VwGH 2009/22/0270

VwGH2009/22/027017.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der E, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 2. Juni 2009, Zl. 314.395/9- III/4/09, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FremdenrechtsNov 2009;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §19;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs3 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §21 Abs3 Z2;
NAG 2005 §21 Abs3;
NAG 2005 §21;
NAG 2005 §44a;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FremdenrechtsNov 2009;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
NAG 2005 §19;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs3 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §21 Abs3 Z2;
NAG 2005 §21 Abs3;
NAG 2005 §21;
NAG 2005 §44a;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin, einer bosnischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei im Oktober 2002 mit einem "Visum für Schengener Staaten, gültig von 27.10.2002 bis 25.11.2002", in das Bundesgebiet eingereist. Am 1. Juni 2004 habe sie erstmals einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht, welcher im Instanzenzug mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. November 2005 abgewiesen worden sei. Am 6. Oktober 2006 habe die Beschwerdeführerin, die seit 1. August 2002 mit dem bosnischen Staatsangehörigen K, der seit 19. Juli 2006 im Besitz eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" sei, verheiratet sei, den nunmehr gegenständlichen Antrag eingebracht.

Dieser Antrag, der als Erstantrag anzusehen sei, sei von der Beschwerdeführerin entgegen § 21 Abs. 1 NAG im Inland gestellt und dessen Erledigung im Inland abgewartet worden. Bei Erlassung des § 21 Abs. 1 NAG habe der Gesetzgeber auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über deren persönliche Verhältnisse gestellt. Es sei daher ein weiteres Eingehen auf die "persönlichen Verhältnisse, auch im Hinblick auf Art. 8 MRK, entbehrlich".

Der nunmehr mit BGBl. I Nr. 29/2009 neu gefasste § 21 Abs. 3 NAG ermögliche, wenn die Ausreise des Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar sei, die Zulassung der Antragstellung im Inland in taxativ aufgezählten Fällen, nämlich zur Wahrung des Kindeswohls im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen oder zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK. Die Novellierung des NAG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2009 habe aber keine inhaltliche Änderung der bisherigen materiellen Rechtslage herbeigeführt, weil die "verfassungs- und menschenrechtliche Schranke des Art. 8 EMRK" von den Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörden bereits vor der genannten Novellierung zu beachten gewesen sei.

Da Anträge gemäß § 19 Abs. 8 und § 21 Abs. 3 NAG nach der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 8 NAG auch im Berufungsverfahren zulässig seien, wenn das Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2009 bereits bei der Berufungsbehörde anhängig sei, sei der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt worden, einen begründeten Antrag "auf Antragstellung im Inland" einzubringen. In dem daraufhin gestellten Antrag habe sie ausgeführt, ihr sei auf Grund des "geführten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK die Ausreise aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung" nicht zumutbar, weil sie mit ihrem Ehegatten und ihrem Stiefsohn in Österreich ein intensives Familienleben führe.

Die Bundespolizeidirektion Wien - so die belangte Behörde weiter - habe gegen die Beschwerdeführerin am 5. August 2008 einen Ausweisungsbescheid erlassen. Der dagegen erhobenen Berufung sei von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom 22. September 2008 Folge gegeben und die Ausweisung behoben worden. Jedoch habe die Begründung der Sicherheitsdirektion "nicht maßgeblich auf Gründen des Art. 8 EMRK" basiert. Der Ausweisungsbescheid sei aufgehoben worden, weil die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits sechs Jahre ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich aufrechterhalten und die Bundespolizeidirektion Wien erst im April 2008 aufenthaltsbeendende Maßnahmen gesetzt habe.

Das Familienleben eines Fremden genieße nur dann erhöhten Schutz, wenn die familiären Beziehungen zu einem Zeitpunkt begründet worden seien, in dem der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei und mit der Erteilung weiterer Bewilligungen habe rechnen dürfen. Das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin sei allerdings zur Gänze zu einer Zeit entstanden, zu der sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus zweifelsfrei bewusst gewesen sei. Somit sei das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens höher zu bewerten als die privaten Interessen der Beschwerdeführerin. Die Schaffung eines Lebensmittelpunktes in Österreich liege daher im eigenen Verantwortungsbereich der Beschwerdeführerin.

Soweit die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückreise eine "beeinträchtigende Retraumatisierung" auf Grund der Kriegserlebnisse in Bosnien erleiden würde, sei auf den psychiatrischen Facharztbefund vom 7. Dezember 2007 hinzuweisen, wonach der Zustand der Beschwerdeführerin stabil sei.

Somit stehe § 21 Abs. 1 NAG der Bewilligung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrages entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat. Die Auffassung der belangten Behörde, es handle sich bei dem gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag, auf den § 21 Abs. 1 NAG Anwendung finde, begegnet somit keinen Bedenken. Dem in dieser Bestimmung verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend hätte die Beschwerdeführerin daher den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels an sich im Ausland stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen.

