VwGH 2009/18/0278

VwGH2009/18/027825.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des N B in W, geboren am 26. Oktober 1975, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. April 2008, Zl. E1/110.395/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Z3;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
61990CJ0370 Singh VORAB;
62000CJ0060 Carpenter VORAB;
62007CO0551 Sahin VORAB;
62008CJ0127 Metock VORAB;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §53;
FrPolG 2005 §54;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §85 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §3;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44 Abs4;
NAG 2005 §44b Abs3;
NAG 2005 §51;
NAG 2005 §52;
NAG 2005 §54;
NAG 2005 §55 Abs2;
NAG 2005 §57;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Z3;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art3 Abs1;
61990CJ0370 Singh VORAB;
62000CJ0060 Carpenter VORAB;
62007CO0551 Sahin VORAB;
62008CJ0127 Metock VORAB;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §53;
FrPolG 2005 §54;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §85 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
FrPolG 2005 §86;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §3;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44 Abs4;
NAG 2005 §44b Abs3;
NAG 2005 §51;
NAG 2005 §52;
NAG 2005 §54;
NAG 2005 §55 Abs2;
NAG 2005 §57;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. April 2008 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 und § 87 iVm § 86 Abs. 2 FPG des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei im Dezember 2000 illegal nach Österreich gelangt und habe am 28. Dezember 2000 einen Asylantrag gestellt, der am 31. Juli 2003 gemäß §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 14. Oktober 2003 habe er einen weiteren Asylantrag gestellt. Dieses Asylverfahren sei am 11. Dezember 2003 eingestellt worden.

Am 22. April 2004 habe er die österreichische Staatsbürgerin T H. geheiratet und am 23. Juni 2004 einen Erstantrag als begünstigter Drittstaatsangehöriger eingebracht. In der Folge seien von der erstinstanzlichen Behörde (der Bundespolizeidirektion Wien) Erhebungen wegen des Verdachts des Vorliegens einer Scheinehe (nunmehr Aufenthaltsehe) geführt worden. Trotz des Vorliegens einer sehr verdichteten Verdachtslage habe die Erstbehörde dem Beschwerdeführer am 18. Jänner 2008 mitgeteilt, dass (lediglich) die Erlassung einer Ausweisung beabsichtigt wäre. In seiner Stellungnahme vom 19. Februar 2008 habe der Beschwerdeführer u.a. vorgebracht, dass sich der Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe nicht erhärtet und er sich zu keinem Zeitpunkt illegal in Österreich befunden hätte. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid habe er u.a. vorgebracht, dass auf Grund des Nichtvorliegens einer Scheinehe und der Tatsache, dass er zusammen mit seiner Ehegattin mittlerweile einen Sohn hätte, die öffentlichen Interessen nicht gefährdet wären. Er wäre seit nunmehr acht Jahren in Österreich aufhältig. Seine intensiven privaten und familiären Bindungen würden durch die seit dem Jahr 2004 bestehende glückliche Ehe sowie den am 22. Oktober 2007 geboren Sohn bewiesen.

Der Beschwerdeführer sei - so die belangte Behörde weiter - "Familienangehöriger" im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG, weil er Drittstaatsangehöriger und Ehegatte einer nicht freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsbürgerin sei. Daher würden iSd § 87 FPG die § 85 Abs. 1 und § 86 FPG gelten. Der Beschwerdeführer sei kein "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, weil seine österreichische Ehegattin nicht ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Gegen einen Fremden als Familienangehörigen einer nicht "freizügigkeitsberechtigten" Österreicherin iSd § 87 FPG sei die Erlassung einer Ausweisung gemäß § 86 Abs. 2 FPG nur zulässig, wenn ihm aus Gründen des § 55 Abs. 1 NAG das Niederlassungsrecht fehle. § 53 Abs. 1 FPG normiere, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden könnten, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Der Beschwerdeführer halte sich nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung seien auch im Hinblick auf das Fehlen des Niederlassungsrechtes gegeben.

