VwGH 2009/22/0032

VwGH2009/22/003224.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. März 2007, Zl. 149.365/2- III/4/07, betreffend Daueraufenthaltskarte, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art10;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art6 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs1 litd;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art9 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art9;
62007CO0551 Sahin VORAB;
EURallg;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §52;
NAG 2005 §54;
VwGG §42 Abs2 Z1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art10;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art6 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs1 litd;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art9 Abs1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art9;
62007CO0551 Sahin VORAB;
EURallg;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §52;
NAG 2005 §54;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste unbestritten am 11. Juli 2005 nach Österreich ein, wo er noch am selben Tag einen Asylantrag stellte. Ab dem 19. Juli 2005 verfügte er über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997. Über den Asylantrag wurde bis zur Erlassung des hier angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig entschieden, sodass dem Beschwerdeführer jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt ein asylrechtliches Aufenthaltsrecht zukam.

Am 5. Mai 2006 heiratete der Beschwerdeführer eine portugiesische Staatsangehörige. Nach den in den Verwaltungsakten erliegenden Meldeauskünften verfügen beide seit zumindest 22. Mai 2006 in Wien über einen gemeinsamen Wohnsitz.

Am 8. Februar 2007 beantragte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die von ihm geschlossene Ehe die Ausstellung einer "Niederlassungsbewilligung" als "Familienangehöriger". Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NAG zurück, wogegen der Beschwerdeführer Berufung erhob. In seiner Berufung(sergänzung) führte der Beschwerdeführer aus, seine Ehefrau sei "freizügigkeitsberechtigt" und nehme ihre Freizügigkeit "hier in Österreich in Anspruch". Weiters ändere er seinen Antrag auf einen solchen auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte.

Der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) gab der Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. März 2007 keine Folge. Dies begründete er - ohne auf die Frage der für den Beschwerdeführer erforderlichen Niederlassungsberechtigung einzugehen - damit, dass das NAG auf den Beschwerdeführer auf Grund seiner asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung nicht anwendbar sei. Ergänzend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe "zutreffend dargetan", dass seine portugiesische Ehefrau ihr gemeinschaftsrechtlich zustehendes Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Er habe aber als Angehöriger einer EWR-Bürgerin kein unmittelbares, sondern ein abgeleitetes Recht. Dieses abgeleitete Recht setze voraus, dass er als Angehöriger seine Ehefrau begleitet hätte oder zu ihr nachgezogen wäre. Beide Alternativen seien nicht erfüllt, weil der Beschwerdeführer bereits seit 25. Juli 2005 in Österreich aufhältig sei, seine Ehefrau aber erst am 5. Mai 2006 in A, sohin in Österreich, geheiratet habe. Die Eheschließung schaffe für sich alleine genommen weder ein Aufenthaltrecht noch ersetze sie die notwendigen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Begleitens oder Nachziehens.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde sowie nach Erstattung von ergänzenden Äußerungen durch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NAG gilt das NAG nicht für Fremde, die nach dem Asylgesetz 2005 und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit das NAG nicht anderes bestimmt.

Im 4. Hauptstück seines 2. Teils enthält das NAG Bestimmungen über das "Gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsrecht", die auszugsweise wie folgt lauten:

"Niederlassungsrecht für EWR-Bürger

§ 51. EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen und sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, sind zur Niederlassung berechtigt, wenn sie

  1. 1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
  2. 2. für sich und ihre Familienangehörigen über eine ausreichende Krankenversicherung verfügen und nachweisen, dass sie über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfügen, so dass sie während ihrer Niederlassung keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, oder

    3. eine Ausbildung bei einer rechtlich anerkannten öffentlichen oder privaten Schule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

    Niederlassungsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern

§ 52. Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51), die selbst EWR-Bürger sind, sind zur Niederlassung berechtigt, wenn sie

  1. 1. Ehegatte sind;
  2. 2. Verwandter des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

    3. Verwandter des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

    4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweist, oder

    5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

    a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

    b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

    c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen,

    und diesen begleiten oder zu ihm nachziehen.

    Anmeldebescheinigung

§ 53. (1) EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen, und deren Angehörige gemäß § 52 haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, spätestens nach Ablauf von drei Monaten ab ihrer Niederlassung diese der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen. Diese gilt zugleich als Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthalts des EWR-Bürgers.

