VwGH 2009/18/0132

VwGH2009/18/013211.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der K N, geboren am 17. Dezember 1974, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. März 2009, Zl. E1/115440/2009, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
StGB §70;
FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
StGB §70;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. März 2009 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 sowie § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Beschwerdeführerin habe sich ab 1990 zeitweise in Österreich aufgehalten und am 18. November 1998 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt, welcher jedoch am 4. Juli 2000 abgelehnt worden sei. Am 25. Jänner 2001 sei sie wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet festgenommen worden. Bei den folgenden Vernehmungen habe sie angegeben, gemeinsam mit ihren beiden Kindern und einem vom 8. Juli 2000 bis 8. August 2000 gültigen Visum am 9. Juli 2000 legal in das Bundesgebiet eingereist, aber nach Ablauf der Gültigkeitsdauer unrechtmäßig hier geblieben zu sein. Mit Bescheid vom 29. Jänner 2001 sei gegen sie wegen Mittellosigkeit ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes (also bis 29. Jänner 2006 gültiges) Aufenthaltsverbot erlassen worden. Per 31. Jänner 2001 sei die Abschiebung durchgeführt worden.

Am 9. Juni 2004 sei bei der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des bestehenden Aufenthaltsverbotes eingelangt. Eine vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des genannten Aufenthaltsverbotes verfügte Aufhebung sei jedoch nicht aktenkundig.

Laut einer am 23. Dezember 2005 aufgenommenen Niederschrift habe die Beschwerdeführerin angegeben, im Sommer 2005 mit ihren beiden Kindern im 9. Bezirk (von Wien) "gegangen" zu sein und dort eine namentlich bekannte Frau getroffen zu haben, die sie dann monatelang in unregelmäßigen Abstände besucht hätte. Auch daraus ergebe sich, dass sich die Beschwerdeführerin trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes in Österreich aufgehalten habe.

Mit Bescheid der Erstbehörde vom 5. Februar 2007 sei die Beschwerdeführerin ausgewiesen worden. Ihrer Berufung sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Jänner 2008 keine Folge gegeben worden. Über die dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde, der mit Beschluss vom 26. März 2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, sei bisher inhaltlich noch nicht entschieden worden.

Die Beschwerdeführerin sei vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 22. Jänner 2009 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 2, § 129 Z. 1 und § 130 zweiter Satz erster und zweiter Fall StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil sie einer namentlich bekannten Geschädigten am 8. August 2008 Schmuck im Wert von EUR 1.000,-- und am 11. August 2008 Schmuck und Golddukaten im Gesamtwert von EUR 10.800,-- gestohlen habe, wobei sie sich mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel den Eintritt in die Wohnung der Geschädigten verschafft habe. Weiters hätten sie und eine Mittäterin am 20. Mai 2008, 19. Juni 2008, 28. Juni 2008, 2. Juli 2008 und 6. August 2008 verschiedenen Geschädigten Schmuck und (zum Teil) Goldmünzen sowie Bargeld im Gesamtwert von ca. EUR 49.000,-- und am 21. Juni 2008 einer namentlich bekannten Geschädigten EUR 1.700,-- Bargeld gestohlen, wobei beide Täterinnen mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel in die Wohnung des Opfers eingedrungen seien.

Die Beschwerdeführerin sei geschieden und für zwei in Österreich lebende Kinder sorgepflichtig. In den letzten fünf Jahren sei sie insgesamt nur ca. 16 Monate in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, wobei das letzte am 28. März 2007 geendet habe. Berufliche Bindungen seien somit nicht vorhanden. Die Eltern der Beschwerdeführerin lebten ebenfalls in Österreich.

In ihrer Berufung habe die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin angegeben, seit 2004 durchgehend (also trotz des bis zum 29. Jänner 2006 gültigen Aufenthaltsverbotes) im Bundesgebiet aufhältig zu sein.

Begründend führte die belangte Behörde nach Hinweis auf die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen weiter aus, dass die Beschwerdeführerin durch ihr gravierendes und über einen längeren (monatelangen) Zeitraum hindurch gesetztes, wiederholtes und gewerbsmäßiges deliktisches Verhalten massiv gegen das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität verstoßen habe.

Bei der Interessenabwägung sei auf Grund des langen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und ihrer sehr starken familiären Bindungen von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen erheblichen Eingriff in ihr Privatleben auszugehen. Trotzdem sei die Zulässigkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu bejahen. Den persönlichen Interessen sei nämlich die dargestellte große Gefährdung öffentlicher Interessen durch das massive Fehlverhalten der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten. Bei dieser Abwägung gewinne die Sicherung der öffentlichen Interessen die Oberhand, habe doch die Beschwerdeführerin ihre Gefährlichkeit für das Eigentum im Bundesgebiet aufhältiger Menschen verdeutlicht und das Unvermögen oder den Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten, unter Beweis gestellt. Eine positive Verhaltensprognose sei daher - auch bezogen auf den Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes - nicht möglich. Hinzu komme, dass sie zusätzlich zu ihrem strafrechtlich relevanten Verhalten auch die fremdenrechtlichen Bestimmungen schwer missachtet habe, indem sie sich zunächst (2000/2001) illegal in Österreich aufgehalten habe und später - nach ihrer Abschiebung - trotz des aufrechten Aufenthaltsverbotes in das Bundesgebiet eingereist sei und sich hier wieder unrechtmäßig aufgehalten habe.

