VwGH 2010/04/0112

VwGH2010/04/01128.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwaltin in 6370 Kitzbühel, Franz-Reisch-Straße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 18. August 2010, Zl. IIa-53008/2-10, IIa-53009/2- 10, IIa-53010/2-10, betreffend Zurückweisung einer Berufung iA Entziehung der Gewerbeberechtigung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8. November 2012, zu Recht erkannt:

Normen

ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §17;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §17;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall geht es alleine um die Frage, ob der Beschwerdeführerin der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y (BH) vom 26. März 2010, mit welchem ihr gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 iVm § 13 Abs. 3 GewO 1994 näher bezeichnete Gewerbeberechtigungen entzogen wurden, gemäß § 17 ZustellG wirksam durch Hinterlegung zugestellt worden ist.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den genannten Bescheid der BH gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, der genannte Bescheid der BH sei nach einem erfolglosen Zustellversuch am 30. März 2010 hinterlegt und ab diesem Tag zur Abholung bereit gehalten worden. Daher sei letztmöglicher Termin zur fristgerechten Einbringung einer Berufung der 13. April 2010 gewesen.

Im Parteiengehör habe die bereits rechtsanwaltlich vertretene Beschwerdeführerin vorgebracht, ihre Berufung sei rechtzeitig, da eine Zustellung vor dem 1. April 2010 nicht vorliege, weil sie am

30. und 31. März 2010 aus gesundheitlichen Gründen ganztägig das Bett habe hüten müssen.

Da jedoch eine mit Bettlägerigkeit verbundene Anwesenheit an der Abgabestelle keinen Grund darstelle, demzufolge die Annahme des Zustellers ausgeschlossen wäre, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte, sei die Hinterlegung des zuzustellenden Schriftstückes bereits am 30. März 2010 bewirkt worden und die Berufung daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vorbringt, sie sei am 30. und 31. März 2010 entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht an der Abgabestelle erkrankt anwesend gewesen, sondern an diesen beiden Tagen auf Grund der Erkrankung bei ihrer Schwester gewesen. Daher sei bis zum Zeitpunkt ihrer Rückkehr am 1. April 2010 eine Zustellung nicht erfolgt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 17 Zustellgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008

(ZustellG) lautet wie folgt:

"Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus- , Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

Im Beschwerdefall kann - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend vorbringt - dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin an den genannten beiden Tagen nun tatsächlich an der Abgabestelle an- oder abwesend war. Eine Hinterlegung ist auch dann zulässig, wenn der Empfänger an der Abgabestelle anwesend ist, die Zustellung an ihn aber deshalb nicht möglich ist, weil der Zusteller davon keine Kenntnis hatte (vgl. Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahren5 (2009), 369, mwN, sowie das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl. 2003/08/0032). Entscheidend ist für eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung vielmehr, dass das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden konnte und der Zusteller gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG Grund zur Annahme hatte, dass sich die Beschwerdeführerin regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Dass dies nicht zugetroffen habe, bringt die Beschwerde nicht vor.

Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist vielmehr wesentlich, ob sich gemäß § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG ergeben hat, dass die Beschwerdeführerin wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. In diesem Fall gelten hinterlegte Dokumente nicht als zugestellt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "rechtzeitig" im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustellG dahin zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung stand, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden. In anderen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wurde darauf abgestellt, ob der Partei nach den Verhältnissen des Einzelfalles noch ein angemessener Zeitraum für die Einbringung des Rechtsmittels verblieb. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde beispielsweise noch keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr einen Tag nach dem Beginn der Abholfrist und bei einer Behebung drei Tage nach der Hinterlegung sowie bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung des Rechtsmittels von zehn Tagen angenommen (vgl. zu all dem die hg. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2007, Zl. 2006/07/0101, und vom 20. Oktober 2010, Zl. 2007/08/0210, mwN).

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin folgend ist sie zwei Tage nach Beginn der Abholfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt und hat daher bereits ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gehabt.

Ausgehend von dieser Möglichkeit der Behebung des erstinstanzlichen Bescheides ist der Beschwerdeführerin - auch unter Bedachtnahme auf ihr Vorbringen in der Beschwerde und in der mündlichen Verhanldung - noch ein angemessener Zeitraum für die Einbringung des Rechtsmittels verblieben und daher von einer rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung nach § 17 ZustellG auszugehen.

Es kann daher fallbezogen auch dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen der Beschwerde, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt des Zustellversuchs tatsächlich nicht an der Abgabestelle aufgehalten, nicht überhaupt als unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) außer Betracht zu bleiben hat.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 8. November 2012

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