VwGH 2009/22/0068

VwGH2009/22/006820.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Z in W, geboren 1989, vertreten durch Dr. Robert Krepp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stadiongasse 4, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 14. Oktober 2008, Zl. 318.680/2-III/4/08, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A.

Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §10 Abs1;
AVG §13 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. August 2008 wies der Landeshauptmann von Wien als Behörde erster Instanz den mit 8. Juli 2008 datierten Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" gemäß § 19 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit der Begründung zurück, dass der Antrag durch den Verein HELP EMigrants und nicht persönlich eingebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid langte eine mit dem Stempel des Vereins HELP EMigrants und einer unleserlichen Unterschrift versehene Berufung unter Angabe des angefochtenen Bescheides und des Namens des Beschwerdeführers ein, in der inhaltlich eingewendet wurde, dass die Behörde ein Verbesserungsverfahren hätte einleiten müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) die genannte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück.

Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eine Vollmacht des Vereines HELP EMigrants angeschlossen worden sei. Es könnten zwar juristische Personen in einer Vollmacht als Vertreter herangezogen werden, jedoch müsse ein zeichnungsberechtigtes Organ, in diesem Fall des Vereines, angeführt sein. Die Vollmacht sei somit "mit dem Mangel des Fehlens des Organes behaftet". Der erstinstanzliche Bescheid sei an den Beschwerdeführer zu Handen des Vereins HELP EMigrants zugestellt worden. "Da in der Vollmacht kein Organ angeführt worden ist, ist auch kein rechtswirksam zugestellter Bescheid gegeben".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich Beteiligte u.a. durch juristische Personen vertreten lassen. Juristische Personen handeln durch die nach ihren Organisationsvorschriften zuständigen Organe als ihre Vertreter (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 9 Rz 16). Eine allgemeine Vollmacht zur Vertretung beinhaltet grundsätzlich auch eine Zustellungsvollmacht (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, § 10 Rz 17).

Die belangte Behörde bestreitet nicht, dass die Bevollmächtigung eines Vereins zulässig ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, § 10 Rz 5). Sie argumentiert im angefochtenen Bescheid jedoch damit, dass in der Vollmacht ein zeichnungsberechtigtes Organ der vertretenden juristischen Person genannt sein müsse. Diese Ansicht ist durch das Gesetz nicht gedeckt. Sowohl das Begleitschreiben des Vereins HELP EMigrants zum Antrag des Beschwerdeführers als auch die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung weisen neben dem Stempel des Vereins eine (unleserliche) Unterschrift auf. Hat die Behörde Bedenken gegen die Zeichnungsbefugnis oder Echtheit der Unterschrift des Unterfertigenden, so hat sie sich Klarheit darüber zu verschaffen, wem die undeutliche Prozesshandlung zuzurechnen ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, § 9 Rz 18, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. November 1980, Z 1551/80, Slg. 10.311/A). Dies hat sie im vorliegenden Fall in Verkennung der Rechtslage unterlassen.

Auch das Argument in der Gegenschrift ist nicht geeignet, den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig beurteilen zu können. In der Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die - an sich zutreffende - Ansicht, dass die Vollmacht durch den Machthaber angenommen werden muss (vgl. das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2003, 2003/02/0139, sowie Hengstschläger/Leeb, aaO, § 10 Rz 11).

Legt jedoch - wie hier - der Machthaber selbst die Vollmachtsurkunde vor und stellt er im Namen des Vertretenen Anträge, so ist seine Bereitschaft zur Vertretung offenkundig (vgl. auch dazu Hengstschläger/Leeb, aaO). Im Gegensatz dazu hat die Partei in dem dem hg. Erkenntnis 2003/02/0139 zu Grunde liegenden Fall lediglich von sich aus bekanntgegeben, einem Rechtsanwalt Vollmacht erteilt zu haben. Auch diesbezüglich hätte die belangte Behörde, sollte sie Zweifel an der Vertretungsbefugnis der Person, die für den Verein HELP EMigrants die Vollmacht angenommen hat, haben, eine Klärung herbeiführen müssen. Sie war aber nicht berechtigt, ohne weiteres davon auszugehen, dass der erstinstanzliche Bescheid nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, und aus diesem Grund die Berufung zurückzuweisen.

Wegen dieser Verkennung der Rechtslage war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 20. Jänner 2011

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