VwGH 2010/08/0135

VwGH2010/08/013530.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über den Antrag der DZ in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Ulla Reisch, Rechtsanwältin in 1020 Wien, Praterstraße 62-64, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 19. Februar 2010, Zl. BMSK-420838/0001- II/A/3/2008, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. April 2010 wurde der Antragstellerin die Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 19. Februar 2010, Zl. BMSK-420838/0001-II/A/3/2008, bewilligt. Dieser Beschluss wurde der Rechtsvertreterin der Antragstellerin als Verfahrenshilfevertreterin am 4. Mai 2010 zugestellt, sodass gemäß § 26 Abs. 1 und 3 VwGG die Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof am 15. Juni 2010 endete.

Nach rechtzeitiger Ausarbeitung der Beschwerde am 15. Juni 2010 wurde die eingetragene Frist im Kanzleikalender gestrichen und die Beschwerde an diesem Tag im Postbuch eingetragen, kuvertiert und in das Fach für Ausgangspost gelegt, um zum Postamt gebracht zu werden.

Der Kanzleipartner der Rechtsvertreterin der Antragstellerin, der die Ausgangspost zum Postamt brachte, hat beim Einpacken der Post in seinen Aktenkoffer das Kuvert mit der Beschwerde irrtümlich übersehen. Nach der mit dem Antrag vorgelegten eidesstättigen Erklärung dieses Kanzleipartners könne er sich dies nur damit erklären, dass die Beschwerde im Postausgangsfach zuunterst gelegen sei und er sich "vergriffen" habe; dies sei ihm bislang noch nie passiert.

Dieser Sachverhalt wurde von der Vertreterin der Antragstellerin durch Vorlage von Kopien aus dem Kanzleikalender und dem Postbuch sowie durch eine eidesstättige Erklärung des Kanzleipartners bescheinigt.

Mit dem am 16. Juni 2010 zur Post gegebenen Antrag begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Zugleich brachte sie auch die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 19. Februar 2010, Zl. BMSK-420838/0001-II/A/3/2008, ein (beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 2010/08/0136 protokolliert).

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos handeln, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Das Verschulden eines Vertreters ist der Partei zuzurechnen.

Im vorliegenden Fall ist die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde auf ein Versehen des mit der Postaufgabe betrauten Kanzleipartners der Rechtsvertreterin der Antragstellerin zurückzuführen. Überlässt ein Rechtsanwalt nach Unterfertigung eines Schriftsatzes dessen Postaufgabe einer verlässlichen Kanzleikraft und unterläuft dieser hiebei ein Versehen, so liegt dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich keine Verletzung der Sorgfaltspflicht zur Last (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 19. März 2001, Zl. 2001/20/0052), es sei denn, er hätte gegen seine Überwachungspflicht verstoßen. Nichts Anderes kann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Postaufgabe nicht durch eine Kanzleikraft, sondern durch einen mit dieser Aufgabe betrauten, von der betreffenden Partei jedoch nicht bevollmächtigten Kanzleipartner erfolgt. Denn auch dessen Verschulden ist der Partei nicht unmittelbar zurechenbar. Da kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Rechtsvertreterin der Antragstellerin auf die ordnungsgemäße Durchführung der Postaufgabe durch den Kanzleipartner nicht hätte vertrauen können, war dem Wiedereinsetzungsantrag daher gemäß § 46 VwGG stattzugeben.

Wien, am 30. Juni 2010

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