VwGH 2009/21/0188

VwGH2009/21/018825.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 16. Juni 2009, Zl. E1/2586/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §64 Abs3;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §64 Abs3;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen Marokkos, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie aus, der im November 2001 nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer habe zum Zweck eines Studiums an der Montanuniversität Leoben über Aufenthaltsbewilligungen - beginnend mit einer Gültigkeit vom 10. September 2001 bis zum 2. Oktober 2002 - verfügt. Die Aufenthaltstitel für den Aufenthaltszweck "Studierende" seien, nachdem der Beschwerdeführer vom 28. Februar 2002 bis 2. Oktober 2003 den Vorstudienlehrgang absolviert habe und seit 2. Oktober 2003 als ordentlicher Student der Studienrichtung "Montanmaschinenwesen" inskribiert sei, mehrmals - zuletzt mit Gültigkeit vom 4. Mai 2007 bis zum 2. März 2008 - verlängert worden. Nach Stellung eines weiteren Verlängerungsantrages habe ihn die BH Leoben als Erstbehörde wiederholt (niederschriftlich) auf seinen schlechten Studienerfolg hingewiesen und ihm mitgeteilt, dass das Nichterreichen von 16 ECTS-Punkten zum Verlust der Aufenthaltsbewilligung als Studierender führe. Laut Stellungnahme der Montanuniversität Leoben vom 12. November 2008 liege nach wie vor ein schwacher Studienerfolg vor. Der Beschwerdeführer, der keinen Studienerfolgsnachweis nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften erbringe, befinde sich bereits im 10. Semester und habe insgesamt erst 51,5 ECTS-Punkte erreicht, davon 17 in Freifächern. Auf das Studienjahr 2005/06 entfielen 4, auf das Studienjahr 2006/07 13 und auf das Studienjahr 2007/08 nur 7 ECTS-Punkte. Für den Abschluss des ersten (Regelstudiendauer von 4 Semestern zuzüglich 2 "Toleranzsemester") von zwei Studienabschnitten fehlten dem Beschwerdeführer noch 28 Prüfungen, sodass nicht mehr von einem durchschnittlichen Studienverlauf ausgegangen werden könne. Es liege vielmehr ein derart schlechter Studienerfolg vor, dass es fraglich sei, ob sich der Beschwerdeführer tatsächlich ernsthaft zu Studienzwecken in Österreich aufhalte, und seine Ausweisung somit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei.

Der Beschwerdeführer mache geltend, wegen eines Nierensteines sowie einer Verbrennung an der rechten Hand in Behandlung gewesen zu sein. In beiden Fällen sei jedoch kein Krankenhausaufenthalt erforderlich gewesen. Diese Erkrankungen seien ebenso wenig geeignet, einen jahrelang mangelnden Studienerfolg zu rechtfertigen wie vom Beschwerdeführer weiters geltend gemachte sprachliche Barrieren, die bei seiner Einvernahme durch die Erstbehörde im Übrigen nicht hätten verifiziert werden können.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Auf Grund der Tatsache, dass er neben dem Studium "Zeitungen austrage" und dadurch monatlich ca. EUR 700,-- bis 800,-- verdiene, sowie weiters zwei seiner Brüder im Bundesgebiet aufhältig seien, bei denen er seit 2003 zwar nicht mehr wohne, zu denen er jedoch einen engen familiären Kontakt pflege, komme es durch die Ausweisung zu einem relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Dieser sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nicht nur im Bereich des Fremdenrechtes, sondern auch auf dem Gebiet des Universitäts- und Unterrichtswesens dringend geboten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Einhaltung durch die Normadressaten komme nämlich aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Das Ausmaß der Integration auf Grund des rund siebenjährigen Aufenthalts zu Studienzwecken könne nicht als so stark angesehen werden, dass dieser Umstand der Erlassung einer Ausweisung entgegenstünde. Der Beruf eines Zeitungsausträgers könne auch in einem anderen Land ausgeübt werden. Ebenso seien - zusätzlich ins Treffen geführte - Unterstützungsleistungen durch einen Bruder auch im Ausland möglich. Die Ausweisung sei demnach zur Gewährleistung vor allem eines geordneten Fremdenwesens, also eines im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles, dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG). Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung wögen nach dem Gesagten wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers (§ 66 Abs. 2 FPG). Ebenso seien keine Gründe ersichtlich, aus denen zu Gunsten des Beschwerdeführers Ermessen geübt werden könnte.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer verfügte unstrittig über (verlängerte) Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums des Montanmaschinenwesens und hat sich während eines neuerlichen - über seinen rechtzeitigen Antrag eingeleiteten - Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufgehalten. Er durfte daher gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund im Sinn des Fehlens einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 1 oder 2 NAG entgegenstand (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnis vom 13. November 2007, Zl. 2006/18/0301, und vom 17. März 2009, Zl. 2008/21/0118, mwN).

