichtigkeit der Tätigkeit der YY. bestritten, jedoch keine Ausführungen zum konkreten Arbeitsverhältnis gemacht. Ihr sei das Ergebnis der KIAB-Anzeige am 31. März 2010 per Post zugestellt worden. Mit Schreiben vom 28. Juli 2010 sei der beschwerdeführenden Partei Parteiengehör zur Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zum Einspruch eingeräumt worden. Die Frist zur Erstattung eines Vorbringens sei ungenutzt verstrichen.

Die Vorschreibung des Beitragszuschlages sei dem Grunde nach zu Recht erfolgt. Die belangte Behörde könne keine Umstände erkennen, die für die vom Gesetz für eine Herabsetzung des Beitragszuschlags vorausgesetzten unbedeutenden Folgen der Nichtmeldung sprechen würden, sei doch YY. nach eigenen Angaben vor der Kontrolle bereits ca. fünfmal für die beschwerdeführende Partei tätig geworden. Dass die Meldung aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen nicht möglich gewesen sei, sei in Anbetracht der Möglichkeit der Mindestangabenmeldung ebenso auszuschließen. Der Beitragszuschlag setze sich aus einem Teilbetrag für den Prüfeinsatz von EUR 800,-- und aus dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung in Höhe von EUR 500,-- zusammen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die beschwerdeführende Partei hat hierauf repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die Bezirkshauptmannschaft L habe das parallel geführte Strafverfahren betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes mit Straferkenntnis vom 12. Mai 2010 gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG mit der Begründung eingestellt, dass der Tatbestand nicht erwiesen sei. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens würde sich ergeben, dass YY. ohne Entlohnung als Kellnerin im Restaurant der beschwerdeführenden Partei beschäftigt gewesen sei, weil ihr Freund der Bruder des Inhabers sei. Aus dem gesamten Akteninhalt sei nicht hervorgekommen, dass YY. tatsächlich gegen Entgelt beschäftigt worden sei. Der Umstand habe nicht mit einer für die Bestrafung notwendigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können. Die belangte Behörde sei ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit nicht nachgekommen und habe nicht jene Beweise aufgenommen, die zur Entscheidung in der Sache nach der Lage des Falles erforderlich gewesen seien. Sie habe nicht einmal den Versuch unternommen, auf die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft L Bedacht zu nehmen, YY. "zu deren Angaben über ihre unentgeltliche Tätigkeit näher zu befragen und im Gegenstand einzuvernehmen". Die belangte Behörde hätte "im Fall von Zweifel der Unentgeltlichkeit" YY. und HA. konkreter befragen müssen.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:

Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist. Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind (im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes) als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer - im Regelfall freilich auch vorliegender - Umstände (wie z. B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2007, Zl. 2005/08/0176, mwN).

Die Eingliederung eines Dienstnehmers in die vom Dienstgeber bestimmte Ablauforganisation am Ort der Arbeitserbringung indiziert das Vorliegen einer Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit, weil sie in der Regel bedeutet, dass der Dienstnehmer nicht die Möglichkeit hat, den insoweit vorgegebenen Ablauf der Arbeit jederzeit selbst zu regeln und auch zu ändern, wie es für den freien Dienstvertrag typisch ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2009/08/0123, mwN).

Bei der von YY. zumindest am 19. Februar 2010 für die beschwerdeführende Partei in deren Restaurant C. verrichteten Kellnertätigkeiten handelt es sich um manuelle Hilfstätigkeiten, die im organisatorischer Einbindung in den Restaurantbetrieb der beschwerdeführenden Partei erbracht worden sind. Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, Zl. 2007/08/0252, mwN). Atypische Umstände, die einer solchen Beurteilung entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich. Durfte die belangte Behörde daher von einem solchen Dienstverhältnis ausgehen, dann ergibt sich der Entgeltanspruch - sofern dieser nicht ohnehin in Kollektivverträgen oder Mindestlohntarifen geregelt ist - im Zweifel aus § 1152 ABGB (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 98/08/0270).

Die beschwerdeführende Partei hat sich im Verwaltungsverfahren auf den Standpunkt zurückgezogen, die Erstbehörde habe Feststellungen getroffen, ohne zum Ergebnis der Beweisaufnahme Gehör einzuräumen. Sie bestreitet indes nicht, dass ihr die Ergebnisse der Anzeige, die erstinstanzliche Entscheidung und die Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zum Einspruch zur Kenntnis gebracht worden sind und dass sie von der ihr eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht hat. Das in der Beschwerde erstmalig erstattete Vorbringen betreffend das Vorliegen einer familienhaften Beschäftigung - die im Rahmen einer Gesellschaft freilich nicht in Betracht käme - bzw. eines Gefälligkeitsdienstes kann wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) keine Berücksichtigung finden.

Im Übrigen bestreitet die Beschwerde nicht, dass die Anmeldung der YY. zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt am 19. Februar 2010 erstattet worden ist. Die Meldungen waren zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die KIAB noch nicht nachgeholt. Es liegt das typische Bild eines Meldeverstoßes vor. Von unbedeutenden Folgen iSd § 113 Abs. 2 ASVG kann deshalb nicht die Rede sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2010, Zl. 2010/08/0151). Ferner stellt der Umstand, dass das Beschäftigungsverhältnis nur kurz angedauert hat, keinen Grund dar, der iSd § 113 Abs. 2 ASVG besonders berücksichtigungswürdig wäre. Die belangte Behörde hat daher zu Recht davon Abstand genommen, die Teilbeträge des Beitragszuschlags iSd § 113 Abs. 2 ASVG herabzusetzen oder ganz entfallen zu lassen.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 11. Juli 2012

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