Normen
ASchG 1994 §118 Abs3;
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1 idF 2001/I/136;
AVG §52;
BArbSchV 1994 §68 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VStG §9;
VwRallg;
ASchG 1994 §118 Abs3;
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1 idF 2001/I/136;
AVG §52;
BArbSchV 1994 §68 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VStG §9;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 18. Bezirk, vom 19. Jänner 2010 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe als unbeschränkt haftende Gesellschafterin und somit als zur Vertretung nach außen Berufene der R.-KG zu verantworten, dass diese Gesellschaft mit Sitz in Wien als Arbeitgeberin am 3. September 2009 auf einer näher genannten Baustelle die Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer insofern nicht eingehalten habe, als sie es unterlassen habe, dafür Sorge zu tragen, dass Konsolen an tragfähigen Bauteilen derart befestigt gewesen seien, dass ein unbeabsichtigtes Lösen auszuschließen sei. Im Innenhof sei unterhalb des Dachvorsprunges ein Konsolengerüst, bestehend aus zwei Gerüstkonsolen (Einzelkonsolen) sowie Gerüstbelag (Pfostenbelag) montiert worden. Die rechte der beiden Gerüstkonsolen sei mittels Ringschraube, in die diese Gerüstkonsole eingehängt gewesen sei, mit dem Bauwerk verbunden worden. Als der Arbeitnehmer D. C. das Gerüst habe demontieren wollen, habe sich diese Verbindung gelöst. Die beschriebene Gerüstkonsole sei nicht derart an tragfähigen Bauteilen befestigt gewesen, dass ein unbeabsichtigtes Lösen der Konsole auszuschließen gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 68 Abs. 1 BauV, BGBl. Nr. 340/1994, verletzt, weshalb über sie gemäß § 188 Abs. 3 und § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG sowie § 161 BauV und § 9 VStG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 4.200,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 29 Tage 4 Stunden) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 2010 wurde der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass bei der verletzten Verwaltungsvorschrift "§ 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG i.d.F. BGBl. I Nr. 147/2006 i.V.m. § 118 Abs. 3 ASchG i.d.F. BGBl. I Nr. 159/2001 i.V.m. § 68 Abs. 1 BauV i.d.F. BGBl. II Nr. 313/2002" und bei der Strafnorm "§ 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG i.d.F. BGBl. I Nr. 147/2006" zur Anwendung gelange.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die R.-KG, deren unbeschränkt haftende Gesellschafterin die Beschwerdeführerin laut Firmenbuchauszug zum Unfallzeitpunkt gewesen sei, sei auf der näher genannten Baustelle mit Entrümpelungsarbeiten nach einem Brand beauftragt worden. Dazu sei als Schutzgerüst im Innenhof unmittelbar unter dem Dachvorsprung ein Konsolengerüst, bestehend aus zwei Gerüstkonsolen (Einzelkonsolen) und einem Gerüstbelag (Pfostenbelag) montiert worden. Eine Gerüstkonsole sei mittels Ringschraube, in die diese Gerüstkonsole eingehängt gewesen sei, mit dem Bauwerk verbunden gewesen. Diese Verbindung habe sich gelöst, als der Arbeitnehmer D. C. der R.-KG bei der Demontage des Gerüstes das Gerüst bestiegen habe; er sei ca. 17 m in die Tiefe gestürzt und tödlich verunglückt.
Da sich eine Gerüstkonsole im gegenständlichen Fall durch die gewählte Art der Anbringung unbeabsichtigt von tragfähigen Bauteilen gelöst habe, sei die objektive Tatseite des § 68 Abs. 1 BauV gegeben. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringe, es habe sich nur um ein Schutzgerüst gehandelt und sei nicht vorgesehen gewesen, dass dieses betreten werde, so sei auf § 59 Abs. 5 BauV zu verweisen.
Soweit die Beschwerdeführerin anführe, der Verunfallte habe eigenmächtig gehandelt, sei sie auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach habe gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzverschriften das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. In der Gegenschrift der belangten Behörde wird darauf hingewiesen, dass nachträglich auf der Grundlage des § 52a Abs. 1 VStG mit einem weiteren Bescheid der belangten Behörde die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 Abs. 2 VStG auf 6 Tage herabgesetzt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die R.-KG habe ordnungs- und auftragsgemäß ein Konsolengerüst/Schutzgerüst angebracht, welches unter Einhaltung sämtlicher baurechtlicher Vorschriften montiert worden sei. Dies sei schon deshalb erkennbar, weil auch der im Zuge der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde gehörte Zeuge Sch. vom Arbeitsinspektorat angegeben habe, dass die Länge und Stärke der zur Befestigung verwendeten Ringschraube grundsätzlich geeignet gewesen sei, das verfahrensgegenständliche Konsolengerüst zu befestigen. Gehe man davon aus, dass die Beschwerdeführerin sämtliche einschlägigen Bestimmungen eingehalten habe, könne schon eine Übertretung allfälliger Normen ausgeschlossen werden, somit auch kein Verschulden angenommen werden. Der Zeuge habe nicht explizit darlegen können, dass die Befestigung des verfahrensgegenständlichen Gerüstes offensichtlich unsachgemäß erfolgt sei.
Von besonderer Bedeutung sei die Tatsache, dass nach Montage des Konsolengerüstes ein Baustopp - warum auch immer - verhängt worden sei und weitere Arbeitstätigkeiten untersagt worden seien. Infolge des Baustopps sei es jedoch nicht mehr möglich gewesen, eine Abnahme der Gerüstkonstruktion durch befugte Statiker vorzunehmen. Es zeige sich also, dass die Montage des Konsolengerüstes wohl lediglich als Provisorium im weitesten Sinne zu verstehen sei. Noch bevor die statische Überprüfung überhaupt habe vorgenommen werden können, sei die R.-KG bereits wieder mit der Demontage des fraglichen Gerüstes beauftragt worden und sie sei auftragsgemäß ihrer Verpflichtung nachgekommen. Bei dieser Demontage habe sich schließlich der folgenschwere Unfall ereignet, bei dem der Mitarbeiter der R.-KG tödlich verunglückt sei.
Die belangte Behörde gehe davon aus, dass die bloße Befestigung des Konsolengerüstes bereits unter § 68 Abs. 1 BauV zu subsumieren sei. Diese Annahme sei jedoch verfehlt, weil eben das Gerüst noch gar nicht "frei gegeben" worden sei. Abhängig vom Ergebnis der Prüfung durch den Statiker wäre zu entscheiden gewesen, ob eine Verbesserung erforderlich gewesen wäre oder nicht.
Gemäß § 118 Abs. 3 erster Satz ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, gilt die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994, (BauV), nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.
Gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 136/2001, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis 7.260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis 14.530 EUR zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.
Nach § 68 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994, müssen Konsolen an tragfähigen Bauteilen derart befestigt werden, dass ein unbeabsichtigtes Lösen der Konsolen auszuschließen ist.
§ 68 Abs. 3 BauV lautet:
"(3) Erfolgt die Befestigung nicht durch Schlaufen, muss für die Befestigung ein statischer Nachweis durch eine in § 56 Abs. 2 genannte Person erstellt werden."
Nach § 59 Abs. 1 BauV sind Schutzgerüste Fanggerüste und Schutzdächer. Fanggerüste sind Gerüste, die Personen gegen einen tieferen Absturz sichern. Schutzdächer sind Gerüste, die Personen vor herabfallenden Gegenständen und Materialien schützen.
Gemäß § 59 Abs. 5 BauV dürfen die Gerüstlagen der Fanggerüste nur betreten werden, wenn sie zusätzlich zur Blende mit Brustwehren versehen sind. Nicht mit Brustwehren versehene Gerüstlagen dürfen nur bei der Aufstellung, Änderung und Abtragung des Gerüstes oder zur Bergung von Personen betreten werden.
Der Wortlaut des § 68 Abs. 1 BauV stellt unmissverständlich auf das Befestigen der Konsolen ab und verlangt in diesem Zusammenhang den Ausschluss eines unbeabsichtigten Lösens der Konsole. Dass diese aus § 68 Abs. 1 BauV resultierende Verpflichtung nur dann einen Arbeitgeber trifft, wenn die befestigte Konsole durch einen Statiker geprüft und freigegeben wurde, kann dieser Vorschrift jedoch nicht entnommen werden.
Gerade die von der Beschwerdeführerin behauptete ordnungsgemäße Anbringung der gegenständlichen Konsole wird von der belangten Behörde in schlüssiger Beweiswürdigung in Abrede gestellt, weil ansonsten ein Lösen der Konsole aus den tragfähigen Bauteilen - wie im Beschwerdefall geschehen - nicht möglich gewesen wäre. Auch ist nicht erwiesen, dass die Beschwerdeführerin - wie in der Beschwerde behauptet wird - bei der Montage "sämtliche einschlägigen Bestimmungen" eingehalten habe. Insbesondere wurde vom sachkundigen Zeugen Sch. nur die "grundsätzliche Eignung" der zur Befestigung verwendeten Ringschraube festgestellt, nicht aber, dass diese tatsächlich sachgerecht im vorliegenden Fall befestigt war. Die Beschwerdeführerin selbst weist darauf hin, dass eine Abnahme der Gerüstkonstruktion durch befugte Statiker aufgrund des behaupteten Baustopps nicht erfolgt ist. Unter diesen Umständen kann daher keine Rede davon sein, dass ein unbeabsichtigtes Lösen der Konsole im Sinne des § 68 Abs. 1 BauV auszuschließen war.
Ferner wird in der Beschwerde eingewendet, es entziehe sich naturgemäß der Kenntnis der Beschwerdeführerin, weshalb der verunfallte Mitarbeiter eigenmächtig das Gerüst betreten habe und schließlich zu Sturz gekommen sei; sie habe auch explizit keinen Einfluss auf die unmittelbaren Tätigkeiten ihrer Mitarbeiter.
Wenn nun ein Arbeiter der R.-KG entgegen den Weisungen eines anderen Mitarbeiters dieses Unternehmens ein Gerüst betrete, könne dies nicht als Unterlassung der Einrichtung eines Kontrollsystems gewertet werden, weil kein Kontrollsystem innerhalb des Unternehmens einzurichten gewesen sei, sondern eben die Arbeiter vor Ort sich den jeweiligen Gegebenheiten der Baustelle anzupassen hätten und eigenmächtige Handlungen - insbesondere wenn der verantwortliche Mitarbeiter aus organisatorischen Gründen den Auftragsort verlassen müsse - wohl nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen könnten.
Für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems ist es erforderlich unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Dezember 2011, Zl. 2010/02/0242).
Das entsprechende Kontrollsystem hat aber auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen. Es kann daher kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 27. Dezember 2011 m.w.N.).
Auch in der Beschwerde wird kein Vorbringen erstattet, welche wirksame Kontrolle über die Erteilung von Weisungen hinaus erfolgte. Vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund ist die belangte Behörde daher im Hinblick auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin kein wirksames Kontrollsystem zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen eingerichtet hat.
Schließlich wird von der Beschwerdeführerin gerügt, es sei ihrerseits die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Statik bzw. Bautechnik zum Beweis dafür, dass das Gerüst vorschriftsmäßig ausgeführt worden sei, beantragt worden, jedoch sei diesem Antrag nicht stattgegeben worden.
Dem ist zu erwidern, dass die belangte Behörde zu Recht von der Einbringung eines Gutachtens Abstand genommen hat, weil es sich bei einer "vorschriftsmäßigen Ausführung" um ein unbestimmtes, keinem konkreten Beweis zugängliches Beweisthema handelt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 23. März 2012
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