Eine Ermessensübung (zu ihren Gunsten) sei von vornherein im Hinblick auf § 55 Abs. 3 und § 56 Abs. 2 Z. 1 und 2 FPG nicht in Betracht gekommen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass - wie oben (I. 1.) dargestellt - die Beschwerdeführerin, die sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, im Jahr 2008 gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB), in acht Angriffen unter Verwendung von widerrechtlich erlangten Schlüsseln in Wohnungen eindrang und Schmuck, Goldmünzen und Bargeld im Gesamtwert von mehr als EUR 62.000,-- erbeutete. Schon in Anbetracht dieser gewerbsmäßig verübten Straftaten begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Hinzu kommt, dass sich die Beschwerdeführerin, die laut ihrem Berufungsvorbringen zuletzt im Jahr 2004 in das Bundesgebiet eingereist ist, wiederholt und auch trotz des gegen sie im Jahr 2001 erlassenen, bis 29. Jänner 2006 gültigen Aufenthaltsverbotes hier aufgehalten und damit beharrlich gegen die fremdenrechtlichen Bestimmungen verstoßen hat. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass die Beschwerdeführerin infolge der Verbüßung des unbedingten Teils der über sie verhängten Freiheitsstrafe und der damit verbundenen Resozialisierung keine weitere Gefahr für die öffentlichen Interessen mehr darstelle und ihr während der Strafhaft die Rechtswohltat von drei Ausgängen, sohin einer wesentlichen Hafterleichterung, zuteil geworden sei, was zeige, dass sie gewillt sei, sich an sämtliche Rechtsvorschriften zu halten, so führen diese behaupteten Umstände zu keiner anderen Beurteilung. Denn der seit der Begehung der Straftaten verstrichene Zeitraum ist jedenfalls noch zu kurz, um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihr ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen zu können, ist doch der behauptete Gesinnungswandel durch eine längere Zeit des Wohlverhaltens erst unter Beweis zu stellen, wobei die in Haft verbrachte Zeit nicht zu berücksichtigen ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2008, Zl. 2007/18/0911, mwN).

2.1. Unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG bringt die Beschwerde vor, dass sich die belangte Behörde mit dem Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin und insbesondere mit dem Umstand hätte auseinandersetzen müssen, dass ihre Mutter, die über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge, und ihre Tochter im Bundesgebiet aufhältig seien. Gleichzeitig sei dem Umstand, dass ihr Adoptivvater "dänisch-deutscher" Staatsangehöriger sei, nicht berücksichtigt worden.

2.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Beschwerde behauptet nicht, dass der 34 Jahre alten Beschwerdeführerin von ihrem "dänisch-deutschen" Adoptivvater Unterhalt gewährt werde, und führt auch nicht die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 ins Treffen. Da die Beschwerdeführerin somit nicht als "Familienangehörige" eines Unionsbürgers anzusehen ist, kommt diese Richtlinie im vorliegenden Beschwerdefall nicht weiter ins Blickfeld.

Bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde den wiederholten inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin berücksichtigt, der jedoch - wie oben (I. 1.) dargestellt - nahezu zur Gänze unrechtmäßig war. Weiters hat die belangte Behörde auf die Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihren in Österreich lebenden Familienangehörigen, nämlich ihren Eltern und zwei Kindern, Bedacht genommen. Diesbezüglich bringt die Beschwerde vor, dass sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Mutter und ihrer Tochter hier aufhalte und ihr Adoptivvater, wenn er in Österreich sei, bei der Familie wohnhaft sei.

In Anbetracht dieser persönlichen Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich hat die belangte Behörde zu Recht einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat jedoch - unter Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen - ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass § 66 FPG dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht entgegenstehe - somit diese (u.a.) im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei -, hat doch die Beschwerdeführerin durch ihr gravierendes Fehlverhalten das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und am Schutz der Rechte anderer, insbesondere des Eigentumsrechtes, erheblich beeinträchtigt.

Unter Zugrundelegung dieses großen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin erweist sich auch die von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorgenommene Abwägung als unbedenklich. Im Übrigen ergeben sich, wenn die Beschwerde - ohne weitere substanziierende Behauptungen - auf den inländischen Aufenthalt der Tochter der Beschwerdeführerin hinweist, keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tochter bei einer Ausreise ihrer Mutter diese allenfalls nicht begleiten könnte.

3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, zumal bereits auf Grund der Verurteilung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht im Sinne des Gesetzes gelegen wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2008, Zl. 2007/18/0016, mwN).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebender Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 11. Mai 2009

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