VwGH 2009/18/0204

VwGH2009/18/02047.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der L G, geboren am 7. März 1971, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. April 2009, Zl. E1/109.195/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §30 Abs1;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44 Abs4;
NAG 2005 §44b Abs3;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §30 Abs1;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44 Abs4;
NAG 2005 §44b Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. April 2009 wurde die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei am 17. Juli 2002 mit einem Visum C in das Bundesgebiet gelangt und nach Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses Visums in Österreich verblieben. Am 9. Jänner 2003 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, von dem sie sich bereits am 27. Juli 2004 habe scheiden lassen. Auf Grund zahlreicher Ermittlungsberichte, vor allem aber im Hinblick auf das Geständnis des geschiedenen Ehegatten der Beschwerdeführerin, könne davon ausgegangen werden, dass sie diese Ehe rechtsmissbräuchlich, das heiße, ausschließlich zwecks Erlangung fremdenrechtlicher Berechtigungen, geschlossen habe. Jedenfalls seien sämtliche von ihr gestellten Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Dezember 2007 rechtskräftig abgewiesen worden. Feststehe somit, dass die Beschwerdeführerin bislang nicht in den Besitz einer Niederlassungsbewilligung gelangt sei und sich seit Ablauf des ihr erteilten Touristenvisums, demnach seit Ende 2002, unrechtmäßig im Inland aufhalte. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt seien. In einem solchen Fall könne ein Fremder ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG idF des BGBl. I Nr. 29/2009 entgegenstehe.

Auf Grund des beinahe siebenjährigen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und im Hinblick darauf, dass sie mit ihrem Sohn (ihre Tochter sei nicht an ihrer Adresse gemeldet) im gemeinsamen Haushalt lebe, liege ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in ihr Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei die vorliegende Maßnahme im Hinblick auf den langen unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier:

zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremden- und Einwanderungswesens, dringend geboten und daher im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Im Rahmen der nach § 66 Abs. 2 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich die Beschwerdeführerin auf Grund ihres überwiegend illegalen Aufenthaltes nicht mit Erfolg auf einen relevanten Grad ihrer Integration berufen könne. Es liefe dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens grob zuwider, wenn ein Fremder die österreichischen fremdenpolizeilichen und einwanderungsrechtlichen Bestimmungen umgehe und nach Ablauf eines ihm erteilten Visums die Ausreiseverpflichtung jahrelang beharrlich missachte. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin auch keinerlei Bedenken gehabt habe, die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger rechtsmissbräuchlich einzugehen, was die von ihr ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung zusätzlich verstärke. Ihre Bindung zu ihrem Sohn, mit dem sie im gemeinsamen Haushalt lebe, erfahre auf Grund dessen Volljährigkeit ebenfalls eine nicht unerhebliche Relativierung. Von daher gesehen seien die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin als weitaus geringer zu gewichten als das genannte, einen hohen Stellenwert genießende öffentliche Interesse.

Vor diesem Hintergrund und in Ermangelung besonderer zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, dass sämtliche Anträge der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abgewiesen worden seien, begegnet ihre - unbekämpfte - Ansicht, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung nach § 66 FPG und bringt vor, dass sich die belangte Behörde nicht im Detail mit den ehelichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin (und ihres mittlerweile von ihr geschiedenen Ehegatten) befasst habe und die bloße Ablehnung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ehe in der Vergangenheit nicht rechtfertigen könne. Da die im Jänner 2003 geschlossene Ehe im Juli 2004 geschieden worden sei, dürfe auf "fremdenrechtliche Motive" bei der Eheschließung zur Begründung des Ausweisungsbescheides nicht zurückgegriffen werden. Wesentlich sei vielmehr, dass die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet seit nunmehr sieben Jahren durchgehend aufhältig sei, langjährig beschäftigt gewesen sei und mit ihrem Sohn im familiären Haushalt lebe. Der Umstand, dass "die fremdenrechtlichen Verfahren" seit 2002 angedauert hätten und die Beschwerdeführerin Rechtsmittel ergriffen habe, könne ihr nicht im Rahmen einer Gefährlichkeitsprognose angelastet werden.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde ihre Sachverhaltsfeststellungen, dass die Beschwerdeführerin am 9. Jänner 2003 die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger ausschließlich zwecks Erlangung fremdenrechtlicher Berechtigungen -