Gemäß § 21 Abs. 3 NAG kann allerdings die Behörde abweichend von § 21 Abs. 1 NAG auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist: 1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17 NAG) zur Wahrung des Kindeswohls oder 2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3 NAG). Das Stellen eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.

§ 81 Abs. 8 NAG sieht vor, dass Anträge gemäß §§ 19 Abs. 8 und 21 Abs. 3 NAG auch im Berufungsverfahren zulässig sind, wenn das Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2009 bereits bei der Berufungsbehörde anhängig ist. Ist ein Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2009 bei der Berufungsbehörde anhängig und wird ein weiterer Antrag gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 NAG gestellt, so gilt die Berufung als zurückgezogen und der Bescheid erster Instanz tritt außer Kraft.

Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt im vorliegenden Fall nur gemäß § 21 Abs. 3 Z 2 NAG, der auf Grund der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 8 NAG gegenständlich auch im Berufungsverfahren Anwendung findet, zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3 NAG) in Betracht.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem (u.a. auch) die Vorläuferbestimmung des § 74 NAG betreffenden Erkenntnis vom 27. Juni 2008, G 246/07 ua., zur Verfassungskonformität dieser Bestimmung ausgeführt:

"2.2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, B1263,1264/07 ausgesprochen hat, hegt er keine Bedenken gegen § 74 NAG. Diese Bestimmung hat - wie ihre Vorgängerbestimmungen (§§ 14 Abs. 2 iVm 10 Abs. 4 FrG 1997) - eine Ausnahme vom Grundsatz der Auslandsantragstellung zum Inhalt. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ('kann') die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann.

Diese - vom Verfassungsgerichtshof als geboten erachtete - verfassungskonforme Interpretation der Wortfolge 'von Amts wegen' in § 74 NAG steht nicht im Widerspruch zur Aufhebung der Wortfolge 'von Amts wegen' in den §§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 und 3 leg.cit.:

Der Unterschied zwischen § 74 NAG und den §§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 und 3 leg.cit. besteht nämlich darin, dass die Frage, ob ein Antrag auf Erteilung eines (humanitären) Aufenthaltstitels im Inland gestellt werden darf, jedenfalls im Rechtsweg geklärt werden kann. Für die Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels ist hingegen eine solche Klärung ausgeschlossen, wenn ein Antragsrecht überhaupt fehlt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Auffassung wiederholt angeschlossen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. September 2008, 2008/22/0264, und vom 14. Mai 2009, 2008/22/0152, jeweils mwH).

Aus den oben wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes ergibt sich, dass es für die Beurteilung nach der damaligen Rechtslage des § 74 NAG nicht weiter relevant war, ob nun ein (separater) Antrag auf Zulassung der Inlandsantragstellung gesetzlich vorgesehen oder dies nicht der Fall ist, weil die Prüfung, ob ein aus Art. 8 EMRK resultierender Anspruch besteht, infolge eines auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gerichteten Antrages ohnedies in einem förmlichen Verwaltungsverfahren stattzufinden hatte. Im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 72 NAG war ungeachtet der Verwendung des Wortes "kann" in § 74 NAG die Inlandsantragstellung zuzulassen.

Zu diesen Voraussetzungen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass § 72 NAG auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden abstellt, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen, sowie dass weiters dann besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung vorliegen, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. auch dazu die bereits erwähnten Erkenntnisse vom 17. September 2008 und vom 14. Mai 2009, mwH).

§ 21 Abs. 3 Z 2 NAG stellt nun auf die nachweisliche Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Ausreise des Fremden zum Zweck der Antragstellung aus Gründen der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK ab. Daraus ergibt sich, dass auch nach dieser Bestimmung die Inlandsantragstellung dann zuzulassen ist, wenn - ausnahmsweise, nämlich für den Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Ausreise des Fremden - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Dass insofern eine inhaltliche Änderung der bisherigen Rechtslage nicht eingetreten ist - wovon auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeht -, ergibt sich aber auch aus den Erläuterungen in der Regierungsvorlage zu der mit BGBl. I Nr. 29/2009 vorgenommenen Novellierung des § 21 NAG, indem dort (zusammengefasst) ausgeführt wird, dass die Zulassung der Antragstellung im Inland, die bisher nach § 74 NAG nur von Amts wegen möglich war, nunmehr auch in den in § 21 Abs. 3 NAG taxativ genannten Fällen auf Antrag des Fremden erfolgen kann (RV 88 BlgNR 24 GP, 9), sowie dass die bisher in § 74 NAG vorgesehene ausschließlich von Amts wegen bestehende Möglichkeit, aus humanitären Gründen die Heilung von Verfahrensmängeln sowie die Inlandsantragstellung zuzulassen, durch die Novellierungen der §§ 19 und 21 NAG in das Regelverfahren eingegliedert und antragsfähig gemacht werden soll (RV 88 BlgNR 24 GP, 2).