(2) ...

Daueraufenthaltskarten

§ 54. (1) Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51), die nicht EWR-Bürger sind und die die in § 52 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zur Niederlassung berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Daueraufenthaltskarte für die Dauer von zehn Jahren auszustellen. Dieser Antrag ist spätestens nach Ablauf von drei Monaten ab ihrer Niederlassung zu stellen.

(2) ...

..."

Mit den oben angeführten Bestimmungen soll die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG - im Folgenden RL - umgesetzt werden. Deren Art. 1, 2, 3, 6, 7, 9 und 10 haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 1

Gegenstand

Diese Richtlinie regelt

a) die Bedingungen, unter denen Unionsbürger

und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und

Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen;

b) das Recht auf Daueraufenthalt der

Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen im Hoheitsgebiet der

Mitgliedstaaten;

c) die Beschränkungen der in den Buchstaben a)

und b) genannten Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1. 'Unionsbürger' jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt;

2. 'Familienangehöriger'

a) den Ehegatten;

b) den Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger

auf der Grundlage der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine

eingetragene Partnerschaft eingegangen ist, sofern nach den

Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats die eingetragene

Partnerschaft der Ehe gleichgestellt ist und die in den

einschlägigen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats

vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind;

c) die Verwandten in gerader absteigender

Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners

im Sinne von Buchstabe b), die das 21. Lebensjahr noch nicht

vollendet haben oder denen von diesen Unterhalt gewährt wird;

d) die Verwandten in gerader aufsteigender

Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b), denen von diesen Unterhalt gewährt wird;

3. 'Aufnahmemitgliedstaat' den Mitgliedstaat, in den sich der Unionsbürger begibt, um dort sein Recht auf Freizügigkeit oder Aufenthalt auszuüben.

Artikel 3

Berechtigte

(1) Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.

(2) Unbeschadet eines etwaigen persönlichen Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt der Betroffenen erleichtert der Aufnahmemitgliedstaat nach Maßgabe seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Einreise und den Aufenthalt der folgenden Personen:

...

Der Aufnahmemitgliedstaat führt eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände durch und begründet eine etwaige Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Personen.

Artikel 6

Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten

(1) Ein Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht.

(2) Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige im Besitz eines gültigen Reisepasses, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen.

Artikel 7

Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate

(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im

Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von

über drei Monaten, wenn er

a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im

Aufnahmemitglied-staat ist oder

b) für sich und seine Familienangehörigen über

ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

c) - bei einer privaten oder

öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und

- über einen umfassenden

Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

d) ein Familienangehöriger ist, der den

Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstabens a), b) oder

c) erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.

(2) Das Aufenthaltsrecht nach Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, sofern der Unionsbürger die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe a), b) oder c) erfüllt.

(3) ...

(4) ...

Artikel 9

Verwaltungsformalitäten für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen

(1) Die Mitgliedstaaten stellen den Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, eine Aufenthaltskarte aus, wenn ein Aufenthalt von über drei Monaten geplant ist. '

(2) Die Frist für die Einreichung des Antrags auf Ausstellung der Aufenthaltskarte muss mindestens drei Monate ab dem Zeitpunkt der Einreise betragen.

(3) Die Nichterfüllung der Pflicht zur Beantragung einer Aufenthaltskarte kann mit verhältnismäßigen und nicht diskriminierenden Sanktionen geahndet werden.

Artikel 10

Ausstellung der Aufenthaltskarte

(1) Zum Nachweis des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, wird spätestens sechs Monate nach Einreichung des betreffenden Antrags eine 'Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers' ausgestellt. Eine Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte wird unverzüglich ausgestellt.

(2) ..."

Vor dem Hintergrund der dargestellten Vorschriften hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. November 2007, Zl. 2007/21/0271 (EU 2007/0009), dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. a) Sind die Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG - im Folgenden RL - so auszulegen, dass sie auch jene Familienangehörigen im Sinn von Art. 2 Nr. 2 der RL erfassen, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat (Art. 2 Nr. 3 der RL) gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet haben?

b) Wenn dies der Fall ist, kommt es ergänzend

darauf an, dass sich der Familienangehörige im Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft oder des Familienlebens rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält? Wenn ja, genügt es für einen rechtmäßigen Aufenthalt, dass der Familienangehörige lediglich kraft seiner Stellung als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigt ist?