Der Beschwerdeführer sei erwerbstätig und vollkommen in Österreich integriert. Es sei von einem mit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme einhergehenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Es wirke jedoch wesentlich interessenmindernd, dass ein Teil des Aufenthalts nur wegen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz rechtmäßig gewesen sei. Nach der rechtskräftigen negativen Beendigung des Asylverfahrens am 31. Juli 2003 habe sich der Beschwerdeführer ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten und nach Monaten einen weiteren Asylantrag gestellt.

Zur Eheschließung des Beschwerdeführers sei anzuführen, dass tatsächlich eine Reihe von Indizien vorliege, welche auf eine Aufenthaltsehe hinweisen würden. Darüber sei aber nicht im gegenständlichen Verfahren abzusprechen. Ein durchaus gewichtiges Indiz für eine Aufenthaltsehe sei der Umstand, dass er wahrheitswidrige Behauptungen zu seiner angeblichen Vaterschaft aufgestellt habe. Nach dem rechtswirksamen Anerkenntnis (der Vaterschaft) vom 15. Oktober 2007 stehe jedoch der schweizerische Staatsangehörige F K. als Vater des mj. J H. fest. Für die Mutter, die "Ehegattin" des Beschwerdeführers, habe offenbar nie der geringste Zweifel daran bestanden, wer der Vater des ehelich geborenen Sohnes gewesen sei. Allein der Beschwerdeführer habe im März 2008 noch immer nicht gewusst, dass er nicht der Vater des genannten Kindes sei.

Die behaupteten intensiven Bindungen zwischen dem Beschwerdeführer und seiner "Gattin" seien zumindest relativiert. Der Beschwerdeführer habe zudem nur durch das Eingehen dieser Ehe Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt erlangt. Seine Bindung zu seiner Heimat möge lose oder emotional erschüttert sein, dennoch habe er den allergrößten Teil seines Lebens dort oder zumindest nicht in Österreich verbracht. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die allenfalls vorhandenen gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit daran, dass er aus dem Bundesgebiet ausreise, zumal es ihm kaum möglich sein werde, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. Die Ausweisung sei dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Es seien keine besonderen Umstände ersichtlich, die die Behörde zu einer Abstandnahme von der Ausweisung im Rahmen des ihr von § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens hätten veranlassen müssen. Der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung räume kein durchsetzbares Recht auf Inlandsantragstellung ein. Eine solche Antragstellung verschaffe dem Beschwerdeführer kein Bleiberecht und stehe einer Ausweisung nach § 53 FPG nicht entgegen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Mit hg. Beschluss vom 2. Oktober 2008, Zl. A 2008/0041-1 (2008/18/0507), hat der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 B-VG den Antrag gestellt, die Wortfolge ", sofern diese ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben," in § 57 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, über das Nichtbestehen eines gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts iSd 4. Hauptstücks des 2. Teils des NAG habe die Fremdenpolizeibehörde gemäß § 55 Abs. 1 NAG im Aufenthaltsbeendigungsverfahren zu entscheiden. Die Anordnung des § 87 FPG, der zufolge für Familienangehörige die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG gelten, finde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Umfang des § 86 Abs. 2 FPG (wonach EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige dann auszuweisen sind, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 1 NAG das Niederlassungsrecht fehlt) auf die Familienangehörigen keine Anwendung, weil diese aus den §§ 51, 52 und 54 NAG kein Niederlassungsrecht ableiten könnten. Bei Erledigung der Beschwerde werde der Verwaltungsgerichtshof § 57 NAG anzuwenden haben, denn aus dieser Bestimmung ergebe sich die (genannte) Nichtanwendbarkeit der §§ 51 bis 56 NAG, was sich auf die Beurteilung des Vorliegens eines unrechtmäßigen Aufenthalts iSd § 53 Abs. 1 FPG auswirke.

Bei der Behandlung der Beschwerde seien beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der genannten Wortfolge in § 57 NAG entstanden. Es stelle sich die Frage, ob es auch nach der nunmehr durch das Urteil des EuGH vom 25. Juli 2008, C-127/08 , Metock, klargestellten Auslegung des Gemeinschaftsrechts sachlich gerechtfertigt sei, dass § 57 NAG zwischen den Freizügigkeit in Anspruch nehmenden Österreichern und den Freizügigkeit nicht in Anspruch nehmenden Österreichern differenziere und damit eine diese Österreicher und deren Angehörige diskriminierende Rechtslage beibehalte.

5. Mit Beschluss vom 20. Juni 2009, G 125/08-6, hat der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag zurückgewiesen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes habe die Fremdenpolizeibehörde bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG vorlägen, weil ein Fremder sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, ausschließlich zu prüfen, ob die Dokumentation (der in § 54 NAG geregelte Niederlassungsnachweis) des direkt im Gemeinschaftsrecht begründeten Niederlassungsrechtes vorliege. Die Ausstellung eines Niederlassungsnachweises obliege gemäß § 3 NAG der Niederlassungsbehörde. Die Fremdenpolizeibehörde habe hingegen nicht zu prüfen, ob der Fremde gemäß §§ 54 iVm 57 NAG tatsächlich zur Niederlassung in Österreich berechtigt sei. Es sei daher denkunmöglich, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung darüber, ob die Fremdenpolizeibehörde zu Recht eine Ausweisung verhängt habe, § 57 NAG anzuwenden habe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss angezogene Bestimmung des § 31 FPG, worin die Voraussetzungen für den rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet normiert sind, wurden von diesem Gerichtshof nicht geäußert.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bringt vor, dass die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Recht auf (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Aus der Niederschrift über ihre Vernehmung vom 18. August 2006 gehe hervor, "dass sie ihr Studium erst kürzlich abgeschlossen hat und bis vor kurzem für fünf Wochen beruflich in Griechenland bei einem Schildkrötenprojekt tätig war". Sie habe des Weiteren angegeben, "dass sie am 19.8.2006 für längere Zeit wegfährt". Tatsächlich habe die Ehefrau des Beschwerdeführers insgesamt sechs Monate (von August 2006 bis Jänner 2007) beruflich u.a. in Griechenland verbracht, wo sie am Projekt "Archelon" gearbeitet habe.

Im Fall Carpenter habe der Europäische Gerichtshof sogar konstatiert,

"dass es für die Anwendbarkeit der (aus der) Dienstleistungsfreiheit eines Unionsbürgers ableitbaren Aufenthaltsrechte eines drittstaatsangehörigen Familienmitgliedes reiche, dass der Ehemann grenzüberschreitend von seiner Dienstleistungsfreiheit Gebrauch gemacht hatte, auch wenn er seinen Heimatstaat von kurzen Geschäftsreisen abgesehen, dazu nicht verlassen hatte".

Es möge sein, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ihre Freizügigkeit zu einem Zeitpunkt in Anspruch genommen habe, zu dem sich der Beschwerdeführer schon in Österreich aufgehalten habe. Der Europäische Gerichtshof habe jedoch im Fall Carpenter betont, dass es von großer Bedeutung sei, den Schutz des Familienlebens der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, um die Hindernisse für die Ausübung der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu beseitigen. Es komme zum Ausdruck,

"dass die Vorlage der Grundfreiheiten nicht dadurch konterkariert werden darf, dass Familienangehörige des Unionsbürger nicht gerechtfertigten Beschränkungen unterworfen werden".

Durch die Richtlinie 2004/38/EG seien nicht nur jene Angehörige eines Unionsbürgers aufenthaltsrechtlich und beschäftigungsrechtlich begünstigt, die ihn unmittelbar begleiten oder ihm nachziehen würden, sondern selbst jene, die ein Familienleben mit dem Unionsbürger erst im Aufnahmemitgliedstaat begründen würden. Die belangte Behörde hätte zu dem Schluss kommen müssen, dass der Beschwerdeführer ein "begünstigter Drittstaatsangehöriger" im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG sei, weil er Ehegatte einer Österreicherin sei, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Dem Beschwerdeführer stehe daher gemäß § 9 Abs. 1 NAG ein Aufenthalts- und Niederlassungsrecht zu. Die "Voraussetzungen für eine Ausweisung gemäß § 55 Abs. 1 NAG" würden nicht vorliegen, weil insbesondere keine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliege.

