VwGH 2009/16/0100

VwGH2009/16/010017.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer LL.M., über die Beschwerde des Finanzamtes Bregenz gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Feldkirch) vom 6. Dezember 2005, GZ. RV/0325-F/04, betreffend Normverbrauchsabgabe (mitbeteiligte Partei: GM in H), zu Recht erkannt:

Normen

11997E090 EG Art90;
62001CJ0387 Weigel VORAB;
NoVAG 1991 §6 Abs6;
11997E090 EG Art90;
62001CJ0387 Weigel VORAB;
NoVAG 1991 §6 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei hat ein neues Kraftfahrzeug aus Deutschland erworben. In ihrer Erklärung über die Normverbrauchsabgabe vom 27. Jänner 2004 gab sie dafür eine Bemessungsgrundlage von EUR 25.000,-- an und errechnete unter Anwendung eines Steuersatzes von 16 % die Normverbrauchsabgabe von EUR 4.000,-- sowie eine Abgabenerhöhung gemäß § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 (20 %) von EUR 800,--, somit insgesamt EUR 4.800,--.

Die mitbeteiligte Partei stellte mit Schreiben vom 6. März 2004 den Antrag, die Normverbrauchsabgabe mit lediglich EUR 4.000,-- festzusetzen und begründete dies damit, dass die Bestimmung des § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 gemeinschaftsrechtswidrig sei und die Selbstberechnung sich daher als falsch erweise.

Das beschwerdeführende Finanzamt wies mit Bescheid vom 4. November 2004 den Antrag der mitbeteiligten Partei auf "Rückerstattung des 20 %-igen Zuschlags gemäß § 6 Abs. 6 NoVAG 1991" ab. Begründend führte das beschwerdeführende Finanzamt aus, die Erhebung des 20 %-igen Zuschlags sei lediglich im Falle der Einfuhr eines Gebrauchtfahrzeuges aus einem anderen Mitgliedstaat durch eine Privatperson nicht zulässig. Bei dem eingeführten Fahrzeug handle es sich um ein Neufahrzeug.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und die Normverbrauchsabgabe mit EUR 4.000,-- festgesetzt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, Art. 90 EG verbiete, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art, als gleichartige inländische Waren zu tragen haben, zu erheben. Der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 29. April 2004, Rs. C-387/01 ("Weigel/Weigel"), ausgesprochen, dass eine Abgabe, die auf die Ausschaltung eines Wettbewerbsvorteils eingeführter Waren gegenüber inländischen Waren abziele, Art. 90 EG zuwiderlaufe. Gerade diese Zielsetzung werde aber mit dem NoVA-Zuschlag verfolgt. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. Nr. 818/1993 solle der Zuschlag zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zu Gunsten des ausländischen Fahrzeughandels als "Umsatzsteuersurrogat" erhoben werden. Aber auch die Umsatzbesteuerung von Neufahrzeugen im Bestimmungsland rechtfertige nicht die Erhebung eines 20 %-igen Zuschlages. Dass der EuGH nicht nur die Zulässigkeit der Erhebung des NoVA-Zuschlages für die "Einfuhr von Gebrauchtfahrzeugen" geprüft habe, ergebe sich bereits aus der Formulierung des Urteils, wonach "eine Abgabe wie die Zusatzabgabe von 20 % nicht mit Artikel 90 EG vereinbar" sei. Der EuGH habe die Zulässigkeit der Erhebung der NoVA-Grundabgabe unter der Prämisse, dass es zu keiner diskriminierenden Besteuerung kommen dürfe, nicht in Frage gestellt. Die mitbeteiligte Partei habe sich auch nicht gegen die Erhebung der NoVA-Grundabgabe gewehrt. Da der Zuschlag gemäß § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 nicht generell zur Grundabgabe hinzutrete, sondern nur in jenen Fällen, in denen die Normverbrauchsabgabe nicht Teil der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer sei, sei diese "Zusatzabgabe" gemeinschaftsrechtswidrig. Im Hinblick auf die Unvereinbarkeit des Zuschlags nach § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 mit Art. 90 EG erweise sich sohin die Selbstberechnung der Normverbrauchsabgabe (§ 11 Abs. 2 NoVAG 1991) als unrichtig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Finanzamtes Bregenz, in welcher ausschließlich Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Äußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Z 3 Normverbrauchsabgabegesetz - NoVAG 1991, BGBl. Nr. 695/1991 in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 122/1999, unterliegt der Normverbrauchsabgabe - abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen - die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland.

Nach § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 idF BGBl. I Nr. 818/1993 erhöht sich die Steuer in jenen Fällen, in denen die Normverbrauchsabgabe nicht Teil der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist, um 20 %.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde im Instanzenzug die Normverbrauchsabgabe antragsgemäß mit EUR 4.000,-- mit der Begründung festgesetzt, dass die Erhebung des Zuschlages nach § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 dem Art. 90 EG widerspreche. Dabei hat die belangte Behörde auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 29. April 2004, Rs. C-387/04 ("Weigel/Weigel"), verwiesen.

Das beschwerdeführende Finanzamt vertritt in seiner Beschwerde die Auffassung, das genannte Urteil beziehe sich ausschließlich auf den Fall der "Einfuhr" von Gebrauchtfahrzeugen aus anderen Mitgliedstaaten. Im Beschwerdefall sei aber ein neues Fahrzeug eingeführt worden.

Nach Art. 90 Abs. 1 EG erheben die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben.