Die belangte Behörde kam inhaltlich zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer die Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG, wonach der Aufenthaltstitel des Fremden nicht öffentlichen Interessen (iSd § 11 Abs. 4 Z. 1 NAG) widerstreiten darf, nicht erfülle, weil er sich bereits seit November 2001 ausschließlich zu Studienzwecken im Bundesgebiet aufgehalten habe, ohne einen ausreichenden Studienerfolg aufzuweisen.

Diese Ansicht kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, behauptet doch nicht einmal die Beschwerde eine entsprechende positive Ablegung für den erfolgreichen Abschluss des Studiums erforderlicher Prüfungen und eine darauf gegründete Ausstellung eines Studienerfolgsnachweises gemäß § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 - UG, welche positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) während des vorausgegangenen Studienjahres erfordert hätte. Am - von der Beschwerde nicht bestrittenen - Fehlen materieller Studienerfolge kann auch eine (behauptete) überdurchschnittlich hohe Studiendauer ausländischer Studenten nichts ändern. Einer solchen wird nämlich in § 64 Abs. 3 NAG - neben dem genannten Studienerfolgsnachweis - keine Bedeutung beigemessen, sodass sie auch - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - von der belangten Behörde nicht näher abgeklärt werden musste.

Dasselbe gilt für die zur Begründung von Verzögerungen des Studiums angeführten Schwierigkeiten mit Fachausdrücken in der deutschen Sprache und eine regelmäßig zwischen 02.30 Uhr und 06.00 Uhr morgens ausgeübte Tätigkeit als Zeitungskolporteur seit dem Jahr 2003. Mit letzterem Argument ist der Beschwerdeführer weiters auf die Bestimmung des § 64 Abs. 2 Satz 2 NAG zu verweisen, wonach eine (neben dem Studium zulässige) Erwerbstätigkeit das Erfordernis des Studiums als ausschließlichem Aufenthaltszweck nicht beeinträchtigen darf.

In diesem Zusammenhang behauptet der Beschwerdeführer, seine Leistungen hätten sich während des Studiums ständig verbessert, was zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sei. Dieses Argument ist jedoch bereits auf Basis der unbekämpften Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde (Erreichung von 13 ECTS-Punkten im Studienjahr 2006/07 und von nur 7 ECTS-Punkten im Studienjahr 2007/08) unrichtig und daher nicht nachvollziehbar. Zudem ergäben sich auch daraus jedenfalls keine iSd § 75 Abs. 6 UG ausreichenden Studienerfolge.

Weiters verweist der Beschwerdeführer auf seine Aussage vor der Bundespolizeidirektion Leoben am 26. November 2008, wonach er im Studienjahr 2007/08 (in der ersten Hälfte des Jahres 2008) wegen eines "Niedersteins" sowie einer Verbrennung an der rechten Hand in Behandlung gewesen sei. Wenngleich ein Krankenhausaufenthalt nicht erforderlich gewesen sei, hätte ihn dies bei der Fortführung seines Studiums behindert.