1.2. Die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und seiner österreichischen Ehefrau T H. wurde am 22. April 2004 geschlossen. Dem Beschwerdevorbringen zufolge - dem die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift nicht entgegen getreten ist - hat sich die Ehefrau des Beschwerdeführers fünf Wochen vor dem 18. August 2006 (dem Tag ihrer behördlichen Einvernahme; siehe oben 1.1.) und sechs Monate danach in Griechenland (als Aufnahmemitgliedstaat iSd Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2004/38/EG) aufgehalten, um bei einem "Schildkrötenprojekt" mitzuwirken. Der Beschwerdeführer blieb währenddessen in Österreich. Die Ehefrau des Beschwerdeführers hält sich nach ihrer Rückkehr aus dem Aufnahmemitgliedstaat im Jänner 2007 wieder in dem Staat auf, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt (Herkunftsland), wo sie das Zusammenleben mit dem Beschwerdeführer fortsetzte.

Der EuGH hat mit Urteil vom 25. Juli 2008, Metock u.a., C- 127/08 , (vgl. auch den Beschluss vom 19. Dezember 2008, Deniz Sahin, C-551/07 ), klargestellt, dass die Richtlinie 2004/38/EG der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach sich ein Drittstaatsangehöriger, der der Ehegatte eines Unionsbürgers ist, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, vor seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben muss, um sich auf die Bestimmungen dieser Richtlinie berufen zu können. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG ist dahin gehend auszulegen, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der der Ehegatte eines Unionsbürgers, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, ist und diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, auf die Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig davon berufen kann, wann oder wo ihre Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist. Demzufolge haben Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, auf Grund der Richtlinie 2004/38/EG das Recht, diesem in den Aufnahmemitgliedstaat nachzuziehen, gleichgültig, ob dieser sich dort niedergelassen hat, bevor oder nachdem er eine Familie gegründet hat (Rz 90). Es spielt keine Rolle, ob Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, bevor oder nachdem sie Familienangehörige des Unionsbürgers wurden (Rz 92).

Da sich der Beschwerdeführer in Österreich, dem Herkunftsland seiner Ehefrau, und nicht in einem "Aufnahmemitgliedstaat" aufhält, in den sich seine österreichische Ehefrau iSd Art. 2 Z. 3 der Richtlinie 2004/38/EG begeben hat, um dort ihr "Recht auf Freizügigkeit oder Aufenthalt auszuüben", er also nicht iS des genannten Urteils "der Ehegatte eines Unionsbürgers ist, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt", sind die in dem genannten Urteil dargelegten Grundsätze auf seine Situation nicht anwendbar.

Daran ändert nichts, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Griechenland nach Österreich, ihrem Herkunftsland, zurückgekehrt ist, denn sie ist nicht mit diesem, sondern zu ihm zurückgekehrt und hat das Zusammenleben mit ihm fortgesetzt. Es liegt sohin keine "Rückkehrsituation" iSd Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vor (vgl. EuGH 7. Juli 1992, RS 370/90, Singh, Slg. 1992, I-4265, Rz 23 und 25).

1.3. Im Urteil vom 11. Juli 2002, Rechtssache C-60/00 , "Carpenter", hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einem Fall, in dem eine drittstaatszugehörige Ehefrau eines Unionsbürgers zwar aus dem sekundären Gemeinschaftsrecht kein Aufenthaltsrecht ableiten konnte, jedoch die Durchführung seiner Geschäftsreisen dadurch erleichterte, dass sie zu Hause den Haushalt führte und für seine Kinder aus erster Ehe sorgte, Folgendes ausgeführt:

"39. Es steht fest, dass die Trennung der Eheleute Carpenter sich nachteilig auf ihr Familienleben und damit auf die Bedingungen auswirken würde, unter denen Herr Carpenter eine Grundfreiheit wahrnimmt. Diese Freiheit könnte nämlich ihre volle Wirkung nicht entfalten, wenn Herr Carpenter von ihrer Wahrnehmung durch Hindernisse abgehalten würde, die in seinem Herkunftsland für die Einreise und den Aufenthalt seines Ehegatten bestünden (...).

40. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat nur dann auf Gründe des Allgemeininteresses berufen kann, um eine innerstaatliche Regelung zu rechtfertigen, die geeignet ist, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern, wenn diese Regelung mit den Grundrechten, deren Wahrung der Gerichtshof sichert, im Einklang steht (...).

41. Die Entscheidung über die Ausweisung von Frau Carpenter ist ein Eingriff in die Verwirklichung des Rechts von Herrn Carpenter auf Achtung seines Familienlebens im Sinne des Artikels 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. November 1950 (im Folgenden: Konvention), das zu den Grundrechten gehört, die nach der im Übrigen in der Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Artikel 6 Absatz 2 EU bestätigten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden.

42. Auch wenn die Konvention kein Recht eines Ausländers als solches gewährleistet, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten, kann es einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens, wie es in Artikel 8 Absatz 1 der Konvention geschützt ist, darstellen, wenn einer Person die Einreise in ein oder der Aufenthalt in einem Land verweigert wird, in dem ihre nahen Verwandten wohnen. Ein solcher Eingriff verstößt gegen die Konvention, wenn er nicht den Anforderungen des Artikels 8 Absatz 2 genügt, d.h., wenn er nicht gesetzlich vorgesehen', von einem oder mehreren im Hinblick auf diesen Absatz berechtigten Zielen getragen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig' ist, d.h. durch ein zwingendes gesellschaftliches Bedürfnis gerechtfertigt ist und insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu dem berechtigten Ziel steht, das mit ihm verfolgt wird (...).

43. Eine Entscheidung über die Ausweisung von Frau Carpenter, die unter Bedingungen wie denen des Ausgangsverfahrens getroffen wurde, wahrt kein angemessenes Verhältnis zwischen den betroffenen Interessen, nämlich Herrn Carpenters Recht auf Achtung seines Familienlebens auf der einen und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auf der anderen Seite."

Der Gerichtshof misst somit den nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigenden Interessen eines Unionsbürgers an der Wahrung seines Rechts auf Achtung seines Familienlebens einen sehr hohen Stellenwert bei, wenn der Eingriff in dieses Recht zudem die Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit behindert.

Anders als im Fall Carpenter ist jedoch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, inwiefern der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seiner österreichischen Ehefrau die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit erleichtert haben könnte. Der Beschwerdeführer hat Derartiges auch nicht behauptet.

2. Gemäß § 86 Abs. 2 FPG sind EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 4 Z. 11 FPG) dann auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 1 NAG (Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit bzw. Nichterbringung der Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 NAG) das (gemeinschaftsrechtliche) Niederlassungsrecht fehlt.

Der Verweis des § 55 Abs. 2 NAG auf das Unterbleiben einer "Aufenthaltsbeendigung (§§ 53 und 54 FPG)" stellt klar, dass auch die Ausweisung eines sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden begünstigten Drittstaatsangehörigen grundsätzlich nach § 53 Abs. 1 FPG (iVm § 66 FPG) zu erfolgen hat.

§ 86 Abs. 2 FPG trägt bei der Anwendung des § 53 Abs. 1 FPG auf den Personenkreis der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder der begünstigten Drittstaatsangehörigen dem Umstand Rechnung, dass sich bei diesem die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben kann.

Der Verweis des § 87 FPG, demzufolge für Familienangehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und Österreichern die Bestimmungen der §§ 85 Abs. 2 und 86 leg. cit. gelten, geht daher - soweit er formal auch § 86 Abs. 2 leg. cit. umfasst - ins Leere, weil auf diesen Personenkreis von vornherein die das gemeinschaftliche Niederlassungsrecht deklarierenden Bestimmungen der §§ 51, 52 und 54 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, keine Anwendung finden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/21/0330, und vom 19. Mai 2008, Zl. 2006/18/0390).

3.1. Dem Zurückweisungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 2009, G 125/08-6, zufolge hat die Fremdenpolizeibehörde bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG vorliegen, weil ein Fremder sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ausschließlich zu prüfen, ob die (gemäß § 3 NAG der Niederlassungsbehörde obliegende) Dokumentation (der in § 54 NAG geregelte Niederlassungsnachweis) des direkt im Gemeinschaftsrecht begründeten Niederlassungsrechtes vorliegt. Die Fremdenpolizeibehörde hat hingegen nicht zu prüfen, ob der Fremde gemäß §§ 54 iVm 57 NAG tatsächlich zur Niederlassung in Österreich berechtigt ist.

Dem steht auch das zitierte Urteil des EuGH vom 25. Juli 2008, Metock u.a., C-127/08 , nicht entgegen. Die dort getroffenen Aussagen sind jedenfalls nicht auf Sachverhalte anwendbar, die keine Berührung mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt, und die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen. Der Umstand, dass Unionsbürger, die von ihrer Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht haben, hinsichtlich des Aufenthalts von Familienmitgliedern möglicherweise anders behandelt werden als diejenigen, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, fällt nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts (Metock, Rz. 77 und 78).

3.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er in Österreich noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat. Sein am 23. Juni 2004 eingebrachter Erstantrag auf Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger vermag seinen Aufenthalt nicht zu legalisieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/18/0094, mwN), wie im Übrigen auch im Inland gestellte Anträge nach §§ 43 Abs. 2 sowie 44 Abs. 3 und 4 NAG gemäß § 44b Abs. 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen und an der Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes und der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG nichts ändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2009, Zl. 2009/18/0217). Da sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig iSd § 31 FPG im Bundesgebiet aufhält und ihm bisher kein Niederlassungsnachweis (Daueraufenthaltskarte iSd § 54 NAG bzw. Aufenthaltskarte iSd Art. 10 RL 2004/38/EG ) ausgestellt worden ist, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs 1 FPG erfüllt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4.1. Die Beschwerde verweist darauf, dass ein schützenswertes Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK vorliege. Der Beschwerdeführer lebe seit etwa acht Jahren in Österreich und sei seit vier Jahren als Elektrohelfer und als Zeitungsausträger beschäftigt. Er lebe weiterhin in aufrechter Ehe mit seiner Ehefrau (wobei sich - dem Beschwerdevorbringen zufolge - das Eheleben in den letzten Monaten als "durchaus schwierig" erwiesen habe, weil seine Ehefrau immer wieder alleine habe verreisen müssen). Der Beschwerdeführer habe sich in den letzten Jahren einen österreichischen Freundeskreis aufgebaut und pflege auch gute Kontakte mit der indischen Gesellschaft in Wien, wo er als Volkstänzer engagiert sei. Er habe zahlreiche Deutschkurse absolviert und sei ein ehrgeiziger junger Mann. Er verfüge über eine Lebensversicherung und einen Bausparvertrag.

4.2. Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 FPG berücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Einreise im Jahr 2000 in Österreich aufhält, am 22. April 2004 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet hat und einer Berufstätigkeit nachgeht. Davon ausgehend hat sie zutreffend einen mit der Erlassung der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn dieser Gesetzesbestimmung angenommen.

Die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als der Aufenthalt - abgesehen von einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung auf Grund von Asylanträgen, die sich als unberechtigt erwiesen haben - zur Gänze unrechtmäßig war. Was seine familiären Bindungen betrifft, so musste sich der Beschwerdeführer von Anfang an der Unsicherheit seines weiteren rechtlichen Schicksals in Bezug auf sein Aufenthaltsrecht bewusst gewesen sein. Er beeinträchtigt durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (insbesondere betreffend den Grundsatz der Auslandsantragstellung), dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Seine (insbesondere hinsichtlich einer raschen bzw. sofortigen Erteilung einer - humanitären - Niederlassungsbewilligung) nicht besonders ausgeprägten Interessen an einem Verbleib in Österreich müssen demgegenüber in den Hintergrund treten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 2008, Zl. 2007/18/0523, mwN).

5. Im Übrigen sind weder aus der Aktenlage noch aus der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die die Behörde zu einer Abstandnahme von der Ausweisung im Rahmen des ihr gemäß § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens veranlassen müssten.

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

8. Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. September 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte