VwGH 2010/07/0137

VwGH2010/07/013726.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde

1. des mj. B E in M, 2. des G G in R, 3. der Dr. B R in F, 4. der

B - Bürgerinitiative und 5. des Dr. G R in W, alle vertreten durch Dr. Helmut Venus und Mag. Herbert Lienhart, Rechtsanwälte in 8280 Fürstenfeld, Augustinerplatz 7, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 11. Juni 2010, Zl. US 1A/2009/6-142, betreffend

R Reststoffverwertungsanlage H (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; mitbeteiligte Parteien: 1. R GmbH und 2. B GmbH, beide in H, beide vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH, in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16),

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
UVPG 2000 §19;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
UVPG 2000 §19;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der angefochtene Bescheid wird aufgrund der vom Erstbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführerin erhobenen Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben;

II. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführerin, der Viertbeschwerdeführerin und dem Fünftbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 19. Oktober 2007 stellte die erstmitbeteiligte Partei an die Burgenländische Landesregierung einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur thermischen Verwertung nicht gefährlicher Abfälle im Wirtschaftspark H gemäß dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (im Folgenden: UVP-G 2000). In weiterer Folge trat die zweitmitbeteiligte Partei dem Verfahren bei.

Die Behörde erster Instanz machte mit Edikt vom 26.1./28.1.2008 den Antrag kund, wobei die Auflage der Unterlagen zur öffentlichen Einsicht im Zeitraum 30.1.2008 bis 13.3.2008 angekündigt wurde. Die Kundmachung umfasste u.a. auch den Hinweis auf die Notwendigkeit schriftlicher Einwendungen zur Wahrung der Parteistellung.

Gegen dieses Vorhaben erhoben die Beschwerdeführer mit Ausnahme des Zweitbeschwerdeführers Einwendungen:

Der minderjährige Erstbeschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, brachte mit (Muster-)Einwendung vom 13. März 2008 unter anderem vor, dass es durch die geplante Anlage zu Feinstaubbelastung und zur Ablagerung von Umweltspeichergiften käme, wobei letztere den Beschwerdeführer (wohnhaft in M) in seiner Gesundheit und seinem Leben beeinträchtigen würden. Durch die lange Betriebsdauer käme es darüber hinaus auch zu einem Eintrag dieser giftigen chemischen Verbindungen in Boden und Grundwasser. Darüber hinaus brächte die Anlage auch Beeinträchtigungen des Tourismus und des Landschaftsbildes mit sich.

Der Zweitbeschwerdeführer erhob keine Einwendungen.

Die Drittbeschwerdeführerin (wohnhaft in F) erhob mit Eingabe vom 11. März 2008 ausführliche Einwendungen. Darin befürchtete sie unter anderem durch die Anlage verursachte Lärm- und Geruchsbelästigung, Beeinträchtigungen der Gesundheit durch Feinstaub und durch die auch in der Einwendung des Erstbeschwerdeführers angeführten Umweltspeichergifte, die zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung der Drittbeschwerdeführerin führen würden. Darüber hinaus verwies die Drittbeschwerdeführerin unter anderem auf Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes, der naheliegenden Naturparks und der nachbarschaftlichen Beziehungen zu Ungarn.

Die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer erhoben schließlich mit Schreiben vom 12. März 2008 respektive vom 11. März 2008 ebenfalls Einwendungen gegen das geplante Projekt.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2009 wurde der erstmitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur thermischen Verwertung nicht gefährlicher Abfälle unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt.

Spruchpunkt IV. lautet auszugsweise:

"Der Genehmigungsantrag, die nach den Verwaltungsvorschriften für die Genehmigung des Vorhabens erforderlichen Unterlagen und die Umweltverträglichkeitserklärung lagen (…) zur öffentlichen Einsicht auf.

In diesem Zeitraum haben mehrere Personen bzw Institutionen bei der Burgenländischen Landesregierung Einwendungen erhoben.

Über diese Einwendungen wird wie folgt abgesprochen:

  1. 1. (…)
  2. 2. Die Einwendungen der Selbstverwaltung der Hauptstadt Budapest, der Komitatsverwaltung V und der Selbstverwaltung der Stadtgemeinde G, werden als unzulässig zurückgewiesen.

