VwGH 2009/18/0502

VwGH2009/18/050221.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des O M F, geboren am 25. August 1986, vertreten durch Stephan Jürgen Mertens, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Neudeggergasse 1/18, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Oktober 2009, Zl. E1/274.296/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Oktober 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 19. April 2008 mit einem vom 14. April 2008 bis 13. August 2008 gültigen Visum D in das Bundesgebiet eingereist. Schon zuvor habe er über die österreichische Botschaft in Nigeria einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Zweck "Studierender" gestellt. Da er erst am 23. Februar 2009, also nach Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses Visums, die erforderliche Inskriptionsbestätigung der Universität vorgelegt habe, sei sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 11 Abs. 1 Z. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG mit dem im Instanzenzug ergangenen rechtskräftigen Bescheid des Bundesministers für Inneres abgewiesen worden. Über eine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sei noch nicht entschieden worden. Der Beschwerdeführer sei seit 22. April 2008 durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Seit 14. August 2008 verfüge er über keine Aufenthaltsberechtigung.

Nach Hinweis auf § 53 Abs. 1 FPG führte die belangte Behörde aus, dass sich der Beschwerdeführer nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums D unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

Er befinde sich seit April 2008 im Bundesgebiet, sei ledig und habe keine Sorgepflichten. In Österreich lebten sein Bruder, dessen Ehegattin und ein Onkel. Sein Lebensunterhalt würde laut seinen Angaben in der Stellungnahme vom 16. Juni 2009 durch den Bruder finanziert. Gehe man davon aus, dass auf Grund des eineinhalbjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers mit der Ausweisung ein Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden sei, sei dieser Eingriff jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses große öffentliche Interesse verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit August 2008.

Dieser scheine beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger seit 17. August 2009 als selbstversichert auf und sei bisher keiner Beschäftigung nachgegangen. Es könne daher von keiner Integration im österreichischen Arbeitsmarkt ausgegangen werden. Den Großteil seines Lebens habe er sich in Nigeria bzw. in einem anderen Staat als Österreich aufgehalten. Nach nur eineinhalbjähriger Abwesenheit von seinem Heimatland und im Hinblick auf den Umstand, dass dort seine Mutter und eine Schwester lebten, müsse von einer bestehenden Bindung an Nigeria ausgegangen werden. Insgesamt betrachtet sei das Ausmaß seiner Integration in die österreichische Gesellschaft nur als gering zu erachten.

Zu Gunsten des Beschwerdeführers spreche nur seine strafgerichtliche Unbescholtenheit. Andererseits weise er jedoch eine rechtskräftige Verwaltungsstrafe nach § 23 Abs. 1 FSG aus dem Jahr 2009 aus. Während der Zeit seines legalen Aufenthaltes habe er sich nicht darum bemüht, mit der zuständigen Aufenthaltsbehörde in Kontakt zu treten und von sich aus eine Inskriptionsbestätigung, die zur Erlangung der Erstniederlassungsbewilligung im Sinn des § 64 Abs. 1 NAG zwingend notwendig sei, beizubringen. Erst nachdem die Aufenthaltsbehörde an ihn herangetreten sei und ihn am 8. August 2008, also fünf Tage vor Ablauf seines Visums, aufgefordert habe, die Inskriptionsbestätigung vorzulegen, sei er endlich aktiv geworden. Ihm sei es schließlich gelungen, die Inskriptionsbestätigung sechs Monate nach Ablauf seines Visums beizubringen.

Es lägen daher keine sonstigen besonderen Umstände vor, die die belangte Behörde hätten veranlassen können, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Auch aus dem Vorbringen, es wäre "im Aufenthaltsverfahren eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde" anhängig, könne für ihn nichts gewonnen werden, weil die Fremdenpolizeibehörde nicht gehalten sei, vor dem Ausspruch einer Ausweisung das Ergebnis eines verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens betreffend die Abweisung eines Erstantrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abzuwarten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bringt vor, es gehe die Behörde rechtsfehlerhaft davon aus, dass sich der Beschwerdeführer zukünftig rechtswidrig im Inland aufhalten werde. Dazu führt die Beschwerde Folgendes aus:

"Das Verfahren ist beim VwGH anhängtig. Eine mögliche und wahrscheinliche Aufhebung des aufhebenden Beschied durch den VwGH, sowie dann eine rechtmässige Erteilung durch die Behörde wurde den Aufenthalt des Bf ex tunc rechtmässig werden lassen."

1.2. Mit diesem nicht näher präzisierten Hinweis auf "eine mögliche und wahrscheinliche Aufhebung" eines Bescheides und eine "rechtmäßige Erteilung" durch die Behörde meint die Beschwerde offenbar, dass der obgenannte, gemäß § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG ergangene Bescheid des Bundesministers für Inneres auf Grund der vom Beschwerdeführer dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde voraussichtlich aufgehoben werde und mit dem sodann zu erlassenden Ersatzbescheid die beantragte Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könnte. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich jedoch nicht, dass der Beschwerdeführer über einen Aufenthaltstitel verfüge. Im Hinblick darauf begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Mit ihrem weiteren Vorbringen, dass "im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung" die Eignung des Beschwerdeführers zum Studium wie auch die Geringfügigkeit und "Schuldlosigkeit des Fristversäumnisses" und die Möglichkeit der Aufhebung des Bescheids im "Aufenthaltsverfahren" in die Abwägung hätten miteinfließen müssen, bekämpft die Beschwerde die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG (idF des BGBl. I Nr. 29/2009) vorgenommene Interessenabwägung. Hiezu bringt die Beschwerde weiters vor, die belangte Behörde hätte von Amts wegen ermitteln können, dass der Beschwerdeführer die Deutschkurse an der Universität Linz besuche und sein Studium vorantreibe. Er sei dort inskripiert und habe die von ihm versäumten Handlungen schnellstmöglich nachgeholt. Die Weigerung des "Legalisierungsbüros" - diesbezüglich wurde im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde vorgebracht, dass die Universität für eine Wiedereinschreibung des Beschwerdeführers eine Studienberechtigungszusage aus Nigeria benötigt habe, die er am 13. August 2008 erhalten habe und von der nigerianischen Botschaft beglaubigt worden sei, und dass in der Folge nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums die "Überbeglaubigung" vom "Legalisierungsbüro" unter Hinweis auf die Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes abgelehnt worden sei - sei rechtswidrig, falle in die Sphäre des Staates und könne dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden.

2.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde den rund eineinhalbjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und den Umstand, dass hier sein Bruder, dessen Ehegattin und ein Onkel aufhältig sind, berücksichtigt. In weiterer Folge ist sie zutreffend von einem mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben ausgegangen. Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthalts resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt seit Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums D mit 13. August 2008 jedenfalls unrechtmäßig war. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde ist der Beschwerdeführer bisher in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen und leben in seinem Heimatland seine Mutter und eine Schwester.

Den nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich seit seiner Einreise nur während der Gültigkeitsdauer des ihm erteilten Visums D rechtmäßig und seit deren Ablauf unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 2008, Zl. 2007/18/0261, mwN), darstellt. Mangels eines ihn dazu berechtigenden Aufenthaltstitels kommt dem behaupteten Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Studium vorantreibe, keine wesentliche Bedeutung zu. Bei Abwägung des genannten großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der gegenläufigen, relativierten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet ist die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers auch gemäß § 66 FPG zulässig sei, nicht zu beanstanden.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 21. Jänner 2010

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