c) Wenn sich aus der Beantwortung der Fragen

1. a) und b) aus der RL kein Aufenthaltsrecht eines 'bloß' als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigten Familienangehörigen, der unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet hat, ergibt: Lässt sich dessen ungeachtet in einer Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Familienangehörige seit knapp vier Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufhält und dort ein Jahr mit einem Unionsbürger - mit dem er seit rd. dreieinhalb Jahren zusammenlebt und mit dem er ein 20 Monate altes gemeinsames Kind hat - verheiratet ist, aus den Art. 18 bzw. 39 EG im Lichte des Grundrechts auf Achtung des Familienlebens ein Recht zum Aufenthalt ableiten?

2. Stehen die Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der RL einer nationalen Regelung entgegen, wonach Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und denen kraft Gemeinschaftsrecht, insbesondere nach Art. 7 Abs. 2 der RL, ein Recht auf Aufenthalt zukommt, allein deshalb keine Aufenthaltskarte ('Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers') erhalten können, weil sie nach asylgesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats (vorläufig) zum Aufenthalt in diesem Staat berechtigt sind?"

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2008, Rechtssache C-551/07 , beantwortete der EuGH die an ihn gestellten Fragen wie folgt:

"1. Die Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 2 sowie 7 Abs. 1 Buchst. d. und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG sind so auszulegen, dass sie auch die Familienangehörigen erfassen, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft erworben oder das Familienleben mit diesem Unionsbürger begründet haben. Hierbei spielt es keine Rolle, dass sich der Familienangehörige zum Zeitpunkt des Erwerbs dieser Eigenschaft oder der Begründung des Familienlebens nach den asylgesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats vorläufig in diesem Staat aufhält.

2. Die Art. 9 Abs. 1 und 10 der Richtlinie 2004/38 stehen einer nationalen Regelung entgegen, wonach Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und denen kraft Gemeinschaftsrecht, insbesondere nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie, ein Recht auf Aufenthalt zukommt, allein deshalb keine Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers erhalten können, weil sie nach den asylgesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats vorläufig zum Aufenthalt in diesem Staat berechtigt sind."

Auf Grund der eben zitierten Entscheidung des EuGH steht zunächst fest, dass dem Beschwerdeführer am Boden der RL nicht entgegengehalten werden kann, seine portugiesische Ehegattin habe ihre Freizügigkeit zu einem Zeitpunkt in Anspruch genommen, zu dem er sich schon in Österreich aufgehalten hat, sodass das Erfordernis des "Begleitens oder Nachziehens" nicht erfüllt sei. Dem Beschwerdeführer kommt daher, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Begründung des Familienlebens mit seiner Ehefrau ankäme, gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie unter den dort normierten Voraussetzungen jedenfalls ein gemeinschaftlich begründetes Recht auf Aufenthalt für einen Zeitraum von über drei Monaten zu, womit nach den Art. 9 und 10 der RL der Anspruch auf Ausstellung einer "Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers" verknüpft ist. Die genannten Bestimmungen der RL entfalten unmittelbare Wirkung, sodass sie entgegenstehende nationale Regelungen, insbesondere § 1 Abs. 2 Z 1 NAG, kraft des dem unmittelbar wirkenden Gemeinschaftsrecht inhärenten Anwendungsvorranges verdrängen. Die belangte Behörde durfte den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers daher nicht schlichtweg gestützt auf § 1 Abs. 2 Z 1 NAG und unter kategorischer Verneinung eines Niederlassungsrechtes zurückweisen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, 2008/21/0671). An diesem Ergebnis vermag auch nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer ursprünglich eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" beantragte. Ungeachtet dessen, dass anhand des Vorbringens im Antrag zweifelsfrei hervorging, welchen Aufenthaltszweck der Beschwerdeführer anstrebt, und somit auf welche Niederlassungsberechtigung der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag abzielt, wurde dies von ihm sogar im weiteren Verfahren klargestellt, wobei dieser - unter inhaltlicher Wiederholung des von ihm angestrebten Aufenthaltszwecks - von ihm als "Änderung" bezeichneten Klarstellung weder § 19 Abs. 2 oder § 23 Abs. 1 NAG noch § 13 Abs. 8 AVG (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 10/2004) entgegen stand.

Der bekämpfte Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Februar 2009

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