VwGH 2009/18/0378

VwGH2009/18/037826.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des G J in W, geboren am 21. September 1973, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Juli 2009, Zl. E1/189.362/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Juli 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass ein erster Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet mit 25. Oktober 1994 aktenkundig sei, als er von Beamten des Arbeitsmarktservice Wien bei einer Baustellenkontrolle bei offensichtlicher Schwarzarbeit - ohne im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung zu sein - betreten worden sei; der Beschwerdeführer selbst habe diesbezüglich angegeben, seit 21. Oktober 1994 als Hilfsarbeiter beschäftigt zu sein.

Ein von der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) in der Folge eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren habe nicht weitergeführt werden können, weil der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthaltes gewesen sei.

Am 24. März 1997 sei der Beschwerdeführer in einem Gasthaus in W bei Aushilfstätigkeiten betreten worden. Er habe damals gegenüber den Beamten angegeben, dass er nicht im Besitz eines Visums sei und sich seit zwei Jahren unbefugt in Österreich aufhalte. Seinen Unterhalt verdiene er mit diversen Gelegenheitsarbeiten.

Nachdem die Erstbehörde den Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts bestraft habe, habe sie gegen ihn mit Bescheid vom 26. März 1997 wegen Mittellosigkeit sowie Ausübung von Schwarzarbeit ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen. Der Beschwerdeführer sei in Vollstreckung dieses Aufenthaltsverbotes am 30. März 1997 aus dem Bundesgebiet abgeschoben worden.

Am 4. November 2005 habe er einen von seiner österreichischen Mutter abgeleiteten Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt, der im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. April 2007 gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen worden sei. Die Behandlung einer dagegen gerichteten Beschwerde habe der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Juni 2008 abgelehnt; die Beschwerde sei nicht an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten worden.

Der Beschwerdeführer halte sich zuletzt zumindest seit seiner Anmeldung am 11. Oktober 2005 im Bundesgebiet auf und verfüge "aktuell weder über einen Einreise- noch über einen Aufenthaltstitel".

Die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides, wonach er außer zu seiner Mutter in Österreich keine familiären Beziehungen habe und er in Österreich keiner Beschäftigung nachgehe, seien in der Berufung unbestritten geblieben. Aufgrund der Aktenlage sei nicht nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1997 tatsächlich mit einer serbischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen sei, zumal er mehrfach angegeben habe, ledig zu sein. Auch der Umstand, dass er für zwei Kinder sorgepflichtig sei, sei nach der Aktenlage nicht belegt; es sei auch nicht behauptet worden, dass er mit diesen Personen noch familiären Kontakt pflege, und schon gar nicht, dass er mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebe.

Der Beschwerdeführer verfüge über einen Krankenversicherungsschutz, sei allerdings nicht selbsterhaltungsfähig, sei er doch auf die - im Übrigen nicht ausreichende - finanzielle Unterstützung durch seine leibliche Mutter angewiesen. Außerdem habe er im Hinblick auf das Fehlen einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bzw. eines Aufenthaltstitels auch keine Möglichkeit, sich unter den gegebenen Umständen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren nicht behauptet, dass er sämtliche Kontakte zu seinem Heimatland abgebrochen hätte und dort keine familiären bzw. beruflichen Bindungen vor seiner Ausreise aufgewiesen habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Voraussetzungen für die Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Vor dem Hintergrund des bis dato (zuletzt) mindestens dreieinhalbjährigen inländischen Aufenthaltes sowie der privaten und familiären Situation des Beschwerdeführers sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in dessen Privat- bzw. Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff erweise sich jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des Arbeitsmarktes - selbst unter Beachtung der unterschiedlichen Kriterien, welche in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entwickelt und vom Verfassungsgerichtshof auch aufgezeigt worden seien, als dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der zuletzt nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet, zumal der Beschwerdeführer - wie er bereits in der Vergangenheit gezeigt habe - geradezu beharrliche Verstöße gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz bzw. das - früher geltende - Fremdengesetz 1997 zu verantworten habe. Der Beschwerdeführer habe nach seinem längeren illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet "durch den Umstand, dass seine leibliche Mutter die österreichische Staatsbürgerschaft erworben" habe, vor dem Hintergrund seiner tristen finanziellen Situation nicht darauf bauen können, sich mit dieser Familienangehörigen im Bundesgebiet auf Dauer niederlassen zu können.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers durchzuführen bzw. von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bekämpft nicht die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides weder über einen Einreise- noch über einen Aufenthaltstitel verfügt hat. Da sich der Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Sinn des § 31 FPG im Bundesgebiet aufhält, bestehen gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keine Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2009, Zl. 2009/18/0278, mwH, insbesondere auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 2009, G 125/08, in Hinblick auf die festgestellte finanzielle Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine österreichische Mutter).

