Normen
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §38;
NotstandshilfeV §2 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
VwRallg;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §38;
NotstandshilfeV §2 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund den Aufwand von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice S (AMS) vom 23. Februar 2010 wurde die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin gemäß § 33 AlVG sowie §§ 2 und 6 der Notstandshilfe-Verordnung unter Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin ab 18. Jänner 2010 in Höhe von EUR 5,37, ab 1. März 2010 in Höhe von EUR 7,50 und ab 1. April 2010 in Höhe von EUR 5,17 täglich bemessen. Gemäß § 2 Abs. 2 Notstandshilfe-Verordnung seien bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der Arbeitslosen selbst sowie des mit der Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten zu berücksichtigen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, die Berücksichtigung des Partnereinkommens verstoße gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot. Ihr stünde kein Unterhalt von ihrem Lebensgefährten zu. Ein solcher werde auch freiwillig nicht geleistet.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung nicht stattgegeben und ausgesprochen, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe ab dem 18. Jänner 2010 täglich EUR 5,37 und ab 1. März 2010 EUR 7,50 täglich betrage. Die Beschwerdeführerin lebe mit ihrem Lebensgefährten R H. und ihrer Tochter M K. im gemeinsamen Haushalt. Bei der Beurteilung der Notlage der Beschwerdeführerin werde das von ihrem Lebensgefährten im Dezember 2009 erzielte, bis zum 30. April 2010 gleichbleibende monatliche Nettoeinkommen von EUR 1.099,30 herangezogen. Die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin würde ohne Berücksichtigung des Einkommens ihres Lebensgefährten täglich EUR 17,33 (mit einem Familienzuschlag von EUR 0,97) betragen. Für Jänner und Februar 2010 werde ein Partnereinkommen von täglich EUR 11,96, ab März 2010 ein Partnereinkommen von täglich EUR 9,83 angerechnet. Da das Einkommen des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin im März 2010 noch nicht feststehe, könne auch noch nicht endgültig über die Anspruchshöhe im April 2010 entschieden werden. Der Betrag von EUR 5,37 täglich an Notstandshilfe für April 2010 stelle nur einen vorläufigen Wert dar, der auf der Annahme beruhe, dass sich das Einkommen des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin (Arbeitslosengeld) bis zum 31. März 2010 nicht mehr ändere. Der Auskunft der Beschwerdeführerin vom 22. März 2010 zufolge nehme ihr Lebensgefährte am 1. April 2010 die Arbeit beim vorigen Dienstgeber wieder auf.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift erwogen hat:
Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe u.a., dass sich der Arbeitslose in Notlage befindet.
Gemäß § 2 Abs. 1 der Notstandshilfe-Verordnung liegt Notlage vor, wenn das Einkommen des Arbeitslosen und das seines Ehepartners bzw. Lebensgefährten oder seiner Lebensgefährtin zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht ausreicht. Die Vorgangsweise bei Heranziehung des Einkommens des Ehepartners bzw. des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin für die Beurteilung der Notlage ist näher im § 6 der Notstandshilfe-Verordnung geregelt.
Die Beschwerdeführerin wendet sich nicht gegen die konkrete Berechnung der Höhe der Notstandshilfe. Sie weist darauf hin, dass sie bei ihrem Antrag auf Notstandshilfe vom 12. Jänner 2010 angegeben hat, mit ihrem Lebensgefährten R H. und ihrer Tochter M K. im gemeinsamen Haushalt zu leben.
Sie bringt jedoch vor, dass die reine Bezeichnung einer Person als "Lebenspartner" oder "Lebensgefährte" nicht ausreiche, dessen Einkommen zur Bemessung der Notstandshilfe heranzuziehen. Es wäre daher an der belangten Behörde gelegen, nähere Erkundigungen zur tatsächlichen Ausgestaltung des Zusammenwohnens zu treffen. Da dies nicht erfolgt sei, liege eine unvollständige Sachverhaltsermittlung vor. Es liege keine Lebensgemeinschaft iSd Notstandshilfe-Verordnung vor. Bei ihrer Einvernahme bzw. der ihres Partners hätte sich ergeben, dass diese in keiner Wirtschaftsgemeinschaft verbunden seien und sich gegenseitig weder bei der Bestreitung des jeweiligen Unterhalts unterstützen noch im Zuge der Wohngemeinschaft die Freizeit weitgehend gemeinsamen verbringen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber - wie auch bei einer Ehe - das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessen Willen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar. Unter dem Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft ist zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen, etwa auch die Freizeit weitgehend gemeinsam verbringen. Der im Gesetz angeordneten Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten liegt offenkundig die Annahme zu Grunde, dass dieser wegen der Lebens- (Wohn-)Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil (etwa durch Mitfinanzierung der Miete oder der Ernährung) beiträgt. Gemeinsames Wohnen allein begründet auch zwischen Personen, die gemeinsame Kinder haben, noch keine Lebensgemeinschaft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2006, Zl. 2004/08/0263).
Für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft genügt die Mitfinanzierung der Miete der gemeinsamen Wohnung durch den Notstandshilfe beanspruchenden Partner. Wird die Miete zur Gänze von dem nicht die Notstandshilfe beanspruchenden Lebensgefährten getragen, bedeutet dies einen noch größeren Beitrag zur gemeinsamen Lebensführung durch diesen. Auch wenn dadurch kein "gemeinsames Wirtschaften" in dem Sinne erfolgt, dass jeder Lebensgefährte (s)einen Teil beiträgt, liegt in der Übernahme der gesamten Wohnkosten durch denjenigen Partner, der nicht die Notstandshilfe beansprucht, genau jene finanzielle Unterstützung des anderen, welche eine Lebensgemeinschaft kennzeichnet und die die Anrechnung des Partnereinkommens sachlich rechtfertigt (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2004/08/0263).
Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren in ihrem Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe auf den gemeinsamen Haushalt mit ihrem Lebensgefährten hingewiesen und nicht behauptet, dass ihre Lebensgemeinschaft in Bezug auf die oben genannten Kriterien atypisch gestaltet wäre. Sie hat in ihrem Einspruch lediglich vorgebracht, von ihrem Lebensgefährten keinen Unterhalt zu beziehen, worauf es jedoch nach dem Gesagten nicht ankommt. Die belangte Behörde hatte keine Veranlassung, am Vorliegen der oben dargestellten Voraussetzungen für eine Lebensgemeinschaft zu zweifeln und entsprechende Ermittlungen vorzunehmen, zumal die Beschwerdeführerin in einem an das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend gerichteten Mail vom 9. März 2010 ausführte, dass sie seit 14 Monaten mit ihrem Freund zusammenlebe, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten könne. Der Freund habe ihr geholfen, ihre Schulden zu bezahlen. Die Wohnung gehöre ihm und mit dem Auto und der Versicherung sowie dem Benzin sei sein gesamtes Einkommen aufgebraucht. Sie würde für drei Personen Essen kaufen. Auch das Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin werde "gezwungen, sich von ihrem Lebenspartner zu trennen", ist ein weiterer Hinweis auf das Bestehen einer Lebensgemeinschaft im oben beschriebenen Sinn.
Die Beschwerde bringt vor, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Anrechnung des Partnereinkommens zu einer Ungleichbehandlung führen. Es werde "direkt in die persönliche Entscheidungsfreiheit der Beschwerdeführerin eingegriffen". Um der Anrechnung des Partnereinkommens zu entgehen, würde diese "gezwungen, sich von ihrem Lebenspartner zu trennen". Ein derartiger Eingriff in die persönliche Entscheidungsfreiheit könne vom Gesetz nicht verlangt werden. Es sei nicht ersichtlich, warum das von der belangten Behörde angeführte sozialpolitische Ziel nicht auch dann erreicht werden könnte, wenn die Anrechnung des Partnereinkommens unterbleiben würde. Es wäre durchaus denkbar und zielführend, dass einer in einer Notlage befindlichen Person jedenfalls ein Mindest- oder Sockelbetrag zuerkannt werde und lediglich die darüber liegenden Beträge unter Berücksichtigung des Partnereinkommens ausgemessen würden. Eine Berücksichtigung des Partnereinkommens in jedem Fall sei weder zweckmäßig noch notwendig, um das vom Staat beabsichtigte sozialpolitische Ziel zu erreichen. Werde trotz vorhandenen Einkommens des Partners von diesem keine Unterstützung gewährt, werde eine Notstandshilfebezieherin sogar noch schlechter gestellt, als wenn sie keinerlei partnerschaftliche Verbindungen aufweisen würde. Die aktuelle Regelung führe bei der Ausmessung von Notstandshilfeleistungen zu einer Ungleichbehandlung, "da auf Grund der aktuellen gesellschaftspolitischen Verhältnisse die Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen nach wie vor ungleich gestaltet ist". Zudem werde auf Grund der biologischen Gegebenheiten sowie der familienpolitischen Situation ungleich öfter eine Abhängigkeit von weiblichen Notstandshilfebewerberinnen gegenüber ihren Lebenspartnern bestehen oder als gegeben angenommen, wie im gegenständlichen Fall, was zu einer weiteren gravierenden Ungleichbehandlung führe, als dies umgekehrt der Fall sei. Es werde daher angeregt, eine Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof einzuholen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 14. Jänner 2004, Zl. 2003/08/0002, mit der Problematik der Anrechnung des Partnereinkommens für Notstandshilfebezieher auseinander gesetzt und vermochte der Rechtsprechung des EuGH keine gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze zu entnehmen oder solche sonst zu erblicken, aus denen abgeleitet werden könnte, dass nach Ablauf des Anspruches auf Arbeitslosengeld ein garantiertes "Mindesteinkommen" unabhängig von der wirtschaftlichen Lage einer arbeitslosen Person gewährt werden müsste und nur der ein solches (gemeint gleichsam: geschütztes) Mindesteinkommen übersteigende Betrag einer Minderung durch Einkommensanrechnung unterworfen werden dürfte. Ob und welche Transferzahlungen ein Staat in einem derartigen Fall unabhängig von Einkommen und Vermögen als "Grundleistung" gewähre, liege in seinem sozialpolitischen Ermessen. Was im Zusammenhang mit der Anrechnung von Einkommen die Gleichbehandlung von Lebensgefährten, die im gemeinsamen Haushalt leben, mit Ehepartnern betreffe, so ergebe sich ihre Zulässigkeit aus der Überlegung, dass die Bejahung des Bestehens einer Lebensgemeinschaft eine nach dem Vorbild der Ehe geführte Wirtschaftsgemeinschaft definitionsgemäß voraussetze, sodass in jenen Fällen, in denen das Bestehen einer Lebensgemeinschaft zu bejahen sei, auch die Gleichbehandlung mit der ehelichen Gemeinschaft im hier maßgebenden Zusammenhang unbedenklich sei.
Die Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens des Ehemannes bzw. Lebensgefährten bei der Beurteilung der Notlage der im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehefrau bzw. Lebensgefährtin im Zusammenhang mit der Gewährung von Notstandshilfe ist daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowohl mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 2004, Zl. 2004/08/0033) als auch verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2004, Zl. 2002/08/0038). Die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente bieten keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 16. März 2011
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