VwGH 2010/05/0080

VwGH2010/05/008027.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des DI W M und 2. der Mag. B M, beide in Wien, beide vertreten durch die Dr. Udo Elsner Rechtsanwalt KG in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/21, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. Jänner 2010, Zl. BOB- 619/09, betreffend eine Bauangelegenheit (weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: P GesmbH in Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §134 Abs4;
BauO Wr §134a;
BauO Wr §70;
BauO Wr §70a Abs8;
BauO Wr §70a;
BauRallg;
AVG §42;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §134 Abs4;
BauO Wr §134a;
BauO Wr §70;
BauO Wr §70a Abs8;
BauO Wr §70a;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundehauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte (in der Folge: Bauwerberin) brachte am 27. Dezember 2007 (Schreiben vom 20. Dezember 2007) ein Bauansuchen gemäß § 70a Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) betreffend die Errichtung eines Wohnhauses samt Tiefgarage in Wien 12, K-Straße 2, ein und legte Baupläne sowie die Erklärung des Ziviltechnikers DI W. vor.

Nach aufgetragener Korrektur und Ergänzung der Unterlagen und Baupläne sowie neuerlicher Bestätigung des Ziviltechnikers DI W. wurde in Aktenvermerken des Magistrates der Stadt Wien, MA 37/12, 13 vom 5. Mai 2008 und vom 10. Juni 2008 festgehalten, dass die Voraussetzungen für das vereinfachte Baubewilligungsverfahren gemäß § 70a Abs. 1 BO erfüllt seien, die Einreichung iSd §§ 67 Abs. 1 und 70a Abs. 1 und 3 BO überprüft worden sei und kein Untersagungsgrund vorliege.

Mit Schreiben eines Bauunternehmens (namens der Bauwerberin) vom 15. Oktober 2008 (eingelangt am 20. Oktober 2008) wurde der Baubeginn mit 20. Oktober 2008 angezeigt. Laut Aktenvermerk vom 24. Oktober 2008 seien im Zuge einer örtlichen Erhebung am selben Tag keine Betonarbeiten festgestellt worden. Die Bautafel sei samt Bauzaun im hintersten Bereich der Baustelle abgestellt worden, sonst habe keine zusätzliche Bautafel am anderen Liegenschaftsende erkannt werden können. Einem im Verfahrensakt einliegenden "Bearbeitungsbogen - Baubeginn § 70a" ist zu entnehmen, dass der Baubeginn für 20. Oktober 2008 angezeigt worden und die Überprüfung am 7. November 2008 erfolgt sei. Zufolge des Aktenvermerks vom 7. November 2008. Es seien Hinweistafeln montiert gewesen, der Kran stehe und der Baubeginn werde "akzeptiert". Laut Aktenvermerk vom 31. August 2009 habe die telefonische Rücksprache mit DI H. ergeben, dass die Aufstellung einer Baubeginntafel auf der Baustelle überprüft worden und der Baubeginn auch mit dem angezeigten 20. Oktober 2008 anzunehmen sei.

Am 30. April 2009 hatte die Bauwerberin gemäß § 73 Abs. 2 BO die Bewilligung eines Planwechsels beantragt.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2009 (eingelangt am 3. August 2009) brachten die Beschwerdeführer als Miteigentümer des unmittelbar an die verfahrensgegenständliche Liegenschaft angrenzenden Grundstücks in Wien 12., K-Straße 4, für das weitere Verfahren wesentlich Folgendes vor:

"II. Antrag auf Parteistellung

Die Bauwerberin hat für das Bauvorhaben auf der Liegenschaft 1120 Wien, K…straße 2 Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben beantragt.

Die Einschreiter sind Miteigentümer der Liegenschaft 1120 Wien, K…straße 4, bei welcher es sich die unmittelbar benachbarte Liegenschaft handelt. Da gesamte Gebäude K…straße 4 hat mit der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft eine gemeinsame Grundstücksgrenze und ist daher von der geplanten Bauführung betroffen.