Der EuGH hat in dem genannten Urteil vom 29. April 2004 ausgeführt, dass das Gemeinschaftsrecht nicht die Freiheit der Mitgliedstaaten beschränke, ein differenziertes Steuersystem für bestimmte, sogar im Sinne von Art. 90 Abs. 1 EG gleichartige Erzeugnisse nach Maßgabe objektiver Kriterien zu errichten. Solche Differenzierungen seien jedoch mit dem Gemeinschaftsrecht nur vereinbar, wenn sie wirtschaftspolitische Ziele verfolgten, die ihrerseits mit den Erfordernissen des Vertrages und des abgeleiteten Rechts vereinbar seien, und wenn ihre Modalitäten geeignet seien, jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung von Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten und jeden Schutz inländischer konkurrierender Produktionen auszuschließen.

Weiters führte der Gerichtshof unter Bezug auf seine frühere Rechtsprechung aus, dass ein Kriterium für eine erhöhte Besteuerung, das per definitionem niemals auf gleichartige inländische Erzeugnisse anwendbar sei, nicht als mit dem in Artikel 90 EG verankerten Diskriminierungsverbot vereinbar angesehen werden könne. Durch eine solche Regelung würden die inländischen Erzeugnisse von vornherein von der höheren Besteuerung ausgenommen. Eine unterschiedliche Besteuerung ist mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar, wenn die am höchsten besteuerten Erzeugnisse ihrer Art nach eingeführte Erzeugnisse seien. Die Zusatzabgabe von 20 % komme aber im Allgemeinen nur zu derjenigen NoVA-Grundabgabe hinzu, die auf eingeführte gebrauchte Kraftfahrzeuge erhoben werde, und nur ausnahmsweise zu derjenigen NoVA-Grundabgabe, die auf rein inländische Vorgänge erhoben werde. Diese Zusatzabgabe von 20 % solle bezwecken, angebliche Wettbewerbsverfälschungen zu verhindern. Eine Abgabe, die auf die Ausschaltung eines Wettbewerbsvorteils eingeführter Waren gegenüber inländischen Waren abziele, widerspreche offensichtlich

Artikel 90 EG (vgl. Nr. 67, 85 bis 88 der Erwägensgründe).

Der EuGH ist daher in dem genannten Urteil zu dem Schluss gekommen, dass Art. 90 im Fall der Einfuhr eines Gebrauchtfahrzeuges aus einem anderen Mitgliedstaat durch eine Privatperson der Erhebung eines Zuschlags von 20 % auf eine Abgabe mit den Merkmalen der im Ausgangsverfahren streitigen Normverbrauchs-Grundabgabe entgegensteht.

Für den Verwaltungsgerichtshof ist im Beschwerdefall nicht ersichtlich, warum diese Schlussfolgerungen nicht auch auf neue Fahrzeuge zutreffen sollten. In beiden Fällen besteht der Zweck der Abgabenerhöhung nach § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 in der "Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zu Gunsten des ausländischen Fahrzeughandels" (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 1237 BlgNR 18. GP 78 betreffend die Novelle BGBl. Nr. 818/1993) und die Wirkung in der höheren Belastung von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Fahrzeugen mit Normverbrauchsabgabe.

Das beschwerdeführende Finanzamt sieht die Erhebung des Zuschlages nach § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 dennoch als gerechtfertigt an, weil nach seiner Auffassung der Zuschlag nach § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 dem Ziel einer gleichmäßigen Besteuerung durch Verwirklichung des durch die 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie (77/388/EWG ) normierten Bestimmungslandprinzips diene. Beim Kauf eines neuen Fahrzeugs bei einem inländischen Händler wäre zwar kein Zuschlag nach § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 zu entrichten gewesen, die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer hätte sich aber um die auf Grund der Lieferung durch diesen Händler entstandene Normverbrauchsabgabenschuld erhöht. Dies hätte bei Anwendung des Normalsteuersatzes von 20 % eine Erhöhung der Umsatzsteuerschuld um einen Betrag in derselben Höhe wie beim Zuschlag nach § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 zur Folge gehabt. Beim innergemeinschaftlichen Erwerb eines neuen Fahrzeugs (Art. 1 Abs. 7) sei die Normverbrauchsabgabe hingegen nicht in der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuerschuld enthalten, weil der Abgabentatbestand nach dem NoVAG 1991 erst nach diesem innergemeinschaftlichen Erwerb, nämlich durch die erstmalige Zulassung im Inland (§ 1 Z 3 NoVAG 1991) verwirklicht werde. § 6 Abs. 6 NoVAG 1991 gleiche dieses verminderte Aufkommen an Umsatzsteuer im Bestimmungsland Österreich aus und führe für den Erwerber des Fahrzeugs im Ergebnis eine Steuerbelastung in betragsmäßig gleicher Höhe herbei.

Dazu ist festzuhalten, dass die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer Abgabe nicht schon deswegen beseitigt wird, nur weil sie geeignet sein könnte, die Ungleichbehandlung im Hinblick auf eine andere Abgabe zu neutralisieren und bei vergleichbaren wirtschaftlichen Vorgängen insgesamt eine gleichmäßige Abgabenbelastung der Steuerpflichtigen zu bewirken.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH in seinem Urteil vom 1. Juni 2006, Rs. C-98/05 ("De Danske Bilimportører") zur dänischen Zulassungssteuer ausgesprochen hat, dass diese nicht unter den Begriff der Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben im Sinne von Art. 11 Teil A Abs. 2 Buchstabe a der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie falle. Das hat zur Folge, dass sie nicht in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer einzubeziehen ist.

Die Europäische Kommission hat daher im Oktober 2009 unter Hinweis auf das genannte Urteil des EuGH vom 1. Juni 2006 u. a. gegen Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage eingeleitet (IP/09/ 1455).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Dezember 2009

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