Damit spricht die Beschwerde inhaltlich die Bestimmung des § 64 Abs. 3 zweiter Satz NAG an, wonach eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende trotz Fehlens eines Studienerfolgsnachweises verlängert werden kann, wenn Gründe vorliegen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind. Abgesehen vom zeitlich geringen Umfang der erwähnten Erkrankungen im Verhältnis zur gesamten Aufenthaltsdauer seit November 2001 (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0452) ist dem zu entgegnen, dass § 64 Abs. 3 zweiter Satz NAG keineswegs dazu führt, dass das Fehlen eines ausreichenden Studienerfolges in solchen Fällen unter keinen Umständen eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellen kann. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er mit dieser Bestimmung einem Fremden, dessen bisheriges Verhalten über Jahre gezeigt hat, dass er - aus welchem Grund auch immer (im vorliegenden Zusammenhang also etwa Erkrankung, hohe kontinuierliche Berufstätigkeit und die behaupteten, trotz jahrelangen Aufenthalts und Studiums in Österreich - jedenfalls dafür - nicht ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache) - nicht in der Lage ist, einen Studienerfolg iSd § 75 Abs. 6 UG zu erbringen, und bei dem auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine baldige Änderung dieser Situation vorliegen, die Möglichkeit verschaffen wollte, sich weiterhin zum ausschließlichen Zweck des Studiums in Österreich aufzuhalten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 2008, Zl. 2007/18/0443, und vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0444).

Die belangte Behörde ist damit zu Recht zur Auffassung gelangt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- (und Studien)wesens iSd § 11 Abs. 4 Z. 1 NAG gefährdet, was den Tatbestand des § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG verwirklicht.

Im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 1 FPG gebotenen Interessenabwägung nach den Kriterien des § 66 Abs. 2 FPG idF der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers seinen Aufenthalt im Inland seit November 2001, seine Unbescholtenheit, die berufliche Tätigkeit als Zeitungsausträger seit dem Jahr 2003 und familiäre Kontakte zu seinen - allerdings nicht mit ihm im selben Haushalt lebenden - Brüdern berücksichtigt. Die daraus ableitbaren persönlichen Interessen des Beschwerdeführers werden allerdings in ihrem Gewicht entscheidend dadurch gemindert, dass sein Aufenthalt bisher nur zu dem - vorübergehenden - Zweck des Studiums berechtigt war, der Beschwerdeführer aber nur einen völlig unzureichenden Studienerfolg aufzuweisen hat. Diesen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht die Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Studienwesens gegenüber. Von daher begegnet die Abwägung der belangten Behörde nach § 66 FPG - ungeachtet dessen, dass sie dessen Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 angewendet hat - im Ergebnis keinen Bedenken (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 2008, Zl. 2007/18/0381, mwN).

Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens der belangten Behörde erblickt die Beschwerde darin, dass eine Einvernahme des Beschwerdeführers (zur Gewinnung eines persönlichen Eindrucks von seiner Persönlichkeit) unterblieben sei. Dem fehlt allerdings die Relevanz, wird in der Beschwerde doch nicht konkret dargestellt, welche ergänzenden Feststellungen durch eine solche Beweisaufnahme ermöglicht worden wären. Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen. Ergänzend ist er darauf zu verweisen, dass in fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine (mündliche) Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf besteht, von der Behörde, etwa zur Gewinnung eines unmittelbaren Eindrucks von seiner Persönlichkeit, mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2008/21/0600, mwN).

Soweit der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde hätte vor Ablauf der ihm gesetzten Frist zur Abgabe einer Stellungnahme entschieden, erweist sich dieser Vorwurf als aktenwidrig: Die Setzung einer zweiwöchigen Frist zur Abgabe der erwähnten Äußerung wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 22. Mai 2009 zugestellt. Mit Aktenvermerk vom 5. Juni 2009 hielt die belangte Behörde fest, über Ersuchen dieses Rechtsvertreters die Frist bis zum 15. Juni 2009 verlängert zu haben. Der angefochtene Bescheid wurde dagegen erst - ohne dass eine Äußerung erfolgt wäre - am 19. Juni 2009 erlassen.

Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch die Auffassung des Beschwerdeführers nicht teilen, dass die belangte Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens von der Ausweisung hätte Abstand nehmen müssen, ergeben sich doch aus dem Akteninhalt keine besonderen Umstände, die ein derartiges Vorgehen geboten hätten.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. März 2010

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