Aufgrund der beabsichtigten Bauführung werden die Einschreiter in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt und wird ihnen Parteistellung zuzuerkennen sein. Die Einschreiter erheben gegen das Bauvorhaben folgende

III. Einwendungen

1) Nichteinhaltung des seitlichen Bauabstandes zur gemeinsamen Grundgrenze - § 134a Abs. 1 lit. a) der BO für Wien

(…)

2) Überschreitung der flächenmäßigen Ausnutzbarkeit des Bauplatzes - § 134a Abs. 1 lit. b) der BO für Wien

(…)

3) Überschreitung der ortsüblichen und zumutbaren Immissionen - § 134a Abs. 1 lit. d) der BO für Wien

(…)

Wie es dazu gekommen ist, dass zunächst eine Baugenehmigung gemäß § 70a der BO für Wien erwirkt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Durch die Nichteinbeziehung der Anrainer im bisherigen Bauverfahren wurden deren Anrainerrechte unzulässiger Weise übergangen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Baugenehmigung gemäß § 70a der BO für Wien wird ausdrücklich bestritten. Bereits im bisherigen Bauverfahren wären daher die Anrainer beizuziehen gewesen, weshalb die Nichtigkeit der bisherigen Baugenehmigung eingewendet wird.

Die Einschreiter stellen sohin den Antrag die beantragte Baubewilligung und die beantragte Änderung der Baugenehmigung abzuweisen. (…)"

Mit Bescheid vom 3. September 2009 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung (in der Folge: MA) 64 gemäß § 70a Abs. 8 iVm § 134 Abs. 1 BO die erhobenen Einwendungen, "das Verfahren sei unzulässiger Weise ohne Einbindung der Nachbarn durchgeführt worden und es würden die Voraussetzungen für eine Baugenehmigung gemäß § 70a BO nicht vorliegen", als unzulässig zurück.