    3. Die verbleibenden Einwendungen werden, soweit ihnen nicht durch die in Spruchpunkt III enthaltenen Nebenbestimmungen Rechnung getragen wird, als unbegründet abgewiesen und gelten als miterledigt im Sinne der Subsidiaritätsbestimmung des § 59 Abs. 1

    2. Satz AVG.

    4. (…)

    (…)"

    In der "Darstellung des Verfahrensablaufes" führte die belangte Behörde eine Liste von "Rechtspersonen" an, die Einwendungen erhoben hätten. Unter diesen Namen findet sich nicht der des Zweitbeschwerdeführers.

    Gegen diesen Bescheid beriefen alle Beschwerdeführer.

    Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. Juni 2010 wurden die Berufungen des Erst- und Zweitbeschwerdeführers sowie der Drittbeschwerdeführerin in Spruchpunkt II.A. "wegen Präklusion als unzulässig zurückgewiesen". Die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer wurden im Spruch nicht namentlich erwähnt, jedoch wurden in Spruchpunkt II.F. "Im Übrigen (…) die Berufungen einschließlich der Eventualanträge abgewiesen".

    In der Begründung führte die belangte Behörde zur Präklusion unter anderem aus:

    "Die Befugnis, im Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G 2000 das Rechtsmittel der Berufung zu ergreifen, setzt zum einen voraus, dass dem Berufungswerber Parteistellung im Sinne des § 19 UVP-G 2000 zukam, zum anderen aber auch, dass er diese nicht durch Versäumnis der rechtzeitigen Erhebung qualifizierter Einwendungen verloren hat (…)

    (…)

    Wurde ein Antrag durch Edikt kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass Personen ihre Stellung als Partei verlieren, soweit sie nicht oder nicht rechtzeitig bei der Behörde schriftlich Einwendungen erheben. § 42 Abs. 3 AVG ist sinngemäß anzuwenden (§ 44 b Abs. 1 AVG).

    (…)

    Da das Edikt den obgenannten Anforderungen entsprach, ist bei jenen Personen der Verlust der Parteistellung eingetreten, die nicht rechtzeitig bei der Behörde schriftliche Einwendungen erhoben haben. Dies betrifft die im Spruchteil II.A. angeführten Personen, deren Berufung somit als unzulässig zurückzuweisen war."

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

    Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

    Die mitbeteiligten Parteien erstatteten ebenfalls eine (gemeinsame) Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer bringen hinsichtlich der Zurückweisung wegen Präklusion vor, Dr. J. R. (der Vertreter der Viertbeschwerdeführerin) habe am 12. März 2009 bei der Einlaufstelle des Amtes der Burgenländischen Landesregierung insgesamt 1561 schriftliche Einwendungen - darunter jene der ersten drei Beschwerdeführer - überreicht. Man habe ihm eine schriftliche Bestätigung jedoch trotz entsprechender Aufforderung nicht hinsichtlich jeder einzelnen Einwendung ausgefolgt.

2. Die belangte Behörde erklärt in ihrer Gegenschrift hinsichtlich der Zurückweisung der Berufungen, dass sich in den Aktenunterlagen zwar Einwendungen des Erstbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin fänden, nicht jedoch solche des Zweitbeschwerdeführers, sodass die Zurückweisung seiner Berufung zu Recht erfolgt sei.

Hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin stehe zwar fest, dass diese Einwendungen erhoben und die Parteistellung daher nicht verloren hätten. Die belangte Behörde sei jedoch jedenfalls hinsichtlich der geltend gemachten subjektiven Rechte auf das Vorbringen dieser beiden Beschwerdeführer inhaltlich eingegangen und habe hier auch in der Sache entschieden. Aus dem Umstand, dass sich die belangte Behörde mit den inhaltlich identen Berufungen anderer Rechtsmittelwerber in der Sache befasst habe, folge somit, dass das Vorbringen dieser Beschwerdeführer inhaltlich behandelt worden sei. Im angefochtenen Bescheid sei auf Seite 108 auch unter namentlicher Erwähnung der Drittbeschwerdeführerin auf ihre Stellungnahme eingegangen worden, was die belangte Behörde nicht getan hätte, wenn sie von der Unzulässigkeit der Berufung ausgegangen wäre und eine Zurückweisung beabsichtigt hätte. Der unzutreffenden Verwendung des Wortes "zurückgewiesen" für eine Sachentscheidung im Einparteienverfahren sei die irrtümliche Zuordnung der Namen von Berufungswerbern zu einer Auflistung unzulässiger Berufungen in einem Vielparteienverfahren gleichzuhalten, wenn das Vorbringen der Rechtsmittelwerber inhaltlich behandelt worden sei. Dies sei offenkundig und nachvollziehbar geschehen, sodass eine Umdeutung zulässig und somit den genannten Beschwerdeführern das Recht auf eine Entscheidung in der Sache nicht verwehrt worden sei.

