VwGH 2009/21/0279

VwGH2009/21/02799.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 10. August 2009, Zl. 154.125/2-III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 23. August 2007 im Weg der Österreichischen Botschaft Abuja (Nigeria) gestellten Erstantrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen Nigerias, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehörige" gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG ab.

Begründend führte sie - auf das im vorliegenden Zusammenhang Wesentliche zusammengefasst - aus, die Beschwerdeführerin sei am 7. September 2003 illegal nach Österreich eingereist und habe am Tag darauf erfolglos einen Asylantrag gestellt. Am 9. Jänner 2006 habe sie den österreichischen Staatsbürger M. geheiratet. Mit Bescheid vom 16. Februar 2007 (in der Folge bestätigt mit Bescheid vom 20. November 2007) sei sie gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus Österreich ausgewiesen worden. Bis Anfang Juli 2007 sei sie illegal im Bundesgebiet verblieben, habe dieses jedoch "dann selbständig verlassen". Ein gemeinsames Familienleben mit dem Ehegatten M. habe bis zur Ausreise nicht bestanden.

Dazu nahm die belangte Behörde Bezug auf eine Hauserhebung an der Wiener Wohnadresse der Beschwerdeführerin. Dort seien am 4. Juni 2007 die nigerianischen Staatsangehörigen O. und Ö. angetroffen worden. Ö., eine Bekannte der Beschwerdeführerin, habe angegeben, dass diese seit mindestens Anfang Mai 2007 nicht mehr in dieser Wohnung lebe, weil sie selbst zu diesem Zeitpunkt in die Wohnung eingezogen sei. Sie sei mit der Beschwerdeführerin persönlich bekannt, M. sei ihr jedoch vollkommen unbekannt gewesen. M. habe am 8. Februar 2007 ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin alleine in der genannten Wohnung in Wien lebe. Seit August 2006 bestehe kein gemeinsamer Wohnsitz. Er habe zwar nach wie vor Kontakt zur Beschwerdeführerin, arbeite jedoch auf Montage und sei daher auch unter der Woche nicht regelmäßig zu Hause. Es bestehe "kein Familienleben in diesem Sinne". Er habe für seinen Sohn eine "schwarze Ersatzmutter" gesucht, die sein Kind akzeptiere, das eine Mutter aus Jamaika habe und ebenfalls "schwarzer Hautfarbe" sei. M. habe keine Angaben darüber machen können, ob die Beschwerdeführerin berufstätig sei oder nicht. Bei einer weiteren Aussage am 3. Oktober 2007 habe M. frühere Treffen mit der Beschwerdeführerin beschrieben, die nach der Eheschließung jedoch weniger häufig geworden seien, sodass lediglich eine Wochenendbeziehung vorgelegen sei. Zudem habe er sich in erster Linie um seinen Sohn gekümmert, womit die Beschwerdeführerin "nicht klar gekommen" sei.

Die Beschwerdeführerin sei - so die belangte Behörde weiter - wegen schwer wiegender Verwaltungsübertretungen nach dem Wiener Prostitutionsgesetz und wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet "seit 17.01.2005 bzw. 22.03.2007 rechtskräftig bestraft" worden.

Weiters verwies die belangte Behörde in ihrer Begründung auf eine Aussage der Beschwerdeführerin gegenüber dem Vertrauensanwalt der eingangs genannten Österreichischen Botschaft, worin sie dargestellt habe, M. sei zuvor nicht verheiratet gewesen und habe auch keine Kinder, er lebe in Wien (richtig: in einem Haus in Niederösterreich). Dies zeige eindeutig, dass die Beschwerdeführerin über das Privatleben ihres Ehegatten M. nicht in Kenntnis sei. Weiters habe sie als beabsichtigte Wohnadresse Wien - und nicht den Wohnsitz des Ehegatten in Niederösterreich - angegeben. Die Wohnmöglichkeit in Wien stehe jedoch nicht mehr zur Verfügung, weil die Wohnung mittlerweile "weitervermietet" worden sei. Erst auf Betreiben des Ehegatten sei der beabsichtigte Wohnsitz (auf dessen Wohnadresse) geändert worden.

Schließlich argumentierte die belangte Behörde, die Eheschließung sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als das Bundesasylamt bereits negativ über das erwähnte Asylbegehren der Beschwerdeführerin entschieden habe. Diese sei sich also im Klaren darüber gewesen, dass ihr Aufenthalt in Österreich in Kürze beendet sein werde. Insgesamt folge daraus, dass sie die Ehe nur geschlossen habe, um ihren Aufenthalt in Österreich zu legalisieren. Die Aufnahme eines gemeinsamen Familienlebens sei dagegen nicht geplant gewesen. M. habe bei seiner Einvernahme nicht darüber Bescheid gewusst, wo sich die Beschwerdeführerin aufhalte und ob sie einer geregelten Beschäftigung nachgehe. Auch habe er keine Kenntnis von ihrem sonstigen privaten und wirtschaftlichen Umfeld gehabt. Dem beantragten Aufenthaltstitel stehe somit der zwingende Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG in der Stammfassung dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2 NAG) vorliegt. Gemäß § 30 Abs. 1 NAG in der Stammfassung dürfen sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht führen, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde betreffend die Feststellungen über das Vorliegen einer Aufenthaltsehe und macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit den schriftlichen Eingaben des Ehegatten M. auseinander gesetzt, worin dieser auf eine Liebesheirat verwiesen und eine Aufenthaltsehe in Abrede gestellt habe. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann seien, was ihre ergänzende Befragung im Berufungsverfahren ergeben hätte, nach wie vor an der Aufrechterhaltung der Ehe interessiert.

Dieses Beschwerdevorbringen erweist sich jedoch als nicht zielführend, weil die Beschwerdeführerin, die in ihrer Berufung weder ergänzende Einvernahmen beantragt noch konkrete Beweisthemen dafür genannt hat, auch in der vorliegenden Beschwerde nicht darlegt, auf welche konkreten Umstände die belangte Behörde hätte Bedacht nehmen müssen und welche für sie im gegebenen Zusammenhang günstigen Sachverhaltsfeststellungen die nochmalige Befragung der genannten Personen erbracht hätte. Es wird somit nicht dargetan, welche Relevanz dem behaupteten Verfahrensmangel hätte zukommen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2010, Zl. 2008/22/0425, mwN).

Auch gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufzuzeigen. Diese durfte nämlich die dargestellte - auch von der Beschwerde nicht in Abrede gestellte - Unkenntnis hinsichtlich wesentlicher persönlicher Verhältnisse des Ehepartners (frühere Ehe, Kind und regelmäßigen Aufenthalt des M.; privates Umfeld und Beschäftigung der Beschwerdeführerin; Ort und Umstände eines beabsichtigten gemeinsamen Wohnsitzes) zu Recht als Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe werten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2008/21/0553). Ob die Parteien an dieser festzuhalten beabsichtigen, kann dagegen nicht ausschlaggebend sein.

Soweit die Beschwerde schließlich eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin erblickt, dass eine Befragung der genannten Eheleute gänzlich unterblieben sei und die im Bericht vom 9. Juli 2007 festgehaltenen "Hauserhebungen" (an der Wiener Wohnadresse der Beschwerdeführerin) ergänzungsbedürftig gewesen seien, ist dem zu entgegnen, dass sich M. wiederholt, etwa am 8. Februar 2007 und am 3. Oktober 2007, geäußert hat. Auch der Beschwerdeführerin wurde im Mai 2009 rechtliches Gehör eingeräumt, was sie zur Abgabe einer kurzen Stellungnahme genützt hat. Eine Ergänzung der in der genannten Wohnung durchgeführten "Hauserhebungen" wurde im Verwaltungsverfahren - etwa bei dieser Gelegenheit - nicht beantragt.

Da der absolute Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG (vgl. dazu neuerlich das zitierte hg. Erkenntnis vom 29. April 2010 mwN) nach dem Gesagten zu Recht bejaht wurde, hat die belangte Behörde zutreffend die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels verweigert.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 9. November 2010

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