Begründend hielt die erstinstanzliche Behörde zusammengefasst fest, dass die Beschwerdeführer am 3. August 2009 und somit außerhalb der gemäß § 70a Abs. 8 BO festgelegten drei Monate ab Baubeginn Einwendungen erhoben hätten, weshalb sie im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung erlangt hätten. Laut Erhebung der Amtssachverständigen der MA 37/12 sei auf der betroffenen Liegenschaft eine Tafel zur Ersichtlichmachung des Baubeginns gemäß § 124 Abs. 2a BO ordnungsgemäß angebracht gewesen. Dies sei von den Nachbarn durch ihren rechtskundigen Vertreter auch nicht bestritten worden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung sahen die Beschwerdeführer einen wesentlichen Verfahrensmangel darin, dass das bisherige Verfahren nach § 70a BO geführt und die Verfahrensart nachträglich ohne Kenntnis der Beschwerdeführer gewechselt und der Verfahrensinhalt geändert worden sei. Die Baubehörde hätte spätestens mit Vorlage eines Planwechsels, aus welchem sich eine notwendige Änderung der Verfahrensart ergebe, von Amts wegen prüfen müssen, ob die Baustelle bis zu diesem Zeitpunkt entsprechend den Voraussetzungen des § 70a BO geführt worden sei. Die Unrichtigkeit der gemäß § 70a Abs. 1 BO vom Ziviltechniker abgegebenen Erklärung wäre von Amts wegen aufzugreifen und die auf einer falschen tatsächlichen Grundlage erteilte Genehmigung gemäß § 70a BO aufzuheben gewesen. Das gegenständliche Verfahren unterliege zumindest seit 8. Juli 2009 den §§ 70 und 134 BO. Die Beschwerdeführer hätten mit Schriftsatz vom 31. Juli 2009 sowie auch bei der Verhandlung am 3. August 2009 (gemeint: im Verfahren betreffend den Planwechsel) konkrete und begründete Einwendungen erhoben, wozu auch jene über die Unzulässigkeit des vereinfachten Bewilligungsverfahrens nach § 70a BO gehöre. Hinsichtlich des Hinweises der Behörde auf eine Tafel zur Ersichtlichmachung des Baubeginns fehle im Bescheid der exakte Zeitpunkt der Anbringung, weshalb deren Rechtzeitigkeit bestritten werde. Im gegenständlichen Fall könne eine allfällige Versäumung der 3-Monatsfrist des § 124 Abs. 2a BO nicht zulasten der Beschwerdeführer geltend gemacht werden, wenn sich die Bauwerberin bei der Bauausführung nicht an den Inhalt der Einreichplanung halte "und/oder" bereits die ursprüngliche vom Ziviltechniker gemäß § 70a Abs. 1 BO abgegebene Erklärung objektiv unrichtig sei, weil die dafür erforderlichen Bebauungsbestimmungen und Grenzen nicht eingehalten würden. Stelle sich, was von der Behörde amtswegig zu überprüfen sei, nachträglich die Unrichtigkeit einer derartigen Erklärung heraus, so könne es zu keiner den Anrainern und Beschwerdeführern anzulastenden Fristversäumnis gekommen sein, weil diese - ohne ihr Verschulden - auf Grund einer "Fehlinformation" an der rechtzeitigen Geltendmachung von Einwendungen gehindert gewesen seien. Schließlich wiederholten die Beschwerdeführer die Einwendungen betreffend den seitlichen Bauabstand, die Überschreitung der flächenmäßigen Ausnutzbarkeit des Bauplatzes und die ortsüblichen und zumutbaren Immissionen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und den angefochtenen Bescheid bestätigt.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen aus, dass auf Grund des Baubeginns am 20. Oktober 2008 Nachbarn längstens bis zum 20. Jänner 2009 (und selbst nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer nur bis zum 7. Februar 2009) Einwendungen erheben hätten können. Wie dem Akt zu entnehmen sei, hätten die Beschwerdeführer erstmals mit Schreiben vom 31. Juli 2009 Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben. Die Einwendungen seien daher erst nach Ablauf der im § 70a Abs. 8 BO genannten gesetzlichen Frist eingebracht worden, sodass diese als verspätet anzusehen seien und die Beschwerdeführer im Bewilligungsverfahren gemäß § 70a BO keine Parteistellung erlangt hätten. Entgegen dem Einwand, die Baubeginntafeln seien nicht rechtzeitig aufgestellt worden, stehe auf Grund der Aktenvermerke vom 7. November 2008 und 31. August 2009 sowie dem Bearbeitungsbogen "Baubeginn 70a BO" fest, dass die Aufstellung der Baubeginntafel überprüft und vom Amtssachverständigen für korrekt befunden worden sei. Die ordnungsgemäße Aufstellung der Tafel sei von den Beschwerdeführern nicht mehr konkret in Abrede gestellt worden. Zudem lasse sich aus dem Akt und den Ausführungen der Beschwerdeführer nicht entnehmen, dass die Bauführung für sie als solche nicht erkennbar gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die Bauwerberin, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, dass die Baubehörde das ihr vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessen bei der Wahl der Verfahrensart überschritten habe. Die Baubehörde hätte statt des unzulässigen vereinfachten Bewilligungsverfahrens gemäß § 70a BO von Beginn an ein ordentliches Verfahren gemäß § 70 BO zu führen gehabt. Der von der Baubehörde vorgenommene willkürliche Verfahrenswechsel zwischen vereinfachtem und ordentlichem Verfahren sei in der Bauordnung für Wien nicht vorgesehen und widerspreche sowohl dem Legalitätsprinzip als auch dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip. Da die Beschwerdeführer innerhalb eines Monats ab Kenntnis über das Verfahren gemäß § 70 BO konkrete und begründete Einwendungen erhoben hätten, die jedenfalls als rechtzeitig anzusehen seien, stehe ihnen damit Parteistellung zu. ISd § 134 Abs. 3 und 4 BO hätten die Beschwerdeführer auch keine Frist versäumen können, zumal ihre Einwendungen schon vor und bei der ersten mündlichen Verhandlung erhoben worden seien. Damit sei die bloße Anbringung einer Tafel mit dem Hinweis auf ein vereinfachtes Baubewilligungsverfahren bzw. die tatsächliche Bauführung rechtlich unerheblich. Da die Beschwerdeführer auf die Richtigkeit der Bestätigung des Ziviltechnikers betreffend die Grundlagen für die Anwendung des § 70a BO und der diesbezüglichen Prüfung der Baubehörde vertraut hätten, könne es zu keiner Fristversäumnis kommen, wenn sich nachträglich die Unrichtigkeit einer derartigen Erklärung herausstelle. Ein allfälliges Fristversäumnis der 3-Monatsfrist des § 124 Abs. 2 BO liege nicht vor und würde eine unzulässige Durchbrechung des Vertrauensgrundsatzes darstellen. Die inhaltliche Prüfung der rechtzeitig erhobenen Einwendungen in einem angeblichen "nachgeordneten" Verfahren sei rechtsgrundlos unterblieben.

Die auf Grund der zeitlichen Lagerung des Verwaltungsverfahrens hier maßgeblichen Bestimmungen der Bauordnung für Wien in der Fassung vor der Techniknovelle 2007, LGBl. Nr. 24/2008 (im Folgenden: BO), lauten auszugsweise:

"Vereinfachtes Baubewilligungsverfahren

§ 70a. (1) Wird den Bauplänen und erforderlichen Unterlagen gemäß § 63 die im Rahmen seiner Befugnis abgegebene Bestätigung eines Ziviltechnikers, der vom Bauwerber und vom Planverfasser verschieden ist und zu diesen Personen in keinem Dienst- oder Organschaftsverhältnis steht, angeschlossen, dass sie unter Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften verfasst sind, findet das vereinfachte Baubewilligungsverfahren und nicht das Baubewilligungsverfahren gemäß § 70 Anwendung. Hievon sind ausgenommen:

(2) Werden die Voraussetzungen für das vereinfachte Baubewilligungsverfahren gemäß Abs. 1 nicht erfüllt oder ist deren Erfüllung aus den vorgelegten Unterlagen nicht beurteilbar, ist dies dem Einreicher innerhalb von einem Monat ab der Einreichung mitzuteilen. Nach dieser Mitteilung hat die Behörde das Baubewilligungsverfahren gemäß § 70 durchzuführen.

