VwGH 2009/18/0449

VwGH2009/18/04496.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des MS, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. Oktober 2009, Zl. E1/373.111/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §63;
FrPolG 2005 §66;
SMG 1997 §27;
StGB §146;
StGB §147;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §63;
FrPolG 2005 §66;
SMG 1997 §27;
StGB §146;
StGB §147;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 sowie § 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gestütztes, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich laut eigenen Angaben seit 2004 durchgehend in Österreich auf. Das Bezirksgericht Hernals habe am 5. März 2004 auf Grund des schriftlichen Vertrages vom 27. Jänner 2003 die Adoption des Beschwerdeführers durch eine österreichische Staatsbürgerin bewilligt. Dem Beschwerdeführer seien daraufhin mehrere Aufenthaltstitel, zuletzt gültig bis 8. August 2009, erteilt worden.

Der Beschwerdeführer sei am 24. Juni 2009 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, erster und zweiter Fall SMG, des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, achter Fall, Abs. 3 SMG und des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 21. Juni 2006 in Wien einen Pkw um EUR 25.800,-- unter Vorlage einer gefälschten Lohnbestätigung angekauft und dadurch einen Schaden in der Höhe von EUR 22.093,-- verursacht habe, sowie von Juni 2008 bis März 2009 Kokain und Marihuana zum Eigenkonsum erworben und besessen habe und im Jänner 2009 sowie am 18. Februar 2009 gewerbsmäßig einer Person zumindest 25 g Kokain von durchschnittlicher "Straßenqualität" durch Verkauf überlassen habe. Dieses Gesamtfehlverhalten gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maße. Die Gefährlichkeitsprognose könne für den Beschwerdeführer angesichts der Tatsache, dass er im Jänner 2009 und am 18. Februar 2009 gewerbsmäßig Suchtgift verkauft habe und diese Straftat noch bei weitem nicht lange genug zurückliege, nicht positiv ausfallen. Mit der Verurteilung sei auch der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt, welcher mangels eines Hinweises, dass seine Adoptivmutter ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe, und wegen der Volljährigkeit des Beschwerdeführers maßgeblich sei.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe familiäre Bindungen zu seiner österreichischen Adoptivmutter und deren Ehegatten, sowie zu seinem Bruder, der mit dem Beschwerdeführer zusammen wohne. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Seit August 2005 sei er mit wenigen Unterbrechungen als Arbeiter beschäftigt. In Anbetracht seines seit 2004 durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet sei vor dem Hintergrund seiner familiären und beruflichen Situation zweifelsfrei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei aber zulässig und zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz von Leben, körperlicher Unversehrtheit und Gesundheit Dritter sowie des Eigentums als dringend geboten zu erachten. Der Beschwerdeführer habe durch sein strafbares Verhalten dokumentiert, dass er nicht in der Lage oder gewillt sei, die zum Schutz maßgeblicher Rechtsgüter aufgestellten Normen einzuhalten. Die aus dem fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seinen privaten, familiären und beruflichen Beziehungen ableitbare Integration habe jedoch in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Dem stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen im Bereich der Suchtgift- und Eigentumskriminalität entgegen. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessenlagen gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die für die öffentlichen Interessen nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Der Beschwerdeführer müsse daher die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Konsequenzen für seine Lebenssituation und die seiner Familie in Kauf nehmen.

Letztlich stünden auch die Bestimmungen über die Aufenthaltsverfestigung und des Ermessens der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb sie die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes von zehn - so noch die Entscheidung in erster Instanz - auf fünf Jahre herabsetzte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die von der belangten Behörde getroffene Gefährdungsprognose und bringt dazu vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, sein Gesamtverhalten zu beurteilen, und habe sich ausschließlich auf die im Strafregister aufscheinende Verurteilung gestützt. Dabei handle es sich um das einzige Fehlverhalten des Beschwerdeführers, der sich sowohl davor als auch danach wohlverhalten habe. Die aus dem einzigen Verstoß gegen die österreichischen Strafgesetze resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei daher weggefallen oder zumindest in ihrer entscheidungswesentlichen Bedeutung gemindert.

Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Entgegen seinen Ausführungen stellte die belangte Behörde nicht bloß auf die Erfüllung der Tatbestände des § 27 SMG und der §§ 146 , 147 StGB ab, sondern stellte jene Handlungen des Beschwerdeführers, die ihm als Fehlverhalten vorgeworfen wurden, in ausreichendem Maß fest. Vor allem ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer - auch wenn es nur zu einer einzigen Verurteilung kam - doch mehrere Straftaten (u.a. Suchtgiftdelikte) im Zeitraum von 2006 bis 2009 beging. Der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides seit der Verurteilung verstrichene Zeitraum von rund dreieinhalb Monaten kann - worauf die belangte Behörde zutreffend verwies - nicht als ausreichend beurteilt werden, um auf eine maßgebliche Minderung oder einen Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können. Darüber hinausgehende Erhebungen oder Feststellungen waren in dieser Hinsicht daher entbehrlich.

Vor dem Hintergrund der behördlichen Feststellungen zum Fehlverhalten des Beschwerdeführers kann die von der belangten Behörde nach § 60 Abs. 1 Z 1 FPG vorgenommene Beurteilung nicht als rechtswidrig erkannt werden. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in mehrfachen Angriffen nicht unerheblich gegen die Rechtsordnung verstieß und die zuletzt erfolgten Suchtgiftverkäufe in der Absicht erfolgten, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG. In der Beschwerde wird dazu geltend gemacht, es sei auf die Adoptivmutter des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen, welche an besorgniserregenden psychischen Problemen leide und die Hilfe des Beschwerdeführers benötige.

Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Krankheit der Adoptivmutter und die Notwendigkeit ihrer Unterstützung durch den Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nie vorgebracht wurden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass insoweit das Verwaltungsverfahren mangelhaft geführt worden wäre. Dem Beschwerdeführer wurde schon bei seiner Vernehmung am 15. Juni 2009 die Absicht der Bundespolizeidirektion Wien, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich zu den persönlichen Verhältnissen zu äußern. Dazu gab er an, seine "Adoptiveltern" wohnten in Wien 16 und sein Bruder lebe an der Wohnadresse des Beschwerdeführers in Wien 21. Im erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. August 2009 werden dem Beschwerdeführer familiäre Bindungen zu seinen "Adoptiveltern" und zu seinem Bruder attestiert. In der dagegen erhobenen Berufung nannte der Beschwerdeführer an familiären oder persönlichen Bindungen im Bundesgebiet lediglich seine "Adoptiveltern" und seinen Bruder, ohne weitere Aspekte wie eine Krankheit der Adoptivmutter oder eine Hilfeleistung durch den Beschwerdeführer geltend zu machen.

Die nunmehr in der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erstmals geltend gemachten Umstände können daher infolge des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbotes (§ 41 Abs. 1 VwGG) keine Berücksichtigung finden.

Von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ging die belangte Behörde ohnedies aus und kam zum Ergebnis, dass die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie im Hinblick auf die gegenläufigen, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen von ihm in Kauf genommen werden müssten. Zu weiteren Ermittlungen der belangten Behörde bestand mit Blick auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren kein Anlass.

Die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung begegnet daher keinen Bedenken. Zutreffend erkannte die belangte Behörde, dass auch die bisherige berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen steht, verkaufte er das Suchtgift doch gewerbsmäßig und sind die mit der Wiedereingliederung in sein Heimatland allfällig verbundenen Schwierigkeiten des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch noch nicht besonders lange in Österreich aufhältigen Beschwerdeführers im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Schließlich rügt der Beschwerdeführer noch, die belangte Behörde habe das ihr zustehende Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt und hätte mit gelinderen Mitteln wie der bloßen "Androhung" eines Aufenthaltsverbotes oder einer "Verwarnung" das Auslangen finden können. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem SMG (§ 55 Abs. 3 Z 1 FPG) ist eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes gelegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2012, Zl. 2010/18/0400, mwN).

Da sohin dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 6. September 2012

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