VwGH 2010/08/0199

VwGH2010/08/019927.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der B H in K, vertreten durch Dr. Georg Schuchlenz, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Wienergasse, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 10. August 2010, Zl. KUVS-13-14/8/2010, betreffend Übertretungen des ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1151;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;
ABGB §1151;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe als Dienstgeberin zu verantworten, dass zwei namentlich und mit dem Geburtsdatum bezeichnete Dienstnehmer vor Arbeitsbeginn am 8. April 2008 nicht beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden seien, dies obwohl § 33 ASVG anordne, dass Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Personen (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden hätten. Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 111 in Verbindung mit § 33 ASVG verletzt und es wurden über sie zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 365,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von jeweils zwei Tagen) verhängt.

Die belangte Behörde stellte fest, dass am 5. August 2008 um 10:00 Uhr durch Organe des Finanzamtes S eine Kontrolle der Baustelle V-Center V durchgeführt worden sei. Dabei seien die ungarischen Staatsangehörigen JS und ID beim Besichtigen und Ausmessen von Malerarbeiten angetroffen worden. JS habe angegeben, dass er als Subunternehmer für die beschwerdeführende Malermeisterin tätig sei. Die beiden ungarischen Staatsbürger hätten erst am 5. August 2008 um 8:00 Uhr die Arbeit aufgenommen.

JS verfüge in Ungarn "über das Gewerbe Malen, Anstreichen, Tapezieren, Schutz von Gebäuden und Holzkonstruktionen gegen Schädlinge und Korrosion und Gipsmontage" und sei von Mitte Juli 2007 bis August 2008 für das Unternehmen der Beschwerdeführerin immer wieder in Form von zuerst schriftlichen und anschließend mündlichen Werkverträgen tätig gewesen. Die Beschwerdeführerin habe JS, wenn Arbeit vorhanden gewesen sei, telefonisch kontaktiert, dann hätten sie sich am Ort der Baustelle getroffen und diese besichtigt und in der Folge hätte sie einen Auftrag erteilt. Im Rahmen der Besichtigung habe JS einen Pauschalbetrag genannt und es sei auch der Fertigstellungszeitpunkt festgelegt worden. Es habe sich jeweils um Malerarbeiten gehandelt und JS habe den vereinbarten Betrag im Anschluss an die Arbeiten dann auch in Rechnung gestellt. Die Rechnungen seien zumeist in bar ausbezahlt worden, ein Pönale sei nicht vereinbart gewesen. Eine laufende Kontrolle durch die Beschwerdeführerin habe es nicht gegeben. Es habe eine Endabnahme und eine Kontrolle nach Fertigstellung der Arbeiten gegeben. Bei wiederkehrenden Baubesprechungen sei der Verlauf der Arbeiten besprochen worden. Das Material für die Arbeiten sei teilweise von der Firma JS gekommen, teilweise von der Beschwerdeführerin, das Werkzeug habe von der Firma JS gestammt. Die Arbeitszeit habe sich JS selbst eingeteilt. Bei manchen Projekten habe die Firma JS sämtliche Malerarbeiten alleine durchgeführt. Die Beschwerdeführerin habe nicht kontrolliert, mit welchen Beschäftigten die Firma JS gearbeitet habe. Beim Bauvorhaben V-Center habe die Firma JS Spachtelarbeiten durchgeführt. Es habe sich dabei um Vorarbeiten gehandelt. Die Spezialarbeiten seien sodann von Stammarbeitskräften der Firma der Beschwerdeführerin durchgeführt worden. Bei dieser Baustelle habe die ungarische Firma JS auch die Betonträger gestrichen. In der Folge seien diese dann wiederum nochmals von Stammarbeitskräften der Firma der Beschwerdeführerin gestrichen worden.

Die Beschwerdeführerin sei JS bei der Erstellung von Rechnungen behilflich gewesen. Nach Angaben der Beschwerdeführerin habe es eine Gewährleistung in der Art gegeben, dass die Mängel entweder von der Firma JS behoben oder Entgeltabschläge vereinbart worden seien. Zwischen JS und ID habe es einen Arbeitsvertrag gegeben, datiert vom 21. April 2008, welchem jedoch keine tatsächlichen Arbeiten zu entnehmen seien. ID habe JS Rechnungen gestellt, wobei er jeweils die Hälfte der in den Rechnungen angegebenen Beträge, die JS an die Beschuldigte gestellt habe, erhalten habe.