(3) Auf Grund der vollständig vorgelegten Unterlagen hat die Behörde insbesondere zu prüfen:

1. die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und dem Bebauungsplan;

2. die Einhaltung der baulichen Ausnützbarkeit des Bauplatzes beziehungsweise Bauloses;

  1. 3. die Einhaltung der Bebauungsbestimmungen;
  2. 4. die Einhaltung der Abstände von den Grenzen des Bauplatzes beziehungsweise Bauloses;

    5. die Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe, Gebäudeumrisse beziehungsweise Strukturen;

  1. 6. die Versorgung mit gesundheitlich einwandfreiem Trinkwasser;
  2. 7. die Einhaltung der Bestimmungen über die äußere Gestaltung von Bauwerken (§ 85).

(4) Ergibt die Prüfung nach Abs. 3 und § 67 Abs. 1, dass die Bauführung unzulässig ist, hat die Behörde binnen drei Monaten ab tatsächlicher Vorlage der vollständigen Unterlagen, in Schutzzonen binnen vier Monaten, die Bauführung mit schriftlichem Bescheid unter Anschluss zweier Ausfertigungen der Baupläne zu untersagen. Wird die Bauführung untersagt, ist sie einzustellen. Wenn außerhalb von Schutzzonen das Bauvorhaben von maßgeblichem Einfluss auf das örtliche Stadtbild und deswegen die Befassung des Fachbeirates für Stadtplanung und Stadtgestaltung erforderlich ist, beträgt die Frist für die Untersagung vier Monate; dies ist dem Einreicher innerhalb der Frist von drei Monaten ab tatsächlicher Vorlage der vollständigen Unterlagen mitzuteilen.

(5) Untersagungsbescheide gemäß Abs. 4 und Mitteilungen gemäß Abs. 2 und 4 gelten auch dann als rechtzeitig zugestellt, wenn sie der Behörde wegen Unzustellbarkeit zurückgestellt werden.

(6) Erfolgt keine Mitteilung gemäß Abs. 2, darf mit der Bauführung begonnen werden.

(7) …

(8) Nachbarn (§ 134 Abs. 3) können ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde Akteneinsicht (§ 17 AVG) nehmen und bis längstens drei Monate nach dem Baubeginn (§ 124 Abs. 2) Einwendungen im Sinne des § 134a vorbringen und damit beantragen, dass die Baubewilligung versagt wird. Vom Zeitpunkt der Erhebung solcher Einwendungen an sind die Nachbarn Parteien. Eine spätere Erlangung der Parteistellung (§ 134 Abs. 4) ist ausgeschlossen.

(9) Die Versagung der Baubewilligung hat mit schriftlichem Bescheid unter Anschluss zweier Ausfertigungen der Baupläne zu erfolgen. Wird die Baubewilligung versagt, ist die Bauführung einzustellen.

(10) Erfolgt keine rechtskräftige Versagung der Baubewilligung oder erlangen die Nachbarn keine Parteistellung gemäß Abs. 8, gilt das Bauvorhaben als mit rechtskräftigem Bescheid gemäß § 70 bewilligt. War die Bestätigung gemäß Abs. 1 inhaltlich unrichtig und ergibt sich daraus eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten (§ 134a), ist das Verfahren auf Antrag eines in seinen Nachbarrechten verletzten Nachbarn wieder aufzunehmen, wenn der Nachbar ohne sein Verschulden daran gehindert war, dies gemäß Abs. 8 geltend zu machen; (…).

(11) …

(…)

Abweichungen von den bewilligten Bauvorhaben

§ 73. (1) Beabsichtigte Abweichungen von Bauplänen, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, sind wie Änderungen an bereits bestehenden Baulichkeiten zu behandeln, wobei die Abweichungen den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c nicht überschreiten dürfen; dadurch wird die Gültigkeitsdauer der ursprünglichen Baubewilligung beziehungsweise Bauanzeige nicht verlängert. Abweichungen von Bauplänen, die gemäß § 70a ausgeführt werden dürfen, sind nur im Wege deines Verfahrens gemäß § 70a zulässig.