somit rechtsmissbräuchlich - geschlossen habe, nicht mit der Ablehnung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung begründet, sondern diese Feststellungen auf ihr vorliegende Ermittlungsberichte und vor allem auf das Geständnis, somit die Angaben des geschiedenen Ehegatten der Beschwerdeführerin gestützt. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass der frühere Ehegatte der Beschwerdeführerin das Eingehen der Scheinehe (Aufenthaltsehe, vgl. § 30 Abs. 1 NAG) zugestanden hat, und geht auf dessen Angaben nicht ein, sodass es ihr nicht gelingt, Zweifel an den vorzitierten Feststellungen der belangten Behörde zu erwecken. Auch stellt die Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht die konkrete Behauptung auf, dass sie mit ihrem früheren Ehegatten eine eheliche Lebensgemeinschaft geführt und zusammengelebt habe. Die Feststellungen der belangten Behörde bezüglich der genannten Ehe begegnen daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinem Einwand.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG (idF des BGBl. I Nr. 29/2009) hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit 17. Juli 2002 sowie deren Bindungen zu deren Tochter und deren Sohn berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in Sinn des § 66 Abs. 1 leg. cit. angenommen. Zu Recht hat die belangte Behörde jedoch auch darauf hingewiesen, dass die aus dem bisherigen inländischen Aufenthalt resultierende Integration der Beschwerdeführerin an Gewicht entscheidend dadurch gemindert ist, dass sie sich nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Visums im Jahr 2002 ohne einen Aufenthaltstitel und somit unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat.

Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 2. April 2009, Zl. 2009/18/0107, mwN). Gegen dieses große öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthalt gravierend verstoßen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin, die dem Beschwerdevorbringen zufolge langjährig beschäftigt gewesen sei, rechtsmissbräuchlich eine Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger eingegangen ist und so den Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt erlangt hat.

Dem genannten öffentlichen Interesse stehen - neben den aus dem bisherigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin resultierenden, jedoch an Gewicht wesentlich geminderten Interessen - ihre Bindungen zur Tochter und zum Sohn, mit dem sie im gemeinsamen Haushalt lebt, gegenüber. Ihr Sohn ist - was die Beschwerde nicht in Abrede stellt - bereits volljährig. Dass ihre Kinder ihrer Betreuung und persönlichen Anwesenheit in Österreich bedürften, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Auch aus dem übrigen Beschwerdevorbringen ergeben sich keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK, auf Grund derer es der Beschwerdeführerin unzumutbar wäre, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahren in ihr Heimatland zurückzukehren.

Wägt man das angeführte öffentliche Interesse gegen die genannten persönlichen Interessen ab, so kann die Ansicht der belangten Behörde, dass § 66 FPG der Ausweisung der Beschwerdeführerin nicht entgegenstehe, nicht beanstandet werden.

3. Ferner kann keine Rede davon aus, dass der angefochtene Bescheid, wie die Beschwerde meint, nicht ausreichend begründet sei.

4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, und ergeben sich keine besonderen Umstände, die eine Ermessensübung nach § 53 Abs. 1 FPG zu Gunsten der Beschwerdeführer geboten hätten. Die in der Beschwerde angesprochene Möglichkeit, einem Fremden gemäß den §§ 43 und 44 NAG einen Aufenthaltstitel zu erteilen, stellt hiebei keinen Umstand im genannten Sinn dar (vgl. in diesem Zusammenhang auch § 44b Abs. 3 NAG, wonach Anträge gemäß § 43 Abs. 2 sowie § 44 Abs. 3 und 4 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen).

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 7. Juli 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte