VwGH 2009/13/0181

VwGH2009/13/018120.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über den Antrag des S in G, vertreten durch Mag. Verena Hirschböck, Steuerberaterin in 1130 Wien, Heimschollegasse 24, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln im mit Beschluss vom 26. August 2009, 2009/13/0070, eingestellten Verfahren, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Wiedereinsetzungsantrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluss vom 26. August 2009, 2009/13/0070, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 5. März 2009, Zl. RV/0481-G/07, miterledigt RV/0482-G/07, betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2001 bis 2003, mit der Begründung ein, der Antragsteller habe den ihm erteilten Mängelbehebungsauftrag insofern nicht erfüllt, als der Ergänzungsschriftsatz vom 31. Mai 2009 zwar fristgerecht, jedoch anstelle in dreifacher Ausfertigung nur in einfacher Ausfertigung eingereicht worden sei. Da der Mängelbehebungsauftrag somit nur teilweise erfüllt worden sei, gelte die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG als zurückgezogen.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wird ausgeführt, der Schriftsatz zur Behebung des Beschwerdemangels sei von der ihn vertretenden Steuerberaterin erstellt worden. Diese habe den fertig gestellten und unterschriebenen Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung samt Beilagen einer Mitarbeiterin mit der Bitte übergeben, das gesamte Konvolut in der Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes persönlich abzugeben. Die "erfahrene und stets verlässlich arbeitende Mitarbeiterin" habe sich auch selbst von der Vollständigkeit der Unterlagen überzeugen wollen und habe bei Durchsicht der Unterlagen "zwecks Übersichtlichkeit die drei Originale des Schriftsatzes auf die Seite" gelegt, um diese nicht mit den Beilagen zu vermischen. Irrtümlicherweise habe sie jedoch am Schluss nur das oberste Exemplar des Schriftsatzes zu dem Konvolut genommen und dieses zum Verwaltungsgerichtshof gebracht, sodass der Ergänzungsschriftsatz nur in einfacher Ausfertigung übermittelt worden sei. Als die Mitarbeiterin am nächsten Tag die beiden übrigen Schriftsätze wieder gefunden habe, sei sie der Meinung gewesen, es handle sich um jene Unterlagen, die im Handakt abzulegen wären "und legte sie dort ab". Der Mitarbeiterin sei ein solches Versehen bisher noch nie unterlaufen. Es werde daher beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Abgabe des Ergänzungsschriftsatzes in dreifacher Ausfertigung zu bewilligen.

In einer dem Antrag angeschlossenen eidesstattlichen Erklärung vom 14. September 2009 erklärte Frau Valerie H., dass ihr die Vertreterin des Antragstellers am 2. Juni 2009 drei unterschriebene Ergänzungsschriftsätze samt Beilagen des Antragstellers überreicht habe, mit dem Auftrag, diese zu kuvertieren und persönlich in der Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes abzugeben. Als sie die Unterlagen "auf Vollständigkeit" durchgesehen habe, habe sie die Ergänzungsschriftsätze beiseite gelegt, um diese nicht mit den Beilagen "durcheinander zu mischen". Beim Kuvertieren habe sie jedoch nur das oberste Exemplar aufgenommen und "brachte das Konvolut somit nur mit einfachem Schriftsatz in die Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes". Ein solches Versehen sei ihr bisher noch nie unterlaufen.

Gemäß § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck bringt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 7. August 2001, 2001/14/0140), gibt ein dem berufsmäßigen Parteienvertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Der Vertreter muss seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sichergestellt ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrolle dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 31. Oktober 2000, 2000/15/0157).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Antragstellers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 19. April 2006, 2006/13/0050 und 2005/13/0180).

Es trifft zwar zu, dass der Vertreter rein mechanische Vorgänge, wie etwa das Kuvertieren oder die Postaufgabe, grundsätzlich der alleinigen Erledigung der Kanzlei überlassen kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2007, 2005/16/0258). Dies setzt allerdings voraus, dass auf Grund eindeutiger Anordnung (vor allem einem Beilagen- oder Gleichschriftenvermerk) klargestellt ist, welche Schriftstücke zu kuvertieren sind (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 20. Februar 2008, 2007/15/0271, und vom 25. Februar 2009/ 2008/13/0254 WE). Erfolgt keine solche Anordnung, wird ausnahmsweise auch eine Kontrollpflicht des Vertreters über einfache Verrichtungen wie die Kuvertierung eines Verbesserungsschriftsatzes ausgelöst (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 26. Juni 2008, 2008/06/0085). Aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag geht nicht hervor, dass hinsichtlich der Kuvertierung auch eine konkrete Anordnung seitens der Steuerberaterin dahingehend erfolgt wäre, dass der Verbesserungsschriftsatz in dreifacher Ausfertigung dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen sei (dies ergibt sich etwa auch daraus, dass die Mitarbeiterin nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der am nächsten Tag wieder gefundenen "zwei übrigen Schriftsätze" der Meinung war, es handle sich dabei um jene Unterlagen, die im Handakt abzulegen wären). Vor allem aber enthielt der Verbesserungsschriftsatz zwar einen Hinweis auf die mit diesem vorzulegenden Anlagen (so z.B. "Kopie der Vollmacht (1-fach)", "Beschwerde (3-fach)" oder "Kopie des angefochtenen Bescheides (1-fach)"), jedoch keinen Vermerk, dass der Ergänzungsschriftsatz dreifach einzubringen sei. Damit ist aber der Steuerberaterin im Ergebnis ein Überwachungsverschulden anzulasten, das einen

minderen Grad des Versehens gemäß § 46 Abs. 1 VwGG übersteigt und der Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung entgegensteht.

Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 20. Oktober 2009

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