Die Beschwerdeführerin habe JS und ID nicht zur Sozialversicherung angemeldet.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Darlegung der Bestimmungen der §§ 33 Abs. 1 und 111 Abs. 1 ASVG aus, dass von der Beschwerdeführerin ein Werkvertrag behauptet werde. Ein Werkvertrag liege nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt bestehe, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln müsse. Die Verpflichtung aus einem Werkvertrag bestehe darin, die genau umrissene Leistung in der Regel bis zu einem bestimmten Termin zu erbringen. Das Interesse des Bestellers bzw. die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers seien auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essentiell sei ein gewährleistungstauglicher Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Leistung des Werks beurteilt werden könnten. Mit Erbringung der Leistung ende das Werkvertragsverhältnis. Eine zwar leistungsbezogene, nicht aber erfolgsbezogene Entlohnung spreche gegen das Vorliegen eines Werkvertrages. Werde ein dauerndes Bemühen geschuldet, das bei Erreichen eines angestrebten Zieles auch kein Ende finde, spreche dies ebenfalls gegen einen Werkvertrag.

Für das Vorliegen eines Werkvertrags spräche insbesondere, dass die jeweiligen Arbeitsaufträge entsprechend der Anweisung der Beschwerdeführerin vor Ort erteilt worden seien. Das Material sei großteils von der Firma der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt worden. Die vorgelegten Rechnungen der Firma JS seien zum Großteil von der Beschwerdeführerin erstellt worden und es seien auch Vorarbeiten (zum Beispiel Streichen von Säulen) für die Stammarbeitskräfte der Firma der Beschwerdeführerin erledigt worden. Diese Sachverhalte würden insgesamt dafür sprechen, dass die beiden ungarischen Arbeitskräfte JS und ID arbeitnehmerähnlich verwendet worden seien.

Da die Beschwerdeführerin die beiden ungarischen Staatsangehörigen mit Arbeiten auf der Baustelle beauftragt habe, ohne sie vor Arbeitsantritt beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet zu haben, habe sie den ihr zur Last gelegten Tatbestand verwirklicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende Pflichtversicherung abzumelden.

Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG gilt Abs. 1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z. 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet. Dienstnehmer im Sinne des ASVG ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

2. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, dass der von der belangten Behörde als Dienstnehmer beurteilte JS selbständig erwerbstätig sei. Er verfüge in Ungarn über die Gewerbeberechtigung für Maler- Anstreicher- Tapeziererarbeiten sowie für Schutz von Gebäuden und Holzkonstruktionen gegen Pilze, Schädlinge und Korrosion und sei eindeutig als selbstständig Erwerbstätiger anzusehen. ID sei Angestellter des Einzelunternehmens JS und in Ungarn sozialversichert. JS sei in einem Werkvertragsverhältnis mit der Beschwerdeführerin gestanden und habe eine individualisierte und konkrete Leistung erbracht, für die er auch gewährleistungsverpflichtet gewesen sei.

3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2004/08/0066) kommt es für die Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall läge ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf seine Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt. Vom Dienstvertrag ist jedoch überdies der "freie Dienstvertrag" zu unterscheiden, bei dem es auf die geschuldete Mehrheit gattungsmäßig umschriebener Leistungen, die von seiten des Bestellers laufend konkretisiert werden, ohne persönliche Abhängigkeit ankommt.

4. Die Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 13. Juli 2010 wegen der Beschäftigung der ungarischen Staatsangehörigen JS und ID auch wegen Übertretungen des AuslBG bestraft; in diesem Bescheid wurden dieselben Feststellungen wie im hier angefochtenen Bescheid getroffen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den die Übertretungen des AuslBG betreffenden Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juli 2010 mit Erkenntnis vom 9. Dezember 2010, Zl. 2010/09/0184, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben und in der Begründung dargelegt, weshalb ausgehend von den getroffenen Feststellungen der belangten Behörde zwischen der Beschwerdeführerin und JS ein Werkvertragsverhältnis bestand und ID von JS - nicht von der Beschwerdeführerin - unselbständig beschäftigt wurde. Die in diesem Erkenntnis dargelegten Erwägungen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, führen auch im vorliegenden Fall die Beschwerde zum Erfolg: Da der Tätigkeit von JS für die Beschwerdeführerin aus den im zitierten Erkenntnis ausgeführten Gründen ein Werkvertrag zugrunde lag, nicht aber eine Beschäftigung in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit bzw. eine Beschäftigung, bei der die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwogen, bestand keine Verpflichtung der Beschwerdeführerin, JS als Dienstnehmer beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden; ID wiederum war als Dienstnehmer des JS nicht im Betrieb der Beschwerdeführerin beschäftigt, sodass die Beschwerdeführerin auch ihn nicht beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden hatte.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 27. April 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte