VwGH 2009/21/0223

VwGH2009/21/022326.8.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. März 2009, Zl. E1/100890/2009, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit von Kosten des Vollzugs einer Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §57 Abs1;
AVG §57 Abs2;
AVG §63 Abs1;
VwRallg;
AVG §57 Abs1;
AVG §57 Abs2;
AVG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste am 1. Mai 2005 illegal nach Österreich ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 30. Jänner 2008 wies der unabhängige Bundesasylsenat diesen Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab, erklärte gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien für zulässig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. nach Serbien aus.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 28. März 2008 nahm die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 77 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG von der Anordnung der Schubhaft gegen den Beschwerdeführer Abstand und ordnete "das gelindere Mittel" zur Sicherung seiner Abschiebung an. Dabei erging an ihn die Auflage, sich täglich bei einer näher bezeichneten Polizeiinspektion in Wien zu melden. Bei einer derartigen Meldung wurde er am 21. Mai 2008 zum Zweck seiner Abschiebung festgenommen, wonach er tags darauf einen neuerlichen Asylantrag stellte.

Mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Bescheid vom 22. Mai 2008 ordnete die Bundespolizeidirektion Wien daraufhin über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach § 10 Asylgesetz 2005 und seiner Abschiebung (§ 46 FPG) an. Am 23. Mai 2008 wurde der Beschwerdeführer enthaftet, nachdem der Verwaltungsgerichtshof einer von ihm erhobenen, hg. zu Zl. 2008/01/0393 protokollierten Beschwerde gegen den erwähnten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Jänner 2008 (zur Zl. AW 2008/01/0319) die aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte.

Mit (ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren erlassenem) Bescheid vom 10. Februar 2009 sprach die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 113 Abs. 1 FPG sowie § 10 Abs. 1 und 2 der Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung 2005 (FPG-DV) iVm § 57 Abs. 1 AVG aus, dass der Beschwerdeführer dem Bund Schubhaftvollzugskosten von EUR 56,32 und Kosten im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Heimreisezertifikates von EUR 49,-- (zusammen EUR 105,32) zu ersetzen habe.

In ihrer Begründung führte sie u.a. aus, dass § 57 Abs. 1 Satz 1 AVG die Behörde berechtige, einen Bescheid ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen, wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab handle. Danach verwies sie in ihrer Rechtsmittelbelehrung (ausschließlich) auf das Recht, gegen diesen Bescheid eine Vorstellung einzubringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. März 2009 wies die belangte Behörde (Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien) eine von ihr als Berufung gewertete Eingabe des Beschwerdeführers gemäß § 57 Abs. 2 AVG als unzulässig zurück.

Begründend führte sie aus, die Erstbehörde habe sich ausdrücklich (auch) auf § 57 Abs. 1 AVG bezogen und in ihrer Rechtsmittelbelehrung ausgeführt, dass die Partei das Recht habe, gegen diesen Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung bei dieser Behörde eine Vorstellung einzubringen. Das tatsächlich ausgeführte Rechtsmittel habe der rechtsfreundlich vertretene Berufungswerber ausdrücklich als Berufung bezeichnet, welche "an die Berufungsbehörde erhoben" worden sei. Es liege daher eindeutig nicht nur eine Fehlbezeichnung, sondern ein inhaltlich falsches (devolutives statt remonstratives) Rechtsmittel vor, sodass ein Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG nicht in Betracht gekommen sei. Die Berufung erweise sich somit als unzulässig und sei spruchgemäß zurückzuweisen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der erstinstanzliche Bescheid vom 10. Februar 2009 wurde in formeller Hinsicht ausdrücklich auf § 57 AVG gestützt, der wie folgt lautet:

"§ 57. (1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen."

Aus § 57 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass gegen einen Mandatsbescheid nur Vorstellung und keine Berufung erhoben werden kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 17. Oktober 2006, Zl. 2006/11/0071, unter ausführlicher Bezugnahme auf seine Vorjudikatur jene Anhaltspunkte zusammengefasst, die für bzw. gegen das Vorliegen eines Mandatsbescheides sprechen können. Das sind die ausdrückliche Bezeichnung als Mandatsbescheid oder die Erwähnung des § 57 Abs. 1 AVG (im Spruch oder in der Begründung), Ausführungen (bzw. das Fehlen derselben) in der Begründung, weshalb das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Mandatsbescheides als gegeben erachtet werde, die Durchführung bzw. das Fehlen eines Ermittlungsverfahrens vor Bescheiderlassung, ein Hinweis darauf, dass der Bescheid ungeachtet der Einbringung eines Rechtsmittels vollstreckbar sei, das Vorliegen eines Ausspruchs nach § 64 Abs. 2 AVG und nicht zuletzt auch das in der Rechtsmittelbelehrung angeführte Rechtsmittel.

Im vorliegenden Fall sind mehrere der genannten Kriterien erfüllt. Zunächst wurde im Spruch des Bescheides § 57 Abs. 1 AVG ausdrücklich als Rechtsgrundlage zitiert; der Bescheid wurde dem entsprechend ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren, insbesondere ohne Einräumung des Parteiengehörs, erlassen. Weiters befindet sich in der Rechtsmittelbelehrung der Hinweis auf den Rechtsbehelf der Vorstellung.

Demzufolge konnte nicht zweifelhaft sein, dass die Erledigung vom 10. Februar 2009 einen Mandatsbescheid gemäß § 57 Abs. 1 AVG darstellte, was in der Beschwerde auch nicht bestritten wird (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2008/21/0625).

Im Beschwerdefall wurde unstrittig ein als Berufung bezeichnetes Rechtsmittel erhoben, mit dem - unter ausschließlicher Relevierung des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung - devolutiv eine Entscheidung der Berufungsbehörde angestrebt wurde. Da mit diesem Rechtsmittel ein - klar als solcher erkennbarer - Mandatsbescheid nach § 57 Abs. 1 AVG bekämpft wurde, ist die Ansicht der belangten Behörde nicht zu beanstanden, dass das vorliegende Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen war.

Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt der Beschwerdeführer darin, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens erlassen habe. Auch mit diesem Argument ist für die Beschwerde allerdings nichts zu gewinnen:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob ein Rechtsmittel als Vorstellung oder als Berufung zu werten ist, ob sich aus seinem Begehren eindeutig ergibt, die Entscheidung welcher Behörde der Rechtsmittelwerber beantragt. Lässt sich wie hier, was auch die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Abrede stellt, aus dem Begehren nichts Anderes schließen, als dass eine Entscheidung der Berufungsbehörde beantragt wird, so ist eine Deutung des Rechtsmittels als Vorstellung ausgeschlossen. Auch ein Verbesserungsverfahren, in dessem Rahmen nicht nachträglich ein anderer Typus von Rechtsbehelf erhoben werden könnte, ist nicht in Betracht gekommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2006, Zl. 2006/11/0071, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 57 Rz 31 mwN aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. August 2010

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