(2) …"

Angesichts der unstrittig in Vorlage gebrachten Baupläne, Unterlagen und Bestätigung eines Ziviltechnikers haben die Baubehörden rechtsrichtig die Behandlung des beschwerdegegenständlichen Falles im vereinfachten Baubewilligungsverfahren gemäß § 70a BO angenommen. Ein - wie von den Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren sowie in der Beschwerde behauptetes - der Baubehörde eingeräumtes Ermessen im Sinne einer "Wahl" zwischen vereinfachtem und ordentlichem Bauverfahren ist aus den diesbezüglichen Bestimmungen der BO nicht abzuleiten. Bei Vorlage der Bestätigung des Ziviltechnikers ist das vereinfachte Verfahren durchzuführen (s. Moritz, BauO für Wien4, 2009, S. 204).

Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer einer dem Baugrundstück der Bauwerberin benachbarten Liegenschaft und somit unbestritten Nachbarn iSd § 134 Abs. 3 BO.

§ 70a Abs. 8 BO macht die Parteistellung und damit das Mitspracherecht der Nachbarn ausdrücklich von der rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen abhängig. Das Recht zur Geltendmachung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten besteht nämlich längstens bis drei Monate nach dem angezeigten Baubeginn. Im Umfang späterer Einwendungen wird keine Parteistellung erlangt. Im gegenständlichen Zusammenhang folgt die Präklusion daher unmittelbar aus § 70a BO und nicht aus § 42 AVG iVm § 134 Abs. 3 und 4 BO, wie von den Beschwerdeführern angenommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2004, Zl. 2001/05/1074).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund und jenem des in der Beschwerde nicht mehr in Abrede gestellten angezeigten Baubeginns kann keine Rechtswidrigkeit darin erkannt werden, dass die Baubehörden die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen betreffend das vereinfachte Baubewilligungsverfahren gemäß § 70a BO infolge Erhebung nach Ablauf der in § 70a Abs. 8 BO genannten gesetzlichen Frist als nicht rechtzeitig beurteilt und deren Parteistellung im Beschwerdefall infolge Präklusion im Sinne dieser Bestimmung verneint haben.

Auf Grund der eingetretenen Präklusion war auf das in diesem Zusammenhang geltend gemachte Beschwerdevorbringen hinsichtlich eines "willkürlichen Verfahrenswechsels" und "innerhalb eines Monats ab Kenntnis über das Verfahren gemäß § 70 BO" erhobener Einwendungen nicht weiter einzugehen. Mit der letztgenannten Beschwerderüge verkennen die Beschwerdeführer zudem, dass es sich bei der beschwerdegegenständlichen Stammbewilligung und der Planwechselbewilligung um zwei eigenständige Baubewilligungsverfahren handelt (das Beschwerdeverfahren betreffend die erteilte Planwechselbewilligung ist zur hg. Zl. 2011/05/0100 anhängig) und die Rechtzeitigkeit der Einwendungen im hier maßgeblichen vereinfachten Baubewilligungsverfahren - wie bereits ausgeführt - ausschließlich nach § 70a BO zu beurteilen war.

Insofern die Beschwerdeführer in der Beschwerde - wie auch schon in der Berufung - eine nachträglich hervorgekommene Unrichtigkeit der Erklärung des Ziviltechnikers verbunden mit ihrem mangelnden Verschulden an der allfälligen Fristversäumnis behaupten und damit wohl auf § 70a Abs. 10 BO verweisen wollen, ist auch mit diesem Vorbringen für den Beschwerdestandpunkt nichts zu gewinnen, weil die in § 70a Abs. 10 BO gesetzlich näher normierte Wiederaufnahme des vereinfachten Baubewilligungsverfahrens nicht den Gegenstand des nunmehr angefochtenen Bescheids der belangten Behörde bildet. Sieht man das Vorbringen im Schriftsatz vom 31. Juli 2009 als einen solchen Antrag an, wurde hierüber von der Behörde noch nicht entschieden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht. In seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich), hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 2010, Zl. 2009/05/0160, mwN).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2006/05/0288, mwN). Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen und die Entscheidung im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008. Die Bauwerberin hat eine Gegenschrift erstattet, für die ihr jedoch mangels Einbringung durch einen Rechtsanwalt der beantragte Schriftsatzaufwand gemäß § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG nicht zusteht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2012, Zl. 2009/05/0346).

Wien, am 27. Februar 2013

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