3. Zur Abweisung der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers:

Gemäß § 42 Abs. 1 UVP-G 2000 ist, soweit in diesem Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren getroffen werden, bei der Durchführung dieses Bundesgesetzes das AVG anzuwenden.

Nach § 44b Abs. 1 AVG hat die Kundmachung eines Antrages durch Edikt zur Folge, dass Personen ihre Stellung als Partei verlieren, soweit sie nicht rechtzeitig bei der Behörde schriftlich Einwendungen erheben.

Es ist unstrittig, dass die Bekanntmachung des Antrages der erstmitbeteiligten Partei durch Edikt ordnungsgemäß erfolgte.

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten finden sich keine Einwendungen des Zweitbeschwerdeführers. Sein Name ist auch im erstinstanzlichen Bescheid unter den dort verzeichneten Personen, die Einwendungen erhoben haben, nicht zu finden. Der Zweitbeschwerdeführer ist auch den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift, wonach er keine Einwendungen erhoben habe, nicht entgegengetreten. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass er keine Einwendungen erhoben hat. Die Zurückweisung seiner Berufung erfolgte somit zu Recht.

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes infolge der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin:

Die Zurückweisung der Berufungen durch die belangte Behörde erfolgte "wegen Präklusion". Auch in der Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass der Erstbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben hätten und deshalb mit Zurückweisung vorzugehen gewesen sei. Tatsächlich haben jedoch diese beiden Beschwerdeführer, wie auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift eingesteht, rechtzeitig Einwendungen gegen die gegenständliche Anlage erhoben, sodass eine Zurückweisung wegen Präklusion unzulässig war.

Wenn nun die belangte Behörde meint, die Zurückweisung in eine Abweisung umdeuten zu können, da die belangte Behörde auf inhaltsgleiche andere Berufungen eingegangen sei und auch die Drittbeschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid namentlich erwähnt habe, so ist dem zu entgegnen, dass die Berufungen dieser Beschwerdeführer "wegen Präklusion als unzulässig zurückgewiesen" wurden. Damit wurde aber schon im Spruch des angefochtenen Bescheides auch der Grund für die Zurückweisung ausdrücklich zitiert; eine Umdeutung in eine Abweisung ist damit wegen der Eindeutigkeit des Spruches nicht mehr möglich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1986, 85/05/0005).

Darüber hinaus ist aber auch dem insofern eindeutigen Willen der Behörde im angefochtenen Bescheid, entgegen ihrer gegenteiligen Ausführungen in der Gegenschrift, zu entnehmen, dass eine Zurückweisung der Berufungen der beiden Beschwerdeführer von der belangten Behörde auch gemeint war. Von einem Vergreifen im Ausdruck kann hier nicht die Rede sein, zeigt doch die mit der mangelnden Parteistellung aufgrund Präklusion argumentierende Begründung, dass der Wille der belangten Behörde auf eine Zurückweisung gerichtet war. Ein Umdeuten dieses eindeutigen behördlichen Willens ist unzulässig. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch Elemente finden, die auf eine (im Übrigen nur indirekte) inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen der beiden Beschwerdeführer hinauslaufen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. April 1996, 95/07/0203).

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

5. Zur Einstellung wegen Gegenstandslosigkeit hinsichtlich der Beschwerden der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers:

Im Hinblick auf die aufgrund der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin sowie der von anderen Beschwerdeführern zu Zl. 2010/07/0129 erhobenen Beschwerde (ebenfalls mit Erkenntnis vom heutigen Tag) erfolgte Aufhebung des angefochtenen Bescheides war die Beschwerde der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers infolge der dadurch bewirkten Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG mit Beschluss einzustellen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Umsatzsteuer nach § 47 Abs. 1 VwGG nicht gesondert zuzusprechen war, weil diese bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. April 1999, 94/13/0097). Da die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift erklärt hat, zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers nichts vorzubringen, liegt in Bezug auf diesen Beschwerdeführer keine Gegenschrift vor, sodass sich ein Abspruch über das Kostenbegehren erübrigte.

Wien, am 26. April 2012

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