1.2. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist es für den Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG ohne Belang, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Einreise über einen Einreisesichtvermerk verfügt hat oder nicht. Die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängel liegen daher nicht vor.

2.1. Bei der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG (in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) vorgenommenen Interessenabwägung hat diese den mehrjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seine familiären Bindungen zu seiner österreichischen Mutter, von der er finanziell unterstützt wird, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet werden allerdings dadurch in ihrem Gewicht verringert, dass dem Beschwerdeführer jedenfalls eine berufliche Integration nicht gelungen ist (§ 66 Abs. 2 Z. 4 FPG) und er nach den unbekämpften Feststellungen des angefochtenen Bescheid (siehe oben unter I.1.) mehrmals Verstöße gegen das Fremdenpolizei- und Einwanderungsrecht zu verantworten hatte (§ 66 Abs. 2 Z. 7 FPG).

2.2. Die Beschwerde bringt im Zusammenhang mit der Interessenabwägung nach § 66 FPG vor, dass die belangte Behörde nicht sämtliche familiäre Bindungen des Beschwerdeführers berücksichtigen habe können; neben dessen Mutter lebten auch seine Lebensgefährtin, die drei gemeinsamen Kinder sowie eine Cousine des Beschwerdeführers in Österreich. Eine im Jahr 2002 geborene Tochter des Beschwerdeführers sei schwer krank und bedürfe der ständigen Betreuung durch diesen und seine Lebensgefährtin.

Einer Berücksichtigung dieses Vorbringens steht allerdings schon das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) entgegen: Im Rahmen der Gewährung von Parteiengehör wurde der Beschwerdeführer am 14. Mai 2007 durch die Bundespolizeidirektion Wien (die Erstbehörde) unter anderem aufgefordert, allenfalls in Österreich lebende Familienangehörige binnen zwei Wochen bekannt zu geben; daraufhin teilte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. Mai 2007 lediglich die Bevollmächtigung seines Rechtsvertreters mit. Die im erstinstanzlichen Bescheid ausdrücklich getroffene Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich außer zu seiner Mutter über keine familiären Bindungen verfüge, wurde in der dagegen eingebrachten Berufung nicht bestritten.

Da die belangte Behörde ihrer Entscheidung insofern - ohne Durchführung weiterer Ermittlungen - lediglich den von der Behörde erster Instanz angenommenen Sachverhalt zugrundelegte, musste sie dem Beschwerdeführer - entgegen dessen Ansicht - keine Möglichkeit zur Stellungnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG einräumen (vgl. Hengstschläger/Leeb AVG § 45 Rz 38 mit Nachweisen aus der hg. Rechtsprechung).

2.3. Den - wie dargelegt - relativierten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, Zl. 2009/18/0301, mwN). Bei Abwägung dieses großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen, relativierten Interessen des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass dessen Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig sei, keinen Bedenken.

3. Die Beschwerde legt schließlich dar, dass der Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - nämlich am 22. Juni 2009 - einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 43 Abs. 2 NAG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) gestellt habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bereits ausgesprochen, dass auch ein derartiger Antrag, der gemäß § 44b Abs. 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründet, an der Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes und damit der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG nichts ändert (vgl. etwa wiederum das hg. Erkenntnis vom 25. September 2009, mwN).

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 26. November 2009

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