VwGH 2009/18/0049

VwGH2009/18/004919.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C I in W, vertreten durch Dr. Michael Kunze, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Oktober 2008, Zl. E1/447.914/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs1 Z1;
SMG 1997 §27 Abs3;
StGB §70;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs1 Z1;
SMG 1997 §27 Abs3;
StGB §70;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Oktober 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 iVm Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen und jener Spruchteil im erstinstanzlichen Bescheid, mit dem die aufschiebende Wirkung einer (allfälligen) Berufung ausgeschlossen wurde, aufgehoben.

Der Beschwerdeführer sei am 29. September 2007 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am selben Tag einen Asylantrag beim Bundesasylamt gestellt, welcher noch beim Asylgerichtshof anhängig sei. Der Beschwerdeführer verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.

Am 28. August 2008 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, davon sieben Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Wien vorschriftswidrig gewerbsmäßig Suchtgift anderen überlassen habe, indem er am 4. und 5. August 2008 je zwei Kugeln Heroin an unbekannt gebliebene Suchtgiftabnehmer und am 6. August 2008 drei Kugeln Kokain mit insgesamt 2,8 g brutto und fünf Kugeln Heroin mit insgesamt 5,3 g brutto an einen verdeckten Ermittler abgegeben habe.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde unter Hinweis auf §§ 60 Abs. 2 Z. 1, 62 und 66 FPG aus, dass dem Beschwerdeführer der Status eines Asylwerbers zukomme, die Voraussetzungen für die Erlassung eines Rückkehrverbotes jedoch vorlägen. Zum einen sei auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Zum anderen gefährde das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maße, sodass sich (auch) die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise. In einem solchen Fall könne gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 leg. cit. entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer mache keine familiären Bindungen im Bundesgebiet geltend. Auf Grund seines mehr als einjährigen inländischen Aufenthaltes sei jedoch von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Rückkehrverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit Dritter, als dringend geboten zu erachten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche mehr als augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne für den Beschwerdeführer schon in Ansehung der gewerbsmäßigen Tatbegehung und der Suchtgiftdelikten zu Grunde liegenden immanenten Wiederholungsgefahr nicht positiv ausfallen.

Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen, aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration eines Fremden nicht rechtswidrig.

Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten habe von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

Die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung erscheine auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers einerseits und seine aktenkundige Lebenssituation andererseits könne ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

Da der Beschwerdeführer über eine bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens gültige vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfüge, komme eine vorzeitige Vollstreckung des Rückkehrverbotes ohnedies nicht in Betracht. Die belangte Behörde habe sich daher trotz der vom Beschwerdeführer ausgehenden massiven Beeinträchtigung der besagten öffentlichen Interessen veranlasst gesehen, den von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu beheben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die - unbekämpft gebliebene - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 62 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, begegnet in Anbetracht der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten keinen Bedenken.

Nach den weiteren, insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde liegt dieser Verurteilung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer - wie unter I.1. dargestellt - nicht einmal ein Jahr nach seiner Einreise begonnen hat, an mehrere Suchtgiftabnehmer Heroin bzw. Kokain zu verkaufen, wobei er gewerbsmäßig, d.h. in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, vorgegangen ist (vgl. § 27 Abs. 3 SMG und § 70 StGB).

In Anbetracht dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0743, mwN), begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand, handelt es sich doch bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist. Die (bloße) Beschwerdebehauptung, nur bei Suchtabhängigen sei mit einer relevanten Rückfallgefahr zu rechnen, findet im Blickwinkel der gerichtlichen Praxis keine Bestätigung. Im Übrigen ist der seit der Begehung des genannten strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr anzunehmen, sodass auch deshalb - entgegen der Beschwerdeansicht - kein Grund dafür bestand, eine für ihn günstige Verhaltensprognose zu treffen.

2. Auch gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Erlassung des Rückkehrverbotes sei zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit anderer) dringend geboten (§ 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen jedenfalls nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 2 FPG), bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides befand sich der Beschwerdeführer erst rund 13 Monate im Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nur auf Grund eines Asylantrages vorläufig berechtigt. Unstrittig bestehen keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers sind daher insgesamt nur schwach ausgeprägt. Konkrete Umstände, die zu einer Verstärkung dieser Interessen führen könnten, werden in der Beschwerde nicht behauptet. Damit ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die Relevanz der in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Diesen nur schwach ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinen Straftaten resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Dass der Beschwerdeführer angeblich jegliche Bindungen zu Nigeria verloren habe und bis zu seiner aktenkundigen Verurteilung unbescholten gewesen sei, ändert daran nichts.

3. Entgegen der Beschwerdeansicht sind auch keine besonderen Umstände erkennbar, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, im Rahmen des ihr gemäß § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Rückkehrverbotes Abstand zu nehmen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. März 2009

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