Normen
AVG §37;
AVG §41 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §71 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §359b Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §41 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §71 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §359b Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte die belangte Behörde gemäß den §§ 71 und 72 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "für das gewerbebehördliche Verfahren" (gemeint: gegen die Versäumung der Verhandlung) zur Errichtung und zum Betrieb einer Steckerlfischverkaufsstelle mit Griller durch die Beschwerdeführerin an einem näher genannten Standort (erster Spruchabschnitt) und sprach aus, dass die der Beschwerdeführerin mit gewerbebehördlichem Bescheid vom 22. Juni 2010 "erteilte Genehmigung" für die Errichtung und den Betrieb einer Steckerlfischverkaufsstelle mit Griller an diesem Standort hiermit außer Kraft trete (zweiter Spruchabschnitt).
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der bei ihr eingelangten Eingaben (u.a.) der Mitbeteiligten aus, das gegenständliche (Genehmigungs-)Verfahren sei gemäß § 359b GewO 1994 durchgeführt worden. Somit hätten die Anrainer mittels Anschlag der Verhandlungsausschreibung über den Antrag der Beschwerdeführerin sowie die Augenscheinsverhandlung am 2. Juni 2010 informiert werden sollen. Auf Grund der Eingabe der Mitbeteiligten sei festgestellt worden, dass kein Nachweis über die Anbringung der Anschläge vorliege. Es sei somit davon auszugehen, dass die Anrainer nicht gehört und dadurch deren Rechte nicht gewahrt worden seien. Deshalb sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und das Genehmigungsverfahren fortzusetzen. Die mit gewerbebehördlichem Bescheid vom 22. Juni 2010 der Beschwerdeführerin erteilte Genehmigung sei somit außer Kraft zu setzen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf richtige Anwendung der Bestimmungen der §§ 71 und 72 AVG und somit in ihrem Recht auf Aufrechterhaltung des Feststellungsbescheides vom 22. Juni 2010 verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt sie vor, über ihren Antrag auf gewerbebehördliche Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Steckerlfischverkaufsstelle sei in einem gemäß § 359b GewO 1994 durchgeführten Verfahren verhandelt und durch Feststellungsbescheid entschieden worden. Gemäß § 359b GewO 1994 hätten Nachbarn, sohin auch die Mitbeteiligte, im sogenannten vereinfachten Betriebsanlagen-Genehmigungsverfahren keine Parteistellung, sofern sie subjektiv-öffentliche Nachbarrechte geltend machten. Nachbarn seien daher zu keiner im vereinfachten Verfahren abgeführten Verhandlung als Parteien zu laden. Das Projekt sei lediglich durch Anschlag mit dem Hinweis auf ein Anhörungsrecht der Nachbarn bekannt zu machen. Über die in Wahrung des Anhörungsrechtes vorgebrachten Einreden von Nachbarn habe die Behörde nicht zu entscheiden. Die Mitbeteiligte habe somit durch die Versäumung der in diesem Verfahren anberaumten Augenscheinsverhandlung vom 2. Juni 2010 nicht in ihren Parteirechten beeinträchtigt werden können. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung und die damit verbundene Aufhebung aller Verfahrensschritte ab einschließlich der Verhandlung vom 2. Juni 2010 sei somit verfehlt. Die Mitbeteiligte habe in ihrem Wiedereinsetzungsantrag ausschließlich geltend gemacht, durch die Versäumung der Verhandlung vom 2. Juni 2010 an der Einwendung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte gegen die geplante Betriebsanlage gehindert worden zu sein. Gerade derartige Einwendungen begründeten jedoch im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gemäß § 359b GewO 1994 keine Parteistellung. Eine allfällige auf Verletzung subjektivöffentlicher Nachbarrechte gestützte Berufung gegen den Feststellungsbescheid vom 22. Juni 2010 wäre zurückzuweisen. Umso weniger könne der Mitbeteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Augenscheinsverhandlung vom 2. Juni 2010 bewilligt werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung (u.a.) einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, (u.a.) zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
Gemäß § 72 Abs. 1 AVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
Gemäß § 72 Abs. 4 AVG ist gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung kein Rechtsmittel zulässig.
2. Die Beschwerdeführerin ist zunächst mit ihrer Ansicht im Recht, den vorliegenden verfahrensrechtlichen Bescheid über die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unmittelbar mittels Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof anfechten zu können (vgl. § 72 Abs. 4 AVG, siehe dazu auch die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 72 Rz. 13, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
3. Die belangte Behörde hat auf Grund des Vorbringens der Mitbeteiligten in Verbindung mit der ihr vorliegenden Aktenlage das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Verhandlung bejaht. Sie hat dies damit begründet, dass die der Mitbeteiligten als Anrainerin zukommenden Rechte nicht gewahrt wurden, weil ein Nachweis über die Verständigung der Mitbeteiligten von der anberaumten Augenscheinsverhandlung nicht vorliege. Dem tritt die Beschwerdeführerin mit ihrem wiedergegebenen Vorbringen nicht entgegen.
4. Nach der hg. Rechtsprechung kommt den Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage im vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 eine eingeschränkte Parteistellung zu, die auf die Frage beschränkt ist, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens nach § 359b GewO 1994 erfüllt sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, Zlen. 2010/04/0136 und 0137, mwN).
Das Erheben von Einwendungen zum Zwecke der Aufrechterhaltung dieser Parteistellung ist gemäß § 42 Abs. 1 AVG nur dann notwendig, wenn eine mündliche Verhandlung, deren Kundmachung der letztgenannten Vorschrift entspricht, durchgeführt wird. Nur im Falle der Durchführung einer ordnungsgemäß kundgemachten Verhandlung kann die beschränkte Parteistellung verloren gehen (vgl. auch hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, Zlen. 2010/04/0136 und 0137, mwN).
Im Beschwerdefall wurde am 2. Juni 2010 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, doch wurden nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides die Anrainer (gemeint: gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994) nicht ordnungsgemäß geladen.
Eine Versäumung einer mündlichen Verhandlung nach § 71 Abs. 1 AVG tritt jedoch dann nicht ein, wenn die Partei (und um eine solche handelte es sich bei der Mitbeteiligten auf Grund der ihr zukommenden beschränkten Parteistellung nach § 359b GewO 1994) nicht oder nicht ordnungsgemäß geladen wurde (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz. 29, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
5. Der angefochtene Bescheid ist daher bereits aus diesem Grund inhaltlich rechtswidrig und war wegen seines untrennbaren Zusammenhanges (der zweite Spruchabschnitt gibt lediglich die bereits ex lege gemäß § 72 Abs. 1 AVG eintretende Wirkung der Bewilligung der Wiedereinsetzung wieder) in seinem gesamten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Für das fortgesetzte Verfahren ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Mitbeteiligte mangels ordnungsgemäßer Kundmachung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG ihre beschränkte Parteistellung im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO 1994 nicht verloren hat und daher einen Anspruch auf Zustellung der insoweit ergehenden Erledigung hat.
Wien, am 26. September 2012
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)