Normen
PStG §16;
VwGG §42 Abs2 Z1;
PStG §16;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte sowie zur Rechtslage genügt der Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2009, Zl. 2008/17/0054. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 2008 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und - zusammengefasst - unter Hinweis auf seine Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 95/01/0061) ausgesprochen, dass ein schwerwiegender operativer Eingriff wie etwa die von der belangten Behörde geforderte Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, keine notwendige Voraussetzung für eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechtes ist. Sei das Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht aller Voraussicht nach weitgehend irreversibel und nach außen in der Form einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechtes zum Ausdruck gekommen, sei der österreichischen Rechtsordnung kein Hindernis zu entnehmen, das eine personenstandsrechtliche Berücksichtigung des für die Allgemeinheit relevanten geschlechtsspezifischen Auftretens hindern würde. Es seien - ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - von der belangten Behörde Erhebungen darüber unterlassen worden, ob bei der beschwerdeführenden Partei eine derartige (eben auch ohne schwerwiegenden operativen Eingriff mögliche) deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts vorliege und mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern werde; diese Frage werde in aller Regel nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ausreichend geklärt werden können.
Im nunmehr fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde ein neurologisch psychiatrisches Gutachten eingeholt. In diesem geht die Gutachterin davon aus, dass die Diagnose Transsexualismus zu stellen sei, wenn der Wunsch bestehe, als Angehöriger des anderen anatomischen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden; dies gehe meist mit einem Gefühl des Unbehagens und der Nichtzugehörigkeit zum eigenen Geschlecht einher. Es bestehe der Wunsch nach hormoneller und chirurgischer Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht so weit wie möglich anzugleichen. Als diagnostische Leitlinie für die transsexuelle Identität müsse diese mindestens zwei Jahre durchgehend bestanden haben und dürfe nicht ein Symptom einer anderen psychischen Störung sein. Ein Zusammenhang mit intersexuellen genetischen und geschlechtschromosonalen Anomalien müsse ausgeschlossen werden.
Davon ausgehend gelangte die Sachverständige zur Beurteilung, auf Grund der eigenen Untersuchung bzw. aus den vorgelegten Befunden gehe eindeutig hervor, dass die Diagnose (im dargelegten Sinn) zu stellen sei, da sich die betroffene Person (die beschwerdeführende Partei) dem Alltagstest seit Jahren gestellt habe und im äußeren Erscheinungsbild einer Frau seit Jahren lebe und arbeite. Es sei daher mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern werde. (Ergänzend) führte die Sachverständige in der abschließenden Beurteilung in ihrem Gutachten weiter aus, eine (weitere) Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechtes sei jedoch nur durch einen operativen Eingriff möglich, weil die äußeren Geschlechtsorgane eindeutig männlich seien.
Mit ihrem Ersatzbescheid vom 27. Oktober 2009 wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den erstinstanzlichen Bescheid neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 73 AVG ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des entscheidungswesentlichen Inhaltes des Sachverständigengutachtens kam die belangte Behörde zu folgendem Schluss:
Gemäß § 16 Personenstandsgesetz habe die Personenstandsbehörde eine Beurkundung nur zu ändern, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden sei. Zwar führe die Sachverständige in ihrem Gutachten aus, dass auf Grund der eigenen Untersuchung bzw. aus den vorgelegten Befunden eindeutig hervorgehe, dass bei der beschwerdeführenden Partei die Diagnose Transsexualität zu stellen sei, eine Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts jedoch nur durch einen operativen Eingriff möglich sei, weil die äußeren Geschlechtsorgane eindeutig männlich seien.
Auch der Verwaltungsgerichtshof habe deutlich das kumulative Vorliegen beider Voraussetzungen als Grundlage für die Änderung der Eintragung im Geburtenbuch angesehen. Es sei somit nicht ausreichend, dass sich die beschwerdeführende Partei unwiderruflich dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühle, sondern es müsse auch zusätzlich noch das äußere Erscheinungsbild des Wunschgeschlechtes gegeben sein. Dies werde im konkreten Fall von der Sachverständigen in ihrem Gutachten verneint, weil kein operativer Eingriff erfolgt sei. Im Falle der beschwerdeführenden Partei liege somit keine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts vor, weshalb auch die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Eintrags des Geschlechtes von "männlich" in "weiblich" nicht vorlägen.
Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie bereits eingangs erwähnt, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem (bindenden) Erkenntnis vom 27. Februar 2009, Zl. 2008/17/0054 dargelegt, warum nach der österreichischen Rechtslage ein operativer Eingriff, wie die Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, als Voraussetzung für die beantragte Änderung der Eintragung des Geschlechts im Geburtenbuch nicht erforderlich ist.
Die belangte Behörde geht selbst im nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid dem - insoweit schlüssigen - Sachverständigengutachten folgend, davon aus, dass die beschwerdeführende Partei die dargelegten Kriterien hinsichtlich der Transsexualität erfüllt. Dass eine deutliche Anpassung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts allein durch einen operativen Eingriff möglich sei, wovon die belangte Behörde - sich auf das ärztliche Gutachten stützend - ausgegangen ist, wurde vom Verwaltungsgerichtshof nicht ausgesprochen. Die belangte Behörde ließ in ihrer Beurteilung unberücksichtigt, dass die Sachverständige selbst davon ausgegangen ist, dass sich die beschwerdeführende Partei dem Alltagstest seit Jahren gestellt habe und mit dem äußeren Erscheinungsbild einer Frau seit Jahren lebe und arbeite.
Dies hat die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 17. Februar 2010
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