Dies hat aber nun zur Folge, dass sich die bisherige zu §§ 72 und 74 NAG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes infolge der - mit Ausnahme bloß der nunmehr ausdrücklich ermöglichten Antragstellung - gleichgelagerten Rechtslage jedenfalls für den Fall des § 21 Abs. 3 Z 2 NAG weiterhin als maßgeblich erweist. Liegen die Voraussetzungen dieser Bestimmung vor, so ist - weiterhin - ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") in § 21 Abs. 3 NAG die Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung (nunmehr auch ausdrücklich - infolge der Möglichkeit einer darauf abzielenden Antragstellung - so vorgesehen) im Rechtsweg erzwungen werden kann.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes:

Zunächst ist der Beschwerde (schon mit Blick auf § 21 Abs. 3 Z 2 NAG) beizupflichten, dass - entgegen der im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde (auch) vertretenen Auffassung - nicht schon das Vorliegen einer nicht § 21 Abs. 1 NAG entsprechenden Antragstellung für sich genommen das Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse entbehrlich macht. Da die belangte Behörde dies aber im Ergebnis auch selbst erkannt und letztlich die nach § 21 Abs. 3 Z 2 NAG gebotene Prüfung durchgeführt hat, führt diese im angefochtenen Bescheid enthaltene - schon vom Ansatz her verfehlte - Rechtsauffassung (wenngleich sich diesbezüglich die Begründung im angefochtenen Bescheid als nicht frei von Widersprüchen darstellt) mangels entscheidungserheblicher Relevanz dieses Verfahrensfehlers nicht zur Aufhebung des Bescheides.

Die Beschwerde weist allerdings zutreffend auf die - auch der belangten Behörde vorliegende - Berufungsentscheidung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien in dem die Beschwerdeführerin betreffenden Ausweisungsverfahren hin. Diese Entscheidung - so die Beschwerde weiter - hätte die belangte Behörde zu berücksichtigen gehabt; es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die bestehenden familiären und privaten Bindungen der Beschwerdeführerin maßgeblich für die Berufungsentscheidung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gewesen seien.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner zur Rechtslage des NAG vor der Novelle BGBl I Nr. 29/2009 ergangenen - wie oben dargestellt insoweit auch für die hier geltende Rechtslage maßgeblichen - Rechtsprechung ausgeführt, dass aus dem engen Zusammenhang der Berücksichtigung humanitärer Gründe im Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung und im Niederlassungsverfahren eine Verknüpfung folgt, welche das Ergebnis der Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK im Ausweisungsverfahren auch für die auf Art. 8 EMRK gestützte Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung - jedenfalls bei gleichgebliebenen Umständen - als relevant erscheinen lässt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0035, vom 18. Juni 2009, 2009/22/0113, und vom 10. November 2009, 2008/22/0256, jeweils mwN). Dass diese Aussage auch für die nunmehr geltende Rechtslage des NAG zutrifft, ergibt sich darüber hinaus auch aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Beachtlichkeit solcher fremdenpolizeilicher (oder auch im Asylverfahren ergangener) Entscheidungen ausdrücklich in § 44a NAG festgelegt hat.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, dass ungeachtet der und ohne Bedachtnahme auf die Feststellungen des im Ausweisungsverfahren ergangenen rechtskräftigen Berufungsbescheides kein Grund vorhanden gewesen sei, aus dem die Beschwerdeführerin einen aus Art. 8 EMRK resultierenden Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung hätte geltend machen können, nicht teilen.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien betonte in ihrem Bescheid, dass bei der Beurteilung des gegenständlichen Falles auf § 66 Abs. 1 FPG (im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009), der seinerseits auf Art. 8 EMRK verweist, Bedacht zu nehmen gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei seit fast sechs Jahren im Bundesgebiet unrechtmäßig aufhältig. Davon habe die Fremdenpolizeibehörde spätestens im Juli 2004 Kenntnis erlangt. Dennoch sei diese bis zum Frühjahr 2008 untätig geblieben und habe erst im April 2008 Schritte zur Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin unternommen. Wenngleich die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien noch ergänzend anmerkte, von einer Ausweisung im Rahmen "des ihr zustehenden Ermessens" abzusehen, so ist dennoch anhand der von ihr getroffenen Feststellungen und ihren inhaltlichen Erwägungen zweifelsfrei erkennbar, dass die Sicherheitsdirektion nach einer die persönlichen Interessen mit den öffentlichen Interessen abwiegenden Beurteilung, und somit aus dem Grund des § 66 FPG, von der Ausweisung Abstand nahm, weil sich ihrer Ansicht nach die Erlassung der Ausweisung nicht (mehr) als geboten im Sinn des Art. 8 EMRK darstellte.

Dass aber nun Gründe vorhanden gewesen wären, wonach die Ausführungen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mittlerweile ihre Relevanz verloren hätten, und worin die allfälligen, maßgeblich geänderten Umstände gelegen seien, wurde von der belangten Behörde überhaupt nicht dargelegt.

Da sohin die belangte Behörde dem von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien im die Beschwerdeführerin betreffenden Ausweisungsverfahren erlassenen Bescheid keine relevante Bedeutung beimaß, verkannte sie die Rechtslage, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